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Der Jungbrunnen:Veilchenprinz.-3
日期:2024-04-07 10:06  点击:233

»Sieh nur, Lieber,« rief sie lebhaft aus, »wie traulich es hier ist! Ich war gestern Morgen hier, ganz früh, als du noch schliefst; aber heute Abend ist's viel tausendmal schöner. Jetzt bin ich auch an deiner Seite; da gefällt mir's besser, weil du's mitgenießest.« Der junge Mann lächelte freundlich und sagte: »Es ist wirklich sehr schön hier und das Plätzchen mir völlig unbekannt. Im vorigen Jahr war's hier lange nicht so freundlich; weißt du noch? da war's viel wilder und unfreundlicher.« – »Ja«, sagte das Mädchen, »das macht der neue Gärtner, der Alles so hübsch in Ordnung hält«; und indem sie das sagte, war sie schon wieder durchgeschlüpft, und Veilchenprinz hörte draußen ihr fröhliches Lachen über den jungen Mann, der nicht sogleich die Stelle finden konnte, wo die Zweige sich leicht aus einander biegen ließen. Nun hörte er, wie sie den kleinen Hügel hinangingen, und als sie oben waren, sah er ihre Köpfe über die Wipfel der Trauerweiden herausragen. Sie setzten sich, in stillem Anschaun der herrlichen Aussicht. Fern hörte man eine Flöte eine wehmüthige Melodie spielen, die langgehalten durch die reine Sommerluft hinzitterte und in einem leisen Seufzer erstarb. Rings[135] im Grase zirpten die Heimchen, kleine Goldkäfer schwirrten durch die Nacht, und die Schmetterlinge wiegten sich wie schlaftrunken in den Kelchen der Blumen. Dazwischen plätscherte der Springbrunnen, und die Schatten des Gartens wurden immer dunkler und dunkler, je heller das Mondlicht auf den hervortretenden Zweigen sich anklammerte. Veilchenprinz hörte, wie die Beiden auf dem Hügel aufstanden und langsam hinabgingen, stumm und wortlos, überwältigt von dem allesergreifenden Zauber der Sommernacht. Und wie ihre Tritte mehr und mehr verhallten, sank auf ihn der Schlummer nieder, und er schlief unter lieben Träumen, in die nur das Bild des jungen Mannes sich störend drängte.

 

Eine ganze Woche hindurch sah er das junge Mädchen fast jeden Tag. Gewöhnlich kam sie des Abends an der Hand des jungen Mannes, der, wie Veilchenprinz aus ihren Worten merkte, ihr Bruder war. Sie schien ihn sehr lieb zu haben und er sie auch, und oft saßen sie zusammen auf dem Bänkchen und plauderten. Veilchenprinz konnte ganz deutlich sehen, wie sie sich traulich umschlungen hielten und die Schwester ihr Köpfchen an des Bruders Schulter lehnte. Auch schienen sie ihm immer sehr ernste Dinge zu besprechen, denn wenn sie hinabgingen, waren sie feierlich still; aber er wußte nicht, daß Worte einer reinen Liebe wie Orgelklänge die Seele ergreifen und harmonisch bis in die innersten Tiefen bewegen.

 

Und so hing Veilchenprinz mit ganzer Seele an dem[136] jungen Mädchen und wußte es selbst nicht. Wenn sie einen Tag nicht kam, senkte er das Köpfchen und hatte nimmer Freude, wenn auch die Sonne noch so hell schien. Einmal aber hatte er sie schon drei Tage lang nicht gesehn und war trostlos. Alle Verweise seines Vaters, alle Bitten seiner Braut hatten nicht vermocht, seinen Trübsinn zu verscheuchen, und er wurde sichtlich blaß und mager. So merkte er es auch eines Abends nicht, daß der bunte Schmetterling herangeflogen kam, den er sonst nie hatte leiden mögen. Der war aber auch ganz trübselig, und da wurde Veilchenprinz aufmerksam und fragte, was ihm wäre. »Ach«, sagte der Schmetterling, »denk nur, Veilchenprinz, in einer Stunde muß ich sterben! und da komme ich nur her, um Abschied zu nehmen, vornehmlich von deiner Braut; und da ich nun doch bald sterben soll, so kann ich's ja sagen, wie sehr ich sie geliebt habe!« – Veilchenprinz war bis zu Thränen gerührt; er umarmte den Schmetterling und bedauerte ihn von Herzen. »Ist denn kein Mittel, dir zu helfen, armer Schelm?« sagte er. – »O ja, es giebt wohl eins, aber das ist so gut wie keins; denn es läßt sich nicht ausführen. Es müßt' ein Blumenelf meine Flügel nehmen und mich in seine Blume lassen; dann würd' ich fortleben, er aber würde nach einer Stunde sterben müssen. Wer wollte das wohl thun?« setzte er traurig hinzu. – Wie ein Blitz fuhr es Veilchenprinz durch den Kopf. »Hör'«, sprach er, »ich hätte nicht übel Lust dazu. Mein Vater behandelt mich hart, meine Braut mag ich nicht, und das[137] Leben ist mir verhaßt; also mach' ich den Tausch von Herzen gern. Ich dacht' es mir immer herrlich, so in der freien Luft herumzugaukeln, und für eine einzige Stunde solcher Lust will ich gern mein ganzes Leben hingeben.« – Der Schmetterling war edelmüthig genug, den Vorschlag abzulehnen. Als er aber sah, daß es Veilchenprinz ganz Ernst war, ging er, wiewohl mit Widerstreben, darauf ein. Der König schlief schon, und die Braut ließ es nicht ungern geschehen, obwohl sie auch Veilchenprinz recht lieb gehabt hatte, weil er so gar sanft und gut war. In wenig Augenblicken hatte er die Flügel an den Schultern und zu seiner Freude konnte er sie ganz leicht gebrauchen. Nicht ohne Wehmuth nahm er Abschied von seinen schlummernden Freunden, und nachdem er den Springbrunnen noch einmal umkreis't hatte und auf der Stelle geruht, wo er seine Freundin zum ersten Male sah, schwang er seine Flügel höher und flog über die Trauerweiden hinweg in die kühle Nacht, durch den duftenden Garten. 

