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Ein modernes Mädchenbuch:Ein Märchen.
日期:2024-01-30 14:10  点击:287
Die kleineren Schulmädchen saßen in der Vorpause zusammen. Sie hatten schon alles Mögliche geschwatzt, ihre feinen Kleidchen bewundert und ihre Eltern gerühmt. Was nun?
 
Da sagte eine: „Else, bitte erzähl uns ein Märchen. Aber wieder eins, das du fandest.“
 
„Ich erzähle nur die, welche mir selbst einfallen,“ erwiderte diese.
 
Darauf steckte sie die Spitze des Zeigefingers ein klein wenig in den Mund, machte ein schrecklich nachdenkliches Gesicht und fing an:
 
Es war einmal ein junger König. Er hatte Augen aus Bernstein. Und drüber lagen goldene Wimpern. Die funkelten wie Blitze.
 
[S. 100]
 
Er trug goldene Kleider und goldene Schuhe, denn darauf sieht man den Staub nicht so sehr. Und seine Diener fanden auch, daß er so am besten angezogen sei.
 
Zu ihm kamen die Leute des Landes und brachten ihm ihre Verehrung dar. Der eine sagte: „Du bist herrlich!“ Der andere: „Du bist umsichtig und weise!“ Der dritte: „Du kannst alles. Du bist der Größte und Beste.“
 
Und der König nickte allen freundlich zu, sah auf sein Kleid und dachte: gut, daß ich meinen goldenen Anzug habe.
 
Einstmals kam aber ein junges Weib zu ihm, die ehrlich und aufrichtig an seine Weisheit und Größe geglaubt hatte. Und sie meinte, sie müsse ihm das wie ein braves Kind seinem Vater sagen.
 
Als sie aber vor ihm stand und sah, wie jung und schön er war, wurde sie ganz verlegen und wußte nicht, was sie sprach.
 
Draußen vor der Thür war einer, die Brust voller Orden. Der hatte ihr die Hofsprache gelehrt. Er sagte ihr: „Mein Kind,[S. 101] du mußt dir unsere feine Rede angewöhnen. Willst du sagen, hier ist’s schmutzig, so rufst du, ei, welche schöne Reinlichkeit! Und gefällt dir was nicht, so mußt du sagen, ich bin mit allem einverstanden. Dann versteht man dich schon.“
 
Sie wollte auch die Worte des goldgestickten Kleides mit den Orden beherzigen. Denn sie hielt auf feine Manieren.
 
Aber als sie vor dem jungen König stand, hatte sie alles vergessen.
 
„Das bist du also!“ entfuhr es ihr.
 
Und dann schwiegen beide verlegen. Denn eine solche Anrede hatte der König noch nie gehört. Da wußte er nicht, was er antworten sollte.
 
„Weißt du, jetzt muß ich erst sehen, wie hübsch du es hast,“ sagte sie, und setzte sich auf den Thron.
 
Da mußte der König lachen, denn nie war ihm so drolliges passiert.
 
Kaum saß sie aber, als sie schon aufsprang: „Hör mal,“ sagte sie, „da ist ja alles voll Staub.“
 
[S. 102]
 
Der König wurde verlegen: „Am Golde sieht man es doch nicht,“ entschuldigte er.
 
„Aber meine Finger fühlten es.“ Da sah er, daß sie zarte, weiße Händchen hatte. Und wie sie sich schüttelte, damit der Staub nicht an ihrem Kleide hängen bliebe, lösten sich ihre dunklen Haare und fielen in lockigen Längen über die Schultern.
 
Der König rief plötzlich: „Du gefällst mir unbändig!“ Denn er liebte die Kraftausdrücke.
 
„Du gefällst mir auch,“ sagte sie und bereute gleich, daß sie sich verraten hatte.
 
„Was hast du mir denn eigentlich zu sagen?“ fragte er.
 
„Ach, das hab ich nun vergessen. Aber du hast ja braune Augen mit Goldwimpern,“ rief sie erstaunt wie ein Kind, das eine schöne Blume findet. „Das ist ja wie in einem Märchen!“
 
„Was ist denn das für ein Märchen,“ fragte er neugierig, denn er liebte über alles Geschichten zu hören.
 
[S. 103]
 
„Das kann ich dir jetzt nicht sagen, es warten so viele andere draußen auf dich.“
 
„Du hast recht,“ sagte der König. „Du mußt aber wiederkommen.“
 
„Ach nein,“ meinte sie.
 
