Nachdem die Nixe ihre Geschichte beendet hatte, folgte eine kleine Stille. Dann sagte Fedelint und betrachtete traurig seine Mütze, die nun nicht mehr passen wollte:[201] Liebes, schönes Fräulein! Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Das Lied kenne ich nun wohl, wodurch ich Funzifudelchen gewinne; aber mit dem Kopfputz wird sie mich doch nimmermehr lieb haben. – Närrchen! lachte die Nixe, das ist das Wenigste. Ja freilich habt Ihr ein bischen Mühsal davon, denn Ihr müßt Euch die Hörner ablaufen; aber ich sag' Euch gut dafür, daß Ihr in der nächsten Mitternacht vor dem Glas-Pavillon steht und dabei, wenn Euch der Kopf friert, wie sonst die Mütze aufhaben werdet. Das müßt Ihr aber so anstellen. Seht Ihr wohl? da hinter den Bäumen, wo die lichte Stelle ist, dämmert schon der Morgen; sobald es Tag wird, macht Euch auf und streift durch den Wald und seht dabei fleißig nach Eurer Taschenuhr. Denn alle Stunde müßt Ihr die Hörnlein gegen einen Eichstamm stupfen; dann werden sie kleiner. Abends aber, sobald der Mond herauf ist, wird Euch ein braunes Reh begegnen, das noch kein Geweih hat. Eure Hörnlein sind dann schon ganz kurz, kaum eines Daumens stark. Wenn Ihr das Reh seht und sein Rufen hört, sprecht folgenden Vers:
Rehlein schlank und Rehlein braun,
Von der allerschönsten Fraun,
Undula der Wassernix,
Bring' ich zu dir Gruß und Knix.
Und sie läßt dir freundlich sagen,
Dies Geweihlein sollst du tragen.
Nimm's und hab noch tausend Dank,
Rehlein braun und Rehlein schlank!
[202]
Dann fühlt nach Eurem Kopf, und Ihr werdet der Bürde los und ledig sein. Wißt Ihr aber? wenn Ihr mir was Liebes thun wollt, dieweil ich Euch zu Funzifudelchen verholfen habe, so werft dem Professor Sutorius am hellen Tage die Fenster ein. Und nun Adieu!
Sie steckte Fedelint noch die Taschen seines Schlafrocks mit den beaux-restes der Mahlzeit voll, Alles fein säuberlich in große Blätter gewickelt, und nahm dann Abschied. Einige Geschichtschreiber meinen, die Nix habe ihn noch zu guter Letzt im Küssen examinirt, und er habe ganz glänzend bestanden. Wir können das nicht verbürgen; so viel aber steht fest, daß er zu sich selbst sagte, wie er durch den dämmernden Wald dahinschritt: Es ist doch zuweilen gut, wenn man getrennt ist von seiner Braut und die eine verwunschene Prinzessin ist, daß sie nicht alles sehn kann, was man thut.
Im Wald aber wachten alle Vögel auf und fingen an zu zwitschern und nahmen Besuch an von den Sonnenblitzen, die zu ihnen in die Nestchen kamen. Es war Alles übermüthig und vergnügt, und die Zweige der jungen Buchen konnten es nicht lassen, Fedelint zu necken und ihm das Gesicht zu streicheln, daß er manchmal ganz bitterböse wurde. Dann aber lachte er sich selbst aus und ging die verschlungenen Wege weiter, die Taschenuhr in der Hand, und richtig alle Stunden stupfte er die Hörnlein an einen Eichstamm und sagte bei sich: Mach' ich's doch gerade so gut wie die kleinen Zicklein, und[203] mein Geweih ist erst von gestern! Dabei sang er sich beständig das Lied der Nixe Undula vor, um es nicht zu vergessen. Ei der schändliche Sutorius! brummte er auch mitunter. Ich habe es gleich gemerkt, es mußte so was passirt sein; denn wenn er im Colleg über die Nixa maritima sprach, war er ganz ruhig; nur bei der Nixa aquosa, wozu er die Wildbachnixen zählte, verwirrte er sich jedes Mal. Ja, ja, das war das böse Gewissen! – Und dann riß Fedelint immer ganz ärgerlich eine Knospe oder eine Blume ab, und murmelte so was wie: Pfui, der alte Sünder!
