Wieder einmal war die Zeit der großen Sommerferien gekommen. An einem Sonnabend saßen alle Buben und Mädel, die fleißigen und die faulen, sehr vergnügt und feierlich zum letzten Male in der Klasse. Drei Wochen Ferien lagen vor ihnen, eine lange, wundervolle Zeit! Sämtliche Buben- und Mädelfüße zappelten an diesem Tage unter den Tischen hin und her wie Mäuslein, wenn sie in eine Falle gegangen sind, sie konnten das Hinauslaufen gar nicht mehr erwarten. Und das tuschelte und wisperte in den Reihen, und die Augen blitzten und blinkerten wie frisch geputzte Fensterscheiben im Sonnenglanz. Mädelzöpfe wippten auf und ab, und bald kicherte es hier, bald dort, ein Seite 177Federhalter, der zu Boden fiel, brachte die ganze Schar zum Lachen, und Anton Friedlich tunkte beinahe mit seiner Nase in das Tintenfaß vor Vergnügen. Die Spatzen, die auf dem Fenstersims saßen und Frühstückbrotreste verspeisten, dachten sicher: „Na, das sollen nun brave, gesittete Schulkinder sein! Potztausend, ja, anders geht es in unserer Spatzenschule auch nicht zu!“
„Ob wir viel Ferienarbeiten kriegen?“ flüsterte auf der Mädelseite Annchen Amsee ihrer Nachbarin Mariandel zu, und drüben auf der Bubenseite seufzten Heine Peterle, Anton Friedlich und noch einige andere: „Hoffentlich gibt's nichts auf!“
In diese Fragen hinein sagte der Herr Lehrer plötzlich: „Ferienarbeiten will ich nicht viel geben, nur einen Aufsatz sollen die Großen schreiben, von irgend etwas erzählen, was ihr erlebt habt, oder etwas beschreiben, was euch sehr gefällt; die Kleinen mögen...“
Was die Kleinen sollten, darauf hörten die Großen gar nicht mehr, sie waren nur heilfroh, daß sie selbst nicht viel aufbekommen hatten. Ein Aufsatz! Pah, die Arbeit war nicht groß, die störte nicht die Ferienfreude, und so stürmten denn die Kinder mit lautem Jubelgeschrei nach Schluß der Schule auf die Dorfgasse hinaus.
„Bewahr' mich!“ sagte Muhme Rese, die mit ihrem Strickstrumpf vor der Haustüre saß, „heute schreien Seite 178aber die Kinder wie die Hottentotten!“ Muhme Rese hatte zwar in ihrem ganzen Leben noch keinen Hottentotten gesehen, und wo die eigentlich lebten, wußte sie auch nicht, aber „Hottentottengeschrei“ galt ihr als etwas Fürchterliches.
„Nä, der Lärm! Wozu es auch nur Ferien geben muß!“ murrte Schuster Pechdraht.
Nun, wenn es der Schuster auch nicht wußte, die Buben und Mädel wußten es ganz genau, wozu Ferien da sind; sie hatten so viele lustige Ferienpläne, wußten so viele Spiele, die sie spielen wollten, daß sie auch mit sechs Wochen Ferien fertig geworden wären.