„Du mußt. Ich bin der König und ich beordere Dich zur Audienz.“
 
„Wann denn?“
 
„Morgen gleich,“ sagte er und strich sich mit der Hand unter der Nase weg, denn er liebte die einfachen Manieren.
 
„Gut, morgen!“
 
„Aber jetzt sag mir noch schnell, wer du bist und was du thust.“
 
„Ein Weib bin ich und träume. Weißt du, so schöne Träume,“ sagte sie, und wurde rot vor Vergnügen.
 
„Ach, ach!“ sagte der König, was immer viel zu bedeuten hat.
 
Und dann ging er ganz nahe an sie und wollte sie küssen.
 
„Niemals!“ rief sie und sah ihm zornig[S. 104] in die schönen Augen. Und wupp, ehe sie’s selber wußte, hatte er seinen Kuß.
 
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Die Lehrerin kam herein. Da mußte Else ihr Märchen unterbrechen. In der Nachmittagspause aber setzten sich wieder alle um sie herum und sie begann:
 
Als der König am andern Tage das junge Weib erblickte, lief er ihm schnell entgegen, so daß der goldene Pantoffel am Boden nachschlappte. „Da bist du ja,“ rief er froh und schüttelte ihre Hände.
 
„Warte mal,“ rief sie und zog aus der Tasche einen kleinen vergoldeten Holzstiel, aus dem ein Büschel rosa und blauer Federn herauswuchs. „Erst pußte ich mir den Sessel da ab, sonst ärgere ich mich.“
 
Dann setzte sie sich und sie plauderten. Aber als sie dem König in die braunen Augen sah, die mit den goldgelben Wimpernrändern wie zwei Aurikelchen aussahen, bemerkte sie, wie er so traurig darein blickte. „Was hast du denn? Sag mir’s,“ meinte sie zutraulich.
 
[S. 105]
 
„Ach!“ sagte der König und glaubte, es schicke sich für ihn nicht, seine Geheimnisse gleich auszuplaudern.
 
Aber dann fing er an: „Draußen ist’s wohl schön?“
 
„Nun und ob,“ sagte die junge Frau.
 
„Und draußen giebt es Leute, die lachen dürfen?“
 
„Warum denn nicht?“
 
„Ach!“ sagte der König wieder, denn er meinte, er hätte schon zu viel von sich verraten.
 
Nach einer Weile, als sie so friedlich nebeneinander am Thron saßen, kam ein Sonnenstrahl, küßte zuerst die Frau, nachher den König und blieb dann wie ein goldener Segen über ihren Häuptern liegen.
 
Die junge Frau lächelte mild und erzählte mit süßer Stimme ihr Märchen.
 
Da wurde dem König, er wußte nicht wie! Als ob aller Frühling und alle Sonne in ihm wäre! Aber er traute sich nicht, es der jungen Frau zu sagen.
 
[S. 106]
 
So seufzte er nur: wie unglücklich und allein bin ich!
 
Die junge Frau aber sprach weiter, leise, süß, lieblich.
 
Da wuchs dem König der Mut. Er rief: „Weißt du was, du wirst meine Frau und ich werde froh wie du.“
 
Und die junge Frau lächelte nur und war gar nicht erstaunt darüber, als ob dies so sicher hätte kommen müssen, wie Blumen im Frühling.
 
Da kribbelte und krabbelte es im Gang und die Klinke der Thüre, die zu des Königs Gemächern führte, wurde angefaßt.
 
Mit einem Satze war der König an der Thüre und riegelte zu. „Ich bin nicht zu sprechen,“ rief er hinaus.
 
„Wer ist’s denn?“ fragte das junge Weib.
 
Aber der König sagte nur „ach!“ und der Sonnenstrahl war auch fortgehuscht. Da meinte sie, es sei Zeit und ging auch.
 
„Du kommst aber wieder, du bist ja nun meine Braut.“
 
Als sie das nächste Mal zu ihm wollte,[S. 107] ging sie durch den Garten. Ein Vöglein hüpfte auf dem Sandweg. Wenn sie es haschen wollte, war es ein paar Schritte weiter, drehte das Köpfchen nach ihr um und hielt still.
 
So ging es, bis sie endlich tief im Schloßpark stand. Es rischelte und raschelte und am Wege standen drei alte Runzeldamen. Sie hatten alle Drei den Drachenorden I. Klasse an der Kette umgebunden und sahen sehr böse drein.
 