Wie es um Mittag war und er Schlag zwölf Uhr seine Hörnlein abgewetzt hatte, und sie waren schon ganz zierlich und klein, kam er an eine kühle schattige Stelle, wo ein kleiner Brunn rieselte, mit Epheu und Immergrün überrankt. Ei, da willst du Halt machen und essen, sagte er zu sich selbst; denn beim Mittag und Vesper durfte er ruhn, hatte ihm Undula gesagt; sonst mußte er fortwährend laufen, um sich die Hörner abzulaufen. Setzte sich also ganz lustig ins hohe grüne Gras, packte seine Taschen aus und fing an drauf los zu essen. Kaum hatte er eine kleine Weile gegessen, da klang's fern durch den Wald, wie eine Geige, und Einer sang dazu. Zum Kuckuk! dachte Fedelint, ich könnte Stein und Bein schwören, daß das mein Bruder ist. Gerade so machte er das staccato und die Doppelgriffe. – Indem fing die Geige eine neue Melodie an, und ein schöner Tenor sang dazu:
[204]
Auf freier, frischer Straßen
Da wandr' ich lustig hin.
Mich freut gar aus der Maßen,
Daß ich ein Fiedler bin.
Hol' ich mein' Fiedel vor,
Da spitzt der Wald sein Ohr;
Die Vöglein in den Zweigen
Die zwitschern mit im Chor.
Am Abend in den Schenken,
Wann klingt die Fiedel mein,
Da thut sich Alles schwenken;
Der Wirth der schenkt mir ein.
Gar stattlich ist sein Bauch;
Sonst dreht' er sich wohl auch.
Die Zeche steht im Schornstein;
Da löscht sie aus der Rauch.
Will mich ein Harm beschleichen,
Ich weiß wohl, was ich thu';
Ein Liedlein thu' ich streichen
Und sing' mir eins dazu.
Gleich hat der flinke Takt
Die Beine mir gepackt;
Ich muß dazu auch tanzen,
Und fort ist, was mich zwackt.
Das Lied war kaum zu Ende, so trat der Musikant aus den Bäumen hervor und stand vor Fedelint. Beide sahen sich groß an. Bruder, schrie endlich Fedelint, was hast du für einen hübschen Bart gekriegt! – Bruder, schrie der Andere halb erschrocken, was hast du für abscheuliche[205] Hörnlein! – Ach stoß dich nicht dran! sagte Fedelint wieder, ich hab' sie mir bald abgelaufen. Er schloß den verwunderten Bruder ans Herz, und nachdem sie sich fröhlich geküßt hatten, zog der Student den Fiedler ins Gras nieder, nöthigte ihn mitzuessen und erzählte ihm seine ganze Geschichte. Und wo bist du denn herumgewesen, Franz? schloß er. Da kamen nun bunte, wunderseltsame Historien zum Vorschein. Zu allerletzt war Franz an eines Königs Hof gewesen, hatte sich sterblich in die Prinzessin verliebt und ihr mit seiner Musik auch das Herz gestohlen. Sie waren nun schon ganz glücklich und hatten sich verabredet, Franz solle am folgenden Tage Visite beim alten König machen und um die Hand seiner Tochter sich bewerben; da bekam der Premier-Minister Wind davon und ließ in einer schönen Nacht Franz aufheben und mit zwei Gendarmen über die Grenze bringen. Ach! seufzte Franz und sah die zwei schönen Sardellen auf dem Brödchen, das er eben in der Hand hielt, mit feuchtem Blick an – wie soll ich sie je vergessen?
Junge, rief Fedelint, nimmermehr sollst du sie vergessen! Siehst du wohl? wenn ich Funzifudelchen und das halbe Reich habe, bist du geborner Prinz von Geblüt; da wird der Alte schon klein beigeben.
Juchhe! schrie Franz, aß geschwind die Sardellen auf, that einen prächtigen Luftsprung und fiedelte drauf los, daß es nur so jubelte, und er und Fedelint tanzten und sangen dabei:
[206]
Will mich ein Harm beschleichen,
Ich weiß wohl, was ich thu';
Ein Liedlein thu' ich streichen
Und sing' mir eins dazu.
Gleich hat der flinke Takt
Die Beine mir gepackt;
Ich muß dazu auch tanzen,
Und fort ist, was mich zwackt.
Hör' auf, Franz! schrie Fedelint, mir geht der Athem aus. – Der aber strich noch eine Weile fort; dann schloß er mit einem langen, köstlichen Triller und sagte: Hör', Fedelint, du mußt mir das Lied der Nixe vorsingen. Wenn du heut um Mitternacht die Serenade bringst, geh' ich mit und begleite dich auf der Geige; das wird sich besser machen, als wenn du mit deinem dünnen Bariton allein dich hören lässest. – Bravo! sagte Fedelint. Aber erst will ich meine Hörnlein an den Stamm da stupfen, es ist wahrhaftig schon fünf Minuten über Ein Uhr. Und damit butzte er den Kopf an die Eiche, unter der sie gespeis't hatten, daß Franz vor Lachen sich die Seiten hielt. Dann fing Fedelint an und sang Undula's Lied, und Franz strich die Fiedel dazu, und ich wollte selbst, ich wäre dabei gewesen.