„Aus – der – Stadt,“ lallte Friede.
„Bei dem Wetter? Bist du verrückt?“ schrie der Waldhüter. „Bist du etwa hin und zurück gegangen?“
„Ja,“ murmelte der Bube schlaftrunken, „die Tropfen, – Muhme Lenelies braucht sie doch!“
„So eine unvernünftige Kreatur,“ schalt Leberecht Sperling, „läuft in die Stadt bei dem Wetter! Verwichsen müßte man so einen Buben! Na, ich sag's ja, nichts als Dummheiten machen die Buben, dumm, dumm, ausnehmend dumm!“
Von diesem Schimpfen hörte Friede nichts mehr, er lag auf des Waldhüters Arm, und der trug den Buben so sorgsam, als wäre er dessen Mutter, durch den Schnee. Die bösen Worte meinte Leberecht Sperling nicht böse, je weicher es ihm ums Herz war, desto mehr schalt er, das war so seine Art, und wenn er alle Oberheudorfer Kinder für ausnehmend ungezogen erklärte, so hatte er sie im Grunde doch eigentlich alle lieb – freilich sie merkten das nur selten.
Als es dunkel wurde und Friede immer noch nicht kam, begann Muhme Lenelies sich zu ängstigen. Schnurpsel mochte noch so schnurren und Mimi noch so viel im Zimmer herumhüpfen, der alten Frau erschien es heute doch bedrückend einsam. Sie atmete auf, als endlich draußen Schritte erklangen. Es war Heine Peterles Seite 72Mutter, die kam, und nach einem Weilchen erschien auch die Frau Lehrerin. Von den beiden nun erfuhr Muhme Lenelies, daß Friede an dem Tage gar nicht in der Schule gewesen war. „Ich denke mir, der Bube ist zum Schulzen nach Niederheudorf gegangen,“ sagte Heine Peterles Mutter, „dort sind zwei Mägde krank, und weil doch nächstens Hochzeit ist, haben sie alle Hände voll zu tun.“
Muhme Lenelies schüttelte den Kopf, nein, das glaubte sie nicht, darum hätte Friede nicht die Schule versäumt. Ihr wurde es auf einmal so bang zumute, und angstvoll rief sie: „Meinem Buben ist etwas passiert, ein Unglück ist geschehen!“
Die Frauen suchten sie zu beruhigen, aber ihnen kam die Sache jetzt selbst seltsam vor. „Ja, wenn's mein Heine Peterle gewesen wäre,“ murmelte dessen Mutter, „der brächte es schon fertig, mal hinter die Schule zu gehen.“
Da erklangen draußen schwere Tritte und eine laute Stimme, Leberecht Sperling riß die Türe auf und setzte Friede mit einem Ruck mitten ins Zimmer. „Da ist er,“ rief der Waldhüter. „So ein dummer Purzel läuft bei dem Wetter in die Stadt!“ Friede riß krampfhaft seine Augen auf, sah sich verdutzt in dem hellen Zimmer um und murmelte halb im Traum: „Die Seite 73Tropfen – ich darf nicht ausruhen – mein Versprechen! Ich –“