In Oberheudorf sagten die Leute wohl manchmal von einem, der recht, recht gut schläft: Er schläft so fest wie Hans Rumps. Darüber war dann allemal Hans Rumps, der Nachtwächter, sehr ärgerlich; er wollte das nicht gern hören, weil doch eigentlich ein Nachtwächter wachen und nicht schlafen soll. Aber freilich, viel zu wachen gab es in Oberheudorf nicht, es passierte selten ein Unheil. Wenn es wirklich einmal brannte, dann war das Feuer meist so freundlich, am Tage auszubrechen, oder andere Leute merkten es und schrieen gleich so gewaltig, daß selbst Hans Rumps aufwachte und dann immer noch Zeit hatte, in sein Horn zu blasen. Spitzbuben und anderes lichtscheues Gesindel ließ sich kaum in Oberheudorf sehen. Hans Rumps meinte, weil sie alle Angst vor ihm hätten, die Dorfbewohner aber dachten, wohl weil ihr Dorf abseits von der großen Landstraße liegt und selbst Spitzbuben manchmal zu faul sind, erst Umwege zu machen. Mitunter Seite 97hatten der Schulze und andere Bauern schon gesagt, eigentlich brauchten sie gar keinen Nachtwächter mehr, einen Nachtwächter zu haben, sei überhaupt gar nicht mehr Mode.
Potztausend, dann schimpfte aber Hans Rumps, wenn er so etwas hörte. Er meinte, ein Nachtwächter sei etwas ungeheuer Notwendiges und Wichtiges; wenn die Leute in den Städten so dumm wären und statt Nachtwächter Polizisten hätten, na gut, das mochten sie, aber ein Nachtwächter sei eben doch am besten, und Oberheudorf ohne Nachtwächter sei gar nicht auszudenken. Im Ernst dachte schließlich auch niemand daran, Hans Rumps seinen Posten zu nehmen. Von seiner Wichtigkeit waren freilich nur wenige überzeugt, aber das schadete nichts, er selbst war es desto mehr.
Weil nun Hans Rumps schließlich doch nicht Tag und Nacht schlafen konnte, spazierte er in der Zeit, in der er wachte, gern auf der Dorfstraße herum und tat, als hätte er tausend notwendige Dinge zu tun. Passierte irgend etwas im Dorf, und der Nachtwächter erfuhr es, dann konnte man sicher sein, daß es eine halbe Stunde später alle andern Leute auch wußten.
Mit den Kindern war Hans Rumps meist gut freund, die erzählten ihm gern alle ihre Schulgeschichten, und wenn der Nachtwächter langsam und feierlich durch Seite 98das Dorf ging, dann hopsten meist ein paar Buben und Mädel neben ihm herum und schwätzten mit ihm.
Muhme Lenelies sagte manchmal: „Es hat halt jeder Mensch mitunter seinen linksaufstehtag, an dem er nicht weiß, ob er mit der Sonne Streit anfangen oder dem Wind das Blasen verbieten soll.“ So einen linksaufstehtag hatte nun Hans Rumps auch mitunter, und dann war mit ihm nicht gut Kirschen essen, dann brummte und schalt er über alles, dann schrie er die Gänse an, sie sollten das Schnattern lassen, die Hühner sollten mehr Eier legen, und die Kinder hätte er dann am liebsten den ganzen Tag in der Schule nachsitzen lassen.