‚Ach, heule doch nicht,‘ sagte der andere, ‚komm rasch mit, meine Schwester flickt dir geschwind deine Jacke. Sie kann es so gut, daß man nichts mehr von dem Loch sieht. Komm nur, sie tut es schon, sie ist sehr gut.‘
Nun hätte die Fee dem Bübchen schon schnell eine neue Jacke schenken können, denn so etwas ist für eine Fee natürlich nicht schwer, sie tat es aber nicht, sondern folgte eiligst den Buben, die beide bis an das Stadttor gingen dorthin, wo die Waschfrau mit ihren vier Kindern wohnte. Liebelinde saß vor dem Haus unterm Fliederbaum; sie nannten es das Gärtchen, obgleich es nur den einzigen Busch gab. Sie nähte und sang dabei vergnügt ein Liedchen.
„Eile, Nadel, hin und her
Ganz geschwind, doch nicht zu sehr,
Fädchen darf nicht reißen.
Seite 144Hei, das geht ja wie im Nu,
Löchlein schau, du bist schon zu,
Höslein ist nun heil!“
Als die Buben ankamen und ihr ihre Not klagten, lachte sie und rief: ‚Komm her, du Schelm! Ach du lieber Himmel, ich wollte, ich hätte für jeden Riß, den ich in Bubenhosen und -Jacken schon gestopft habe, ein Goldstück, ei, da sollte es unserer Mutter gut gehen.‘ Dabei nahm sie rasch Nadel und Faden und begann das Jäcklein zu stopfen; es ging wie ein Mühlrädchen. Die Fee war näher getreten, tat, als sei sie eine müde Wanderin, fragte dies, fragte das, und Liebelinde gab ihr bereitwillig Auskunft. Sie erzählte heiter und zufrieden von ihrem stillen, ärmlichen Leben, und dabei hatte sie im Umsehen den Riß zugestopft, kein Linschen war mehr zu sehen. Der Bube zog vergnügt sein Jäcklein an, vergaß auch seinen Dank nicht und lief dann so schnell nach Hause, als sei er Sturmwinds Lehrjunge.
Die Fee nahm ein goldenes Ringlein und sagte zu Liebelinde: ‚Mädchen, oben auf dem Schlosse braucht die Frau Königin eine gute Flickerin; ich sollte meinen, du wärst die Rechte. Geh nur hinauf, gib das Ringlein ab und sag', Gutenberga schicke dich, dann wird dich die Frau Königin schon vorlassen.‘