„Hört ihr wohl. Ich bewirke, daß es so frisch ist,“ sagte der Sauerstoff fröhlich.
„Ja, aber mich trinken sie,“ beteuerte die Kohlensäure.
„Aber aus mir sind sie erzeugt... aus mir sind sie erzeugt,“ rief der Stickstoff.
„Piep,“ sagte der Kanarienvogel. „Ich kann nicht klug daraus werden. Ich bin so traurig.“
„Auch mir geht es nicht gut,“ versicherte die Pelargonie. „Und ich begreife nicht, was wir anfangen sollen.“
„Es übersteigt meinen Verstand,“ klagte die Lampe. „Aber ich merke, daß die Luft schlechter und schlechter wird. Ich flackre. Ich gehe aus.“
„Noch nicht,“ fiel da der Sauerstoff ein. „Aber es wird so kommen. Alles, was der Stickstoff und die Kohlensäure erzählen, mag sein, wie es will; es hat mit der Sache nichts zu schaffen. Die Stube ist nur klein, und ich bin nur ein Fünftel der Luft, wie ihr gehört habt. Die Lampe kann nicht ohne mich brennen, und ihr könnt nicht ohne mich atmen. Je mehr Wesen mich brauchen, desto schneller bin ich aufgebraucht. Darum wollte der Doktor, daß der Kanarienvogel hinausgebracht würde. Darum hätte die Pelargonie heute nacht nicht im Zimmer stehen dürfen. Darum war es dumm von der[S. 158] Mutter des kranken Jungen, daß sie die Lampe in die Höhe schraubte. Und darum bleibt nichts andres übrig, als nach ihr zu klingeln, damit sie hereinkommt und das Fenster öffnet. Da draußen ist viel Sauerstoff. Hier drin aber ist nur noch wenig; und wenn der verbraucht ist, so erstickt ihr. Punktum.“
Der Junge lag regungslos da und lauschte und starrte. Jetzt glaubte er nicht länger, daß es ein Märchen sei. Er atmete schwer auf; und er bekam Tränen in die Augen, als er sah, wie der Kanarienvogel den Kopf hängen ließ und die Blätter der Pelargonie immer schlaffer wurden, während die alte Lampe flackerte und flackerte.
„Ich will nicht ersticken,“ jammerte der Kanarienvogel. „Könnte ich nur wieder vors Fenster kommen! Da war viel bessere Luft. Könnte ich nur aus dem Bauer hinausschlüpfen und durch die Scheibe fliegen... Ja, dann würden mich freilich die häßlichen Spatzen tothacken, aber das wäre doch besser, als hier zu ersticken.“
„Ich will lieber sterben als meinen Kanarienvogel missen,“ sagte der Junge und warf ihm einen zärtlichen Blick zu.
„Ich will nicht ersticken,“ verkündete die Pelargonie. „Ich bin so jung und habe so wunderschöne rote Blüten. Ich freute mich so, als ich heute morgen auf dem Markte stand, obwohl es da bei weitem nicht so schön war wie in dem Treib[S. 159]haus des Gärtners, wo ich groß geworden bin. Aber ich will nicht ersticken... ich will nicht ersticken.“