Die Brüder ließen hierauf den gefangenen König durch sechs von ihren Rittern der Prinzessin von Lützelburg überantworten, welche sich über ein solches Präsent höchlich erfreute und dem Himmel, so wie den beiden tapfern Helden den besten Dank abstattete; sie erkundigte sich auch nach den Namen, Herkommen und Geschlechte der beiden Brüder und war sehr zufrieden, als sie solches alles erfahren hatte, denn sie faßte nun den Entschluß, in ihren Staatsgeschäften nichts ohne Mitwissen und Beistimmung der beiden Herren zu thun oder zu unternehmen. Sie ließ hierauf diese beiden tapfern Ritter nebst den vornehmsten aus ihrem Gefolge zu sich in die Stadt bitten, welche sich auch sogleich fertig machten, ihr in Lützelburg aufzuwarten. In der Stadt empfing sie das Volk in schöner Fröhlichkeit mit auserlesener Musik und trefflichem Klang von Instrumenten, Jubelgeschrei und dergleichen, weil sie durch die Brüder von dem Elsassischen Könige erlöst waren, der ihnen viel zu schaffen gemacht hatte. Zwei vornehme Landesherren aus Lützelburg erschienen hierauf und führten die beiden Herren auf das Schloß, wo die Fürstin ihnen mit den schönsten Damen, Fräulein, Pagen und Gefolge höflich entgegen kam und ihnen in den wohlgesetztesten Redensarten ihren Dank abstattete, außerdem aber eine prächtige und überaus köstliche Mahlzeit zurichten ließ, so daß nicht genug zu sagen ist, wie vergnügt die beiden Brüder waren.
Am Tische wurde der gefangene König von Elsaß oben an gesetzt, dann folgten die beiden Herren Antonius und Reinhardt, dann die vornehmsten Landesherren und die übrigen Gäste nach ihren Würden, den Brüdern aus Lusinien gegen über saß die schöne Fürstin, und so war man beim Essen und Trinken ausnehmend vergnügt, ausgenommen der gefangene König, der den großen Verlust seiner Leute und seiner Reichthümer nicht verschmerzen konnte.
Nach dem Essen wurde gebetet und darauf fing der gefangene König zu den Brüdern an: tapfre Ritter, bitte, mir nunmehr zu sagen, um welche Ranzion ich der Gefangenschaft entledigt sein soll, die ich gern entrichten will, um meine Freiheit nur wieder zu gewinnen. Antonius antwortete: Ew. Königliche Majestät ist nicht unser Gefangener, dieselben sind der Fürstin Durchlauchtigkeit von Lützelburg als ein Präsent übermacht, so daß wir nicht mehr über Euch schalten können, sondern Ihr gänzlich in die Willkühr dieser hohen Fürstin gestellt seid. Darüber erschrak der König über die maßen, denn er wußte, daß er durch sein Betragen die höchste Ungnade der Fürstin verdient hatte, fürchtete also gar, als ein gottloser Mann und unverschämter Liebhaber sein Leben zu verlieren. Da die Fürstin seine Verlegenheit sah, wandte sie sich wieder zu den beiden Brüdern, und sagte, daß die Ranzion des Königs gänzlich in ihrem Belieben stehe; sie hätten ihn gefangen, möchten daher auch seinen Preis bestimmen, gebe ihnen also hiemit ihr Präsent wieder zurücke. Worauf die Grafen antworteten: sie wollten ihn aller Ranzion entledigen, er solle fußfällig die Fürstin um Verzeihung bitten, versprechen, ihr nie in Zukunft mehr zur Last zu fallen, und allen ihrem Lande zugefügten Schaden zu ersetzen. Wie das der König hörte, wurde er froh und that sogleich freiwillig alles, was von ihm verlangt wurde.
Als dies geschehn und in Richtigkeit gebracht war, überlegte der König von Elsaß bei sich selber, wie fromm die beiden Brüder aus Lusinien wären, und wie edelmüthig sie sich gegen ihn bezeigt hätten, erinnerte sich auch, wie nach dem Boethius Undankbarkeit eins der größten Laster sei, nahm sich daher in seinem Gemüthe vor, nicht für undankbar zu gelten und sagte daher öffentlich im Beisein aller Landesherren: Wollte Gott, daß diese beiden Brüder die Stützen und Anführer des Fürstenthums wären, so würde weder ich noch ein andrer Feind jemals sich unterstehn, dieses Land feindlich zu überziehn; wenn ich rathen sollte, so möchte die durchlauchtige Prinzessin einem von diesen tapfern Brüdern ihre Hand und ihre Liebe reichen. Als die Landesherren dies hörten, freuten sie sich und waren derselben Meinung, redeten auch der Fürstin von Herzen zu, solches auszurichten, sie aber antwortete, daß sie dergleichen Vorschläge erst überlegen müsse.