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Fedelint und Funzifudelchen. Zweites Kapitel.
日期:2024-04-07 10:23  点击:214
Wie der alte verrückte Kapellmeister den aufrührischen Bassisten nachläuft.

Die Hochzeit wurde mit großer Pracht und Herrlichkeit gefeiert, auch bald nachher der ganze Marstall meistbietend versteigert, und nur die Invaliden-Allee blieb im Garten, weil auch die Königin eine große Freundin von guter Musik war. Die vergoldeten Mohrenkinder aber wurden von den Tabackshändlern gekauft und neben die Ladenschilder gestellt, eine Cigarre im Mund und einen Federbusch auf dem Kopfe.
 
Da nun die Zeit erfüllet war, genas Rapudanzia eines feinen, wunderlieblichen Mägdleins, der man den Namen[171] Funzifudelchen gab. Da war aber erst Freude im Lande! Drei Tage lang war blauer Montag und Volksjubel mit Tanz und Kegelschieben, und die guten Unterthanen illuminirten von Morgens früh bis um Mitternacht alle Fenster, was ich bezweifeln würde, wenn ich's nicht aus den besten Quellen hätte.
 
Aber leider Gottes wurde die Freude bald in Trauer verkehrt. Funzifudelchen nämlich, so schön und holdselig sie auch in der diamantenen Wiege lag, war doch nicht im Stande die kleinen Augen aufzuschlagen. Muffel der Erste, ingleichen die hohe Wöchnerin waren in Verzweiflung; alle Bemühungen der Aerzte erwiesen sich fruchtlos, denn das kleine Prinzeßchen fing kläglich an zu schreien, sobald man ihr nur die Augenlieder berührte. Da gedachte der trauernde König an die Verwünschung der bösen Fee Aurora Mesopotamia und dessen, was sie ihm von der Nixe Undula zugerufen hatte. Er ließ also am schwarzen Brett in der Universität, weil da alle Tage die klügsten Leute aus- und eingehn, Dem das halbe Königreich und die ganze Prinzessin versprechen, der seiner Tochter um Mitternacht das Lied von der Nixe Undula vorsingen könne. Natürlich solle mit der Hochzeit bis nach der Einsegnung gewartet werden; das halbe Königreich werde er gleich erhalten. Da zerbrachen sich die gelehrtesten Professoren den Kopf, schrieben dicke Bücher über die Nixe Undula, von tausend verschiednen Standpunkten, und stellten die verschiedensten Systeme darüber auf.
 
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Noch mehr aber als den Professoren war den Studenten die Prinzessin zu Kopf gestiegen. Denn die wohnten Alle in einem kleinen Stadtviertelchen zusammen, und der Weg zur Universität führte gerade beim Schlosse vorbei. Der König aber hatte seiner Tochter einen gläsernen Pavillon bauen lassen, wo jeder sie in ihrem Bettchen liegen sehn konnte, und da standen die Herrn Studenten im Vorübergehn still und schauten das Wunderkind an, und kamen regelmäßig zu spät, wozu die Professoren gewiß lange Gesichter gemacht hätten, hätten sie sich nicht bei ihren Forschungen über die Nixe Undula ebenfalls jedesmal verspätet. Ein Student aber verspätete sich gewöhnlich so gewaltig, daß er gerade sich satt gesehen hatte, wenn alle Lehrstunden zu Ende waren, und dann auch noch nicht ganz satt. Denn oft zu nachtschlafender Zeit ließ es ihn zu Haus nicht ruhn, er mußte durchaus aufstehn und nach dem Glas-Pavillon laufen und wieder hineingucken. Das war aber eigentlich verboten; denn da stand die Prinzessin auf und aß und trank, wie alle Andre, und ging in der Stube umher, und das trauernde Königspaar machte ihr Besuch und fragte, wie sie sich befinde und ob sie Fortschritte im Französischen mache und in Allem, was sie sonst lernen mußte. Denn sie hatte zu Nacht Unterricht bei den besten Meistern und war sehr klug, und lernte darum nicht minder gut, weil sie die Augen nicht aufschlagen konnte. Wie gesagt, das durfte aber Niemand mit ansehn, und Fedelint – so hieß der neugierige[173] Student – mußte oft den Tag über im Carcer sitzen, weil der Nachtwächter ihn bei dem Glas-Pavillon getroffen hatte. Ja das half Alles nicht, sitzen mußt' er, und machte im Carcer die allerschönsten Sonette auf Funzifudelchen, die man nur lesen konnte.
 
