Eines Nachts — ein paar Tage nach der Versammlung der Tiere auf der Wiese — lag der Löwe wie gewöhnlich in seiner Höhle und starrte mit seinen gelben Augen vor sich hin. Seine Gemahlin schlief oder gab sich wenigstens den Anschein, als ob sie schliefe. Alle Augenblicke seufzte sie tief auf. Alles im Walde war still.
Der Löwe wußte recht gut, was die Seufzer seiner Gattin bedeuteten, und er wußte, wovon die Tiere im Walde gesprochen hatten. Nicht eine ihrer Klagen war ihm unbekannt; nicht eins der höhnischen Worte, die gegen ihn gefallen, war an seinem Ohre vorübergegangen. Nicht einen Augenblick war er über die Stimmung der Tiere gegen ihren König im Zweifel gewesen.
Er hatte auch nicht vergessen, wer am geringschätzigsten von ihm gesprochen hatte. Er würde schon wissen, sie zu treffen, wenn die Stunde käme, wo die Ordnung im Walde wiederhergestellt würde. Tag für Tag mußte er den Spott seiner Gemahlin über sich ergehen lassen, aber er achtete nicht mehr darauf. Die Zeit würde kommen, wo sie Abbitte tun und ihm wieder ihre Liebe und Bewunderung schenken würde. Und seine Kinder würden ihn wieder ehren, wie sie es früher getan. In der Geschichte des Waldes würde er fortleben als der König, während dessen Regierung das Reich großer Gefahr und schwerem Unglück ausgesetzt gewesen, und der schließlich doch als Sieger aus allen Kämpfen hervorgegangen war.
Der Löwe erhob sich und schritt langsam durch den Wald.
„Der König der Tiere geht auf die Jagd,“ sagte der Igel, der im Gebüsch umherschlich.
„Seht, wie mager er ist!“ rief die Fledermaus. „Das Fell schlottert ja um ihn.“
„Er hat seit vielen Nächten nicht gejagt,“ sagte die Eule. „Seine Augen leuchten vor Hunger.“
Aber der König des Waldes dachte gar nicht an Jagd. Wie im Schlafe ging er nach der Richtung, in der das Haus des Zweifüßlers lag. Ein Hirsch sprang über den Weg, doch er sah ihn nicht. Langsam wanderte er weiter, bis er den offenen Platz erreichte, wo auf der Anhöhe das Haus des Zweifüßlers lag.