„Du hast also Angst vor dem Zweifüßler,“ rief da die Löwin. „Er ist König im Walde und nicht du! Wenn dein Sohn ebenso feig ist wie du, dann ist es aus mit uns!“
Der Löwe sagte nichts, sondern sah nur mit seinen gelben Augen vor sich hin.
Doch kurz bevor es Tag wurde, schlich er in das Gebüsch vor des Zweifüßlers Höhle und legte sich dort auf die Lauer; geduldig wartete er, bis der Stein beiseite gewälzt würde. Das geschah gleich nach Sonnenaufgang, und der Löwe bereitete sich zum Sprunge. Fast sinnlos vor Wut, sprang er auf den ersten zu, der sich zeigte, schlug ihn mit seiner starken Tatze nieder und trug ihn im Sprunge ins Gebüsch.
Ein fürchterlicher Schrei rief den Zweifüßler in die Öffnung der Höhle. Da stand er, einen Speer in jeder Hand. Und der Löwe sah, daß er nicht seinen Feind getötet hatte, sondern nur eins seiner Kinder. Er ließ ab von der Leiche und rüstete sich von neuem zum Sprunge. Aber schon hatte ihn der Zweifüßler durch das Laub erspäht. Er warf den einen Speer, ohne zu treffen. Dann schleuderte er den andern, — aber da war der Löwe entflohen.
Laut wehklagend und schluchzend trugen der Zweifüßler und sein Weib ihr totes Kind in die Höhle. Der Löwe jedoch flüchtete durch den Wald, von Angst gejagt. Wohin er kam, überall wichen die Tiere erschrocken vor ihm aus.
„Der Löwe flieht vor dem Zweifüßler,“ meldete der Sperling eilfertig weiter.
Und das Gerücht verbreitete sich schnell durch den Wald und wuchs und wuchs.
„Der Zweifüßler hat den Löwen mit seinem Speer verwundet!“ schrie die Krähe.
„Der Zweifüßler hat den Löwen getötet und ist auf der Jagd nach der Löwin!“ pfiff die Maus.
Und der Löwe sprang in großen Sätzen von dannen.
Er eilte an seiner Höhle vorbei, als wagte er seiner Gemahlin nicht mehr in die Augen zu sehen. Erst spät am Abend kam er nach Hause.
„Bist du noch am Leben?“ spottete die Löwin.[S. 39] „Der ganze Wald hält dich für tot. Und der Zweifüßler?“
„Ich habe eins von seinen Jungen getötet,“ sagte der Löwe zornig.