In der Stadt wohnte auch ein alter Kapellmeister, der zugleich Kantor und Organist am Dom war, ein kleines dürres Männchen, krumm wie ein Fiedelbogen, der hieß Bratsche. Weil er aber immer so wunderliche Reden führte und ganz sonderbar einherging, nannten ihn die Currende-Jungen und bald auch die ganze Stadt nicht anders als den alten verrückten Kapellmeister. Der hatte sich auch ganz sterblich in Funzifudelchen verliebt, und war er früher beim Choralsingen oft in eine andre Melodie gerathen, so that er's jetzt erst recht oft, so daß die andächtigen Leute den Kopf schüttelten und sagten: Es wird doch immer ärger mit unserm alten verrückten Kapellmeister. Der aber kehrte sich viel dran! Er hatte nichts anders im Sinn, als das Lied der Nixe Undula, und setzte seinen Kopf drauf, es müsse aus C moll sein. Er hatte das schon allen Leuten vertraut; aber was wollte die bloße Tonart helfen! Damit bekam er weder die Prinzessin, noch das halbe Königreich.
 
Eines Abends saß er oben in seinem Dachkämmerchen ohne Licht, denn er war gar zu blutarm; aber der Mond schien ihm gerade auf seinen Tisch, der mit Noten und Instrumenten bepackt war. Nebenan schlief die alte Ursel,[174] seine Haushälterin; aber sie hatte einen sehr leisen Schlaf, und er mußte des Abends immer fein still sein und stumme Musik machen, weil sie sonst aufwachte, und dann war sie immer sehr bös. Da saß er nun und sah zum Monde hinauf und meinte, die Flecken drin wären am Ende Noten. Denkt einmal, so verrückt war er schon! Wie er nun eben dran ging, sie herauszubringen, und dachte wahrhaftig, darin wär' das Lied der Nixe Undula enthalten: hörte er unten auf der Gasse einen gewaltig tiefen brummenden Ton. Das ging aber so zu. Es war um die Zeit der Pfingsten, wo die Kinder gewöhnlich das Spielzeug, das sie zu Weihnachten bekommen haben, wegwerfen und ins Freie laufen, um sich die eingefrornen Glieder in der frischen Frühlingsluft aufthauen zu lassen. Dadurch waren unter andern auch die Waldteufel in Ruhestand versetzt worden, und weil das von Natur ein verteufelt brummiges Volk ist, auch Haare auf den Zähnen hat und den Umschwung der Dinge liebt, war es im Stillen zu einer Verschwörung unter ihnen gekommen. Sie hatten sich aus den Bodenkammern, wohin sie verbannt waren, auf die Dächer geschwungen und auf einem geräumigen, flachen Dache in einer schönen Nacht eine Volksversammlung gehalten. Einer, der durch seine Dicke und Größe ausgezeichnet war, auch das Bild Muffels des Ersten auf der Brust trug, wurde zum König gewählt, schwang sich würdevoll auf einen Schornstein und hielt folgende Rede: Verehrte Bassisten! (denn so nennen sich die Waldteufel[175] in amtlichen Sachen) Man hat uns als dumme Teufel behandelt und in eine unthätige Ruhe verurtheilt, die der Tod unsrer schönen Stimmen sein würde. Wir sind waldursprüngliche, freie Geschöpfe; wir brauchen uns das nicht bieten zu lassen. Meine Herren! kehren wir in den Urzustand zurück! Flüchten wir in die böhmischen Wälder! – –
 
Allgemeines Bravo ließ den Redner nicht endigen. Es wurde beschlossen, in der nächsten Nacht aufzubrechen, und Alles trennte sich, um bis dahin in der Rumpelkammer seinen Träumen nachzuhängen und der ehrenrührigen Gesellschaft, in der man sich befand, noch verächtlicher als sonst den Rücken zu drehen. Was sind auch Bälle, Peitschen, Steckenpferde und bleierne Soldaten gegen einen waldursprünglichen Bassisten, der den großen Gedanken der Freiheit zum ersten Male gedacht hat!
 
In der folgenden Nacht setzte sich nun wirklich das ganze geschwänzte und gestielte Heer in Bewegung und flog gerade durch die Gasse, wo der alte verrückte Kapellmeister den Mann im Monde für ein Notenblatt ansah. Bratsche spitzte die Ohren. Ursel! rief er, Ursel! hört Sie nicht? – Was ist denn, Herr Kapellmeister? rief die heisere Alte aus dem Nebenzimmer. – Es ist ein gräulicher Rumor auf der Straße. Was mag's sein? – Ach nix! Hundelärm! gab die Alte zur Antwort und drehte sich ärgerlich auf die andere Seite. Bratsche horchte hoch auf. Nixe? Undula? wiederholte er. Wahrhaftig! ich glaube, sie hat Recht. Klang mir's doch gleich wie C moll.[176] Da muß ich nach! O ich glücklichster Kapellmeister unter dem Monde!
 
Und damit stürzte er barhaupt und im Schlafrock die Treppe hinunter und den Bassisten nach zum Thore hinaus. 

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