„Es ist nicht genug Stickstoff in dir,“ belehrte ihn der Stickstoff. „Darum bist du solch ein Hasenfuß.“
„Wenn ich gesund bin, habe ich keine Angst,“ rief der Junge. „Du kannst den Franz fragen. Er ist drei Jahre älter als ich, und ich hab’ ihm in der letzten Pause eine ordentliche Maulschelle gegeben. Aber euch kann ich nicht sehen, und darum fürchte ich mich vor euch.“
„In sichtbarer Gestalt bin ich nur den Gelehrten bekannt,“ sagte der Sauerstoff. „Aber wart’ einmal ... Hast du ein Taschenmesser?“
„Gewiß,“ rief der Junge, „ein wunderschönes, mit vier Klingen. onkel Hans hat es mir zu Weih[S. 148]nachten geschenkt. Es liegt in meiner Hosentasche. Aber ich weiß nicht, wo meine Hosen sind.“
„Ist nicht eine von den Klingen rostig?“ fragte der Sauerstoff.
„Bist du verdreht?“ sagte der Junge. „Glaubst du, daß ich so schlecht auf mein Messer achtgebe. Franz, der liederliche Geselle, hat immer ein rostiges Messer. Er ist zwar Erster in der Klasse, aber trotzdem ein großer Luftikus, und außerdem klatscht er.“
„Ich kenne ihn nicht,“ versetzte der Sauerstoff. „Aber siehst du, dieser Rost auf dem Messer des Franz... das bin ich.“
„Dann bist du doch keine Luft, wie du vorhin sagtest,“ fiel der Junge ein. „Denn Rost kommt vom Wasser.“
„Das ist richtig,“ erklärte der Sauerstoff. „Aber ich bin auch im Wasser enthalten. Und wenn Wasser an das Eisen kommt, so laufe ich auf der Stelle hin und verbinde mich mit dem Eisen, und dann werde ich zu Rost.“
„Du solltest es lieber ganz offen sagen, wie es sich verhält,“ warf der Stickstoff ein. „Du verbrennst das Eisen. Das tust du. Und du verbrennst auch den Jungen. Wenn du das Messer verbrennst, wirst du zu Rost. Und wenn du den Jungen verbrennst, wirst du zu Kohlensäure. He... pst... Kohlensäure... bist du hier?“
„Jawohl,“ flüsterte eine dritte Stimme, die[S. 149] ganz dünn und schwach war. „Es ist wirklich schon lange her, seit mir so wohl gewesen ist wie heute nacht. Mir scheint, ich werde dicker und dicker.“
„Allerdings,“ entgegnete der Sauerstoff. „Und wenn der Junge vernünftig ist, so klingelt er sofort und läßt das Fenster öffnen, sonst geht schließlich die Lampe aus, und die Pelargonie und der Junge und der Kanarienvogel sterben.“
Da griff der Junge nach der Klingel und schellte wie besessen.
Mutter kam herein. Sie erschrak, als sie die heißen Backen und blanken Augen ihres kleinen Jungen sah.