Eine neue, unbekannte Welt that sich vor ihm auf. Ringsum rüttelte der Wind an den Sträuchern, und in dem Laube der Bäume wispert' es und rauschte, wie verworrene Klänge ferner Stimmen, und wunderlich streckten die Bäume ihre dunkeln Aeste heraus, wie wenn sie drohend den Finger aufheben wollten. Er aber achtete auf nichts, sondern flog weiter und weiter, nur ihr Bild im Herzen und den heißen Wunsch sie zu sehn. Das Haus konnte man mit seinen erleuchteten Fenstern durch den ganzen[138] Garten gewahr werden, und das Ziel, das Veilchenprinz verfolgte, war zwar etwas weit, aber nicht zu verfehlen. Einigemal gönnte er sich eine kurze Ruhe; dann aber ging's um so eiliger vorwärts, und mit unendlicher Freude sah er das Haus nun vor sich. Aber ach! die ersten Fenster, an die er kam, waren verschlossen, und er flatterte ängstlich weiter von Fenster zu Fenster; das letzte von allen war offen, und der Schein der Lampe strahlte in die nächtlichen Dunkel dämmrig hinein. Drinnen saß der Bruder mit der Laute im Arm, ihm zu Füßen auf einem Bänkchen seine Schwester, weiß gekleidet und einen Kranz von frischen Rosen im Haar. Sie hatten eben gesungen und schauten nun träumerisch in die sternenhelle Landschaft. Die Jungfrau fuhr mit der Hand über die Stirn und sagte: »Bitte, singe mir die letzten Strophen noch einmal! sie haben mich tief gerührt.« Und der gefällige Bruder griff wieder in die Saiten und begleitete folgende Worte:

 

Und gehst du über den Kirchhof,

Da find'st du ein frisches Grab;

Da senkten sie mit Thränen

Ein schönes Herz hinab.

Und fragst du, woran's gestorben?

Kein Grabstein Antwort giebt;

Doch leise flüstern die Lüftchen:

Es hatte zu heiß geliebt.

[139]

 

Eine wehmüthige Stille durchzog das Gemach, die Keins zu brechen wagte. Endlich aber sagte der Bruder: »Sieh den schönen Schmetterling, der da hereingeflogen ist, wie er in deiner Nähe herumflattert! jetzt sitzt er auf deiner Stirn; sieh nur, wie zärtlich er thut!« Wirklich flog ein kleiner blauer Schmetterling um der Jungfrau Angesicht her und berührte sogar leise ihre Lippen. Die Geschwister lächelten. Es lag ein eigenthümlich Gemisch von Scheu und Inbrunst in den Bewegungen des kleinen Wesens, und eine ganze Zeitlang sahen sie ihm mit Vergnügen zu. Plötzlich aber taumelte er zurück und stürzte todt in den Schoß der Jungfrau. Betroffen sahen sich die Beiden an. Der zärtliche Bruder sagte: »Er ist so lange um das Licht herumgeflogen, bis er sich die Flügel verbrannt hat.« Die Schwester aber war aufgestanden, lehnte sich sinnend an das Fenster, und mit dem kleinen entseelten Schmetterling in der Hand schaute sie hinaus. Ein kühler Nachtwind fuhr durch die Saiten der Laute, und wie im Traum lispelte die Jungfrau: »Er hatte zu heiß geliebt!«


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