Im Veilchenbund, einem Kränzchen junger Mädchen, kam es zu bedenklichen Zerwürfnissen. Isolde, Lina, Bella und die schwarze Bertha liebelten herum, flirteten mit jedem Mann, den sie erblickten und fanden nichts reizender, als Bräute oder junge Frauen zu kränken, indem sie mit deren Männern kokettierten.
Den tieferen Naturen des Veilchenbundes erschien das jedoch weder so lustig, noch heldenhaft, noch auch wert, um die heilig schönen Stunden ihrer Jugend darauf zu vergeuden.
Etwas lag in ihnen, das den noch Unwissenden vom Leben erzählte, von der tragischen Schwere, die über dem Dasein liegt.
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Obwohl ihre Unschuld noch nichts erlebte, so hatten sie durch Beobachtung manches erfahren. Ihre lichten Seelen sahen manches Schmutzige, welches sie anders gewünscht hätten. Oft fragten sie, warum man ihnen das Häßliche verschwieg, wenn es nun einmal da war. Wenn es einmal dräuend auch über ihr Leben kommen mußte, das sie so gerne sternenrein und zart gewünscht hätten! Und sie zitterten vor der Rohheit des Daseins.
Einige erzählten sich auch von Büchern, die sie heimlich gelesen hätten. Es waren dies ernste, traurige Werke, an denen man fühlte, wie weh es dem Autor that, daß er solche Menschen schildern mußte. Aber es waren eben Menschen und Uebelstände unserer Zeit.
„Abscheulich sind diese Bücher,“ sagte ein kleiner Blondkopf. „Warum schreiben sie nicht etwas Holdes, damit man das Leben anlachen kann! Sondern immer nur Trübes, Schreckliches, Gequältes.“
Die Mütterliche aber mit der weichen Stimme und den grüngrauen Augen umschlang[S. 133] sie und sprach: „Sei nicht traurig, auch du wirst stark sein.
Wir sind in einer Uebergangszeit. Vieles scheint uns roh, was bisher den Menschen nicht wehe that. Aber siehst du darin nicht ein Zukunftshoffnungsleuchten, daß die Menschen es ändern wollen?“
„Ja,“ sagte eine, „das geht nicht von heute auf morgen. Was Jahrhunderte als gut befunden wurde, kann nicht durch das einfache Bessererkennen auch schon geändert sein. Unsere Zeit hat auszuscheiden, für eine lichte Zukunft, wo die Menschen wieder froh sein können und dürfen.“
Die Blonde sprach: „Ich möchte so gerne lachen und glücklich sein.“
Und darauf die Mütterliche: „Wir alle wollten es, aber können wir es, wo so viele leiden? Unserer Enkel Enkelkinder werden vielleicht wieder froh und dankbar ins Leben sehen können. Unserer aber wartet ein Werk. Wir wollen einzig wahre Mütter sein. Nicht nur die Daseinsgebenden, auch die Leben[S. 134]gebenden! Nicht nur unserer Kinder, sondern auch anderer Kinder, ja allen Menschen.“
Eine rief begeistert: „Und alle Lüge und Trug sei von unserem Wirken verbannt.“
Und eine andere: „Wir wollen dann die Erfahrneren sein, die den Weg denen erleichtern, die über uns hinaus wachsen werden.“
Alle hielten bewegt inne.
Dann sprach die Mütterliche, ohne jemand anzusehen, mit ins Weite leuchtenden Augen:
„Nun ist unsere Zeit gekommen, nun dürfen auch wir Heldinnen sein. Nicht eine oder die andere, wie es da oder dort einst schon war, sondern alle, alle! Wissende, die dennoch die gute Saat auswerfen, obwohl die Ernte nicht zu erleben ist.“
Die Finstere sprach leise: „Immer wird es dasselbe bleiben, immer wird es elende Gemeinheit geben, Schlechte gab es und wird es geben.“
Es traf sie der strafende Blick aller: „Wäre es so oder anders, das ist nicht zu ergründen. Wozu also müßig darüber streiten! Halten[S. 135] wir, was wir uns versprachen: Das soll das uns Sichere sein.“