Wie ist dieses möglich, antwortete Reymund, daß Ihr es aus den Gestirnen erkennen mögt?
Die Natur, sagte Emmerich, ist wunderseltsam mannichfaltig und auch wieder sehr einfach, der Himmel ist ein Spiegel der Erde, die Erde des Himmels, ja ein jedes Ding spiegelt sich im andern wieder, erschafft jenes und wird erschaffen, dieselben Kräfte in vielen Gestalten, dieselben Bildungen aus verschiedenen Kräften, wie tausend Ströme die durcheinander fließen, sich verwirren und in schöner Ordnung regieren, wie tausend Geister, die sich spielend einer im andern bewegen und so die Welt im Wechsel darstellen und festhalten; mir und meinesgleichen ist die Kunst gegeben, den Abgrund an der Höhe des Firmamentes zu erkennen, ich finde die Gestirne in mir und im Abgrunde wieder, unser Herz zieht die Liebe der Geister an sich und so mögen wir im großen Spiegel Vergangenes und Künftiges wahrnehmen.
Dieses ist zu verwundern, sagte Reymund; worauf sie weiter ritten und ein Feuer fanden, das die Hirten im Holze angezündet hatten. Sie stiegen von den Pferden ab, suchten Holz zusammen und legten es auf das Feuer, weil es in der Nacht sehr kalt war, um sich an der Flamme zu wärmen. Als sie noch damit beschäftigt waren, sich zu wärmen, hörten sie durch das Holz etwas kommen, mithin ergriff Reymund sein Schwert, und der Graf seinen Spieß, und sie konnten nicht damit geschwinde genug sein, denn es kam ein großes Schwein, klopfete mit seinen Zähnen an den Bäumen und schnaubete sehr. Da schrie Reymund seinem Vetter zu und sprach: O Herr Vetter, schont Euer Leben und steigt lieber in aller Eile einen Baum hinauf. Der Graf aber that dieses nicht, sondern sagte: Solches ist mir noch nie vorkommen noch widerfahren, soll mir auch, wenn es Gott will, niemals fürgehalten noch bewiesen werden, daß ich vor einem Schweine so schändlich fliehe, oder mich auf die Bäume begebe. Dem Reymund that es Leid, daß sein guter Rath nicht befolgt wurde; der Graf hielt hierauf den Spieß vor, das Schwein lief daran, schlug aber den Stich ab, indem es sich nur wenig verwundete, und den Grafen zur Erden niederwarf. Darauf nahm Reymund seines Herrn Vetters Spieß, wollte damit das Schwein niederlegen, fehlte aber und stieß damit in seines Herrn Vetters Leib, zog ihn aber gleich wieder heraus und brachte das Schwein um, kehrte sich wieder zu seinem Herrn Vetter, fand ihn in Todesnöthen liegen und sah, wie er alsbald verschied.
Wie nun Reymund das jämmerliche Unglück, so er angerichtet, recht bedachte, fing er eine laute und bittere Klage an, raufte seine Haare aus, rang die Hände und weinte von Herzen, indem er ausrief:
Ach Glück! wie hast Du mich so arg belogen,
Reich machst Du arm, und Arme oft zu Reichen,
Dem magst Du Trost, dem andern Jammer reichen,
Dem bist Du Feind, und jenem dort gewogen.
Bös Glück! welch Leid hast Du mir zugewogen?