Immer wieder raffte er sich auf und trabte weiter. Einmal versank er so im Schnee, daß er sich nur an dem tief herniederhängenden Ast einer Tanne wieder emporziehen konnte. Dazu brauste der Wind und trieb ihm die Flocken in das Gesicht; das stach wie mit Nadeln, und mitunter konnte er gar nichts sehen.
Als er endlich den Wald erreicht hatte, überfiel ihn eine solche Mattigkeit, daß er stehen blieb und sich an eine Tanne lehnte; so müde war er, ach so müde. Da war es ihm plötzlich, als rufe jemand laut neben ihm: „Sein Wort muß man halten; ein Feigling wer es nicht tut!“ Da raffte er sich wieder auf, um mit zitternden Händen sein Laternchen anzuzünden, denn schon war es dunkel geworden. Der Wind blies es ihm immer wieder aus, von den sorgsam mitgenommenen Streichhölzern verlöschte eins nach dem andern, endlich das vorletzte zündete das Lichtlein an. Friede nahm das letzte Stück Brot, das er noch in der Tasche hatte, aß es auf und wurde nun wieder etwas munter.
Er stapfte weiter. Immer dichter fiel der Schnee. Der Sturm hatte sich ganz gelegt, und es war eine Seite 69tiefe, tiefe Stille ringsum. Friedes Laternchen schwankte hin und her. Der Bube war so matt, daß ihm jeder Schritt eine schwere Arbeit schien. Immer wieder blieb er stehen, immer wieder meinte er vor Müdigkeit fast umsinken zu müssen, aber immer wieder trieb ihn der Gedanke an Muhme Lenelies und an sein gegebenes Wort empor.
Endlich, endlich sah er Lichter durch die Dunkelheit schimmern. „Niederheudorf,“ dachte er wie erlöst, „da kann ich mich ausruhen, jemand nimmt mich schon auf.“ Aber wie endlos sich der Weg noch dehnte! Noch immer kein Haus, noch immer kein Mensch zu sehen! Weiter mußte er wandern, immer weiter!
Und wieder lehnte sich Friede an einen Baum. Er fühlte, wie seine letzte Kraft schwand, aber die Tropfen, sein Wort! Taumelnd tat er einen Schritt vorwärts, da packte ihn plötzlich eine kräftige Hand, und eine laute, schnarrende Stimme rief: „Zum Donnerwetter noch einmal, wer treibt sich denn hier herum?“
„Muhme Lenelies muß ihre Tropfen haben,“ stammelte Friede halb bewußtlos vor Mattigkeit. „Ihre Tropfen – ihre Tropfen – ich mein Wort – – weiter – weiter!“