Die gute Muhme fragte ein bißchen mitleidig, sie hätte ihrem Pflegesohn gern die Ferienfreiheit gegönnt.
Friede aber machte gar kein betrübtes Gesicht, sondern sah sehr vergnügt drein. Des Wassermüllers Kühe austreiben und den lieben langen Tag draußen sein zu dürfen, erschien ihm ein köstliches Ferienvergnügen.
Seite 179Er sagte darum hell und froh: „Ei gewiß, Muhme, ich tu's gern!“
Am Montag in aller Morgenfrühe zog der Bube mit seiner kleinen Herde nach dem Buchberg, einem nicht allzu hohen Berg, der gutes Weideland hatte. Alle andern Oberheudorfer Buben und Mädel lagen noch in ihren Betten und genossen Ferienruhe, aber Friede beneidete sie nicht, es dünkte ihm wundervoll, so an einem taufrischen Sommermorgen auszuziehen, einen langen, sonnigen Tag vor sich. In seinem Rucksäckchen hatte er Brot und ein Buch, das ihm der Lehrer geborgt hatte, damit kam er sich reich und glücklich wie ein Prinz vor. –
Ferien sind eigentlich kuriose Dinger, sie haben so lange Beine, daß sie weglaufen, ehe Buben oder Mädel noch recht wissen, daß sie da sind. Hui, wupp! sind sie um die Ecke herum, und das arme Schulkind steht da und hat das Nachsehen. Den Oberheudorfer Kindern erging es gerade so. Erst hatten sie gemeint, die Ferienwochen wären endlos lang, und auf einmal war schon die dritte Woche da, sie wußten nicht wie. „Es sind gar keine richtigen Ferien,“ schalt Heine Peterle am Montag dieser letzten Ferienwoche; er hatte nämlich dreimal auf dem Felde helfen müssen, und nun stöhnte der kleine Faulpelz über die viele Arbeit. An diesem Seite 180Montagmorgen nun hatte er so viel zu tun, daß er, die Hände in den Hosentaschen, vor der Haustür stand und – gähnte. Er wußte nicht, was er zuerst anfangen sollte. Die Mutter hatte gesagt: „Fange heute einmal deinen Aufsatz an, es wird Zeit!“ Muhme Rese hatte geraten: „Hilf mir heute etwas im Garten, das ist gesund,“ und der Vater hatte den Vorschlag gemacht: „Erst schreibe etwas, dann komm und hilf beim Einfahren, das muß ein künftiger Bauer lernen.“
Heine Peterle fand nun alle diese Pläne nicht sonderlich verlockend, viel vergnüglicher fand er Schulzens Jakobs Vorschlag, mit nach dem Buchberg zu gehen und Traumfriede zu besuchen. Wenn nur der Aufsatz nicht gewesen wäre, die Gartenarbeit und das Einfahren, dann – –
„Heine Peterle,“ rief just in diesem Augenblick seine Mutter, „du könntest heute erst einmal nach Niederheudorf laufen und dort beim Krämer Schnelle Stärke holen, unserer hat keine mehr!“