Reymund sah ein, daß sein Sohn weise war und Recht hatte, darum gab er seiner Bitte nach, und freudig begab sich Freymund zu den Patribus, und wurde alsbald Mönch in dem Kloster Malliers, welches seine Mutter gestiftet hatte, in dem strengen Orden.
Jetzt erhielten auch Reymund und Melusina Nachrichten von ihren Söhnen Antonius und Reinhardt, wie der eine König von Böhmen, der andre Herzog zu Lützelburg geworden sei, durch ihre Ritterschaft und ihre kühnen Thaten: darüber dankten sie Gott sehr und freuten sich über ihr eignes und ihrer Kinder großes Glück, denn drei von den Söhnen waren zu Königen gekrönt, der vierte ein Herzog geworden, und der fünfte ganz nahe bei ihnen im Kloster zu Malliers ein Mönch, um für alle übrigen Gott zu bitten.
Es fügte sich, daß Reymund an einem Sonnabend wieder die Melusina vermißte, denn sie pflegte an diesem ganzen Tage nicht zu erscheinen, doch gedachte er seines Eides, sich nie um sie zu bekümmern und sie ungestört gewähren zu lassen. Der Vater des Reymund, der alte Graf von Forst, war damals schon gestorben, und sein ältester Sohn, der jetzt Graf von Forst genannt wurde, legte einen Besuch bei seinem Bruder Reymund ab. Reymund ließ dieses Besuches wegen viele und vornehme Gäste zu sich einladen, die alle dem Reymund ihren ergebensten Respekt bezeigten; doch als sich Melusina den ganzen Tag nicht zeigte, sagte der Graf von Forst zu seinem Bruder: Bruder, laß doch Deine Gemalin erscheinen, damit sich Deine vielen und vornehmen Gäste nicht darüber verwundern, daß sie so lange außen bleibt. Reymund antwortete: lieber Bruder, heute kann solches nicht geschehn, aber morgen sollst Du sie zu sehn bekommen.
Als die Mahlzeit geendigt war, gingen die beiden Brüder beiseit, und der Graf sagte zu Reymund: lieber Bruder, ich muß Dir ein Ding eröffnen, welches mir schon seit lange auf dem Herzen liegt. Man sagt allgemein im ganzen Lande, daß Du mit Deiner Gemalin übel angekommen seist, sie sagen, Du seist bezaubert, daß sie sich alle Sonnabend abseitiget, und Du an solchem Tage gar nicht einmal nach ihr fragen darfst; wunderlich ist es immer, daß Du nicht weißt, was ihr Thun und Lassen sei, als ein redlicher Bruder seh ich mich gezwungen, Dir zu sagen, daß Du davon große Schande haben kannst, denn die meisten Leute meinen, sie treibe an diesen Tagen Hurerei, welches doch gegen deine Ehre liefe, andre sagen wieder, sie möchte überhaupt wohl ein Gespenst und alles mit ihr nur ein ungeheures Wesen sein, darum ist es mein demüthiger Rath, Du erkundigst Dich etwas mehr um ihr wahres Befinden und suchst es zu erforschen, damit Du nicht Gefahr läufst, für einen Narren gehalten zu werden.
Als Reymund diese Rede verstanden hatte, wurde er vor Zorn ganz bleich und dermaßen wüthig, daß er sich und seinen Schwur gänzlich vergaß; die Worte seines Bruders schienen ihm recht und gut, in der größten Grimmigkeit lief er fort und griff ein Schwert, womit er sich in die Kammer begab, in die er noch nie gekommen war, weil er sie der Melusina zu ihrem heimlichen Aufenthalte absonderlich hatte erbauen lassen. Hier kam er an eine fest verschlossene eiserne Thür und er besann sich nun, was er thun sollte; es fielen ihm wieder die Worte seines Bruders ein, daß seine Gemalin in Unehren lebe. Darüber beschloß er, alles selber zu sehn, und dann, nachdem er es befinden würde, seine Schmach zu rächen. Er nahm also das Schwert, und bohrte mit der Spitze desselben ein kleines Loch in der eisernen Thür, wo er hindurch sehn mochte.