Vor Schreck blieb die junge Frau stehen. Die Drei aber sprachen wütend: „Warum ist der Himmel blau und der Frühling grün und warum die Frauen schön! Und können wir auch nicht beglücken, so können wir doch schaden.“
 
Dann riefen sie einander zu: „Du hast ihn verdorben, du hast ihn verdorben, du hast ihn verdorben.“ Nachher schrien sie so aufeinander, daß das junge Weib davonlief und ganz atemlos in den Audienzsaal kam.
 
„Höre mal,“ sagte sie dem König, „da bei dir ist es doch nicht so schön, als ich dachte.
 
Da sah ich drei...“
 
„Sei still, sei still,“ rief der König.
 
[S. 108]
 
Da schwieg sie.
 
Dann setzte er sich hin und weinte. Und dann sagte er leise: „Das sind meine hohen Verwandten.“
 
„Nicht möglich!“ lachte sie.
 
„Und ich will nie ein böses Wort über sie hören, verstehst du, nie!“
 
„Aber sie schimpfen über dich.“
 
„Sie haben mich lieb, auf ihre Weise,“ sagte er und fing wieder zu weinen an.
 
Dann sagte er: „Es muß sein und ich will sie rufen lassen und ihnen sagen, daß du meine Braut bist.“ Dem Diener befahl er: „Rufe ihre Hoheiten die Galle, die Milz und die Leber. Ich lasse sie zu mir bitten.“
 
Aber sie kamen nicht.
 
Als sie aber fort war, traten sie ein und knurrten: „Die, die, die? Niemals!“
 
Darauf waren sie verschwunden.
 
Der König konnte es aber vor Sehnsucht nicht mehr aushalten und ließ sich heimlich mit dem jungen Weibe trauen.
 
„Nun bist du mein Weib, aber warte nur,[S. 109] ich setze dich auch auf den Thron, bei meinem Königsschwur, über ein Jahr bist du Königin.“
 
Bis dahin wohnte sie in einem unterirdischen Palast. Von außen mußte sie durch eine schmutzige finstere Höhle. Fledermäuse scheuchten auf, Ratten huschten herum.
 
Aber drinnen war es gemütlich. Wände aus Porphyr, Stufen aus rosa Marmor, Stühle aus duftenden Hölzern und kleine Tischchen von Amethysten. Nur Blumen gab es keine, die verdorrten gleich. Und die Sonne konnte auch nicht hinab.
 
Des Königs Frau wurde aber immer blässer und blässer. Denn sie wohnte in Nacht. Aber sie hatte die Sonne lieb. Und seine Lippen küßten warm, aber unter der Erde war es so kalt.
 
„Bist du glücklich?“ fragte er sie. Da stürzten Thränen in ihre Augen. Aber sie verbarg ihren Kopf schnell an seiner Brust und sagte: „Ich bin glücklich.“
 
Und jedesmal rief er: „Von morgen sollst du auch Königin sein.“ Aber dann dröhnte[S. 110] es draußen, und die Fledermäuse flatterten ängstlich und drei Stimmen kreischten. Nie, nie! Und eine rief: ich habe die Macht von der Erde. Und die zweite: ich habe die Macht vom Firmament, und die dritte: ich habe die Macht von der Hölle. Und können wir niemand beglücken, so wollen wir schaden. Und es wird nie!
 
Da weinte der König und schmiegte sich hilfesuchend an sein schutzloses Weib.
 
So verging die Zeit, und als er einmal heimlich zu seiner Frau kam, lag ein kleines Mädchen da, sein Kind.
 
Da lächelten beide vor Glück und umschlangen einander. Er warf sich der jungen Mutter zu Füßen und rief: „Wie glücklich hast du mich gemacht!“ Draußen aber dröhnte es: ich habe die Macht von der Erde und ich habe die Macht von der Hölle. Nur die dritte Stimme schwieg.
 
„Weißt du, ich sehne mich nach der Sonne,“ sagte die junge Mutter.
 
[S. 111]
 
„Entsinnst du dich noch der Sonne, als wir zusammen so froh am Throne saßen?“
 
„Noch heute laß ich dich zur Königin ausrufen! Du zweifelst doch nicht an meinem Wort“ sagte er und warf sich in die Brust. „Ich habe auf der ganzen Welt nur dich lieb. Baue auf mich.“
 
Von der Erde,... von der Hölle! klang es draußen.
 
Und kleinlaut verbesserte sich der König: „Habe nur noch ein Weilchen Geduld, dann wird alles gut werden.“
 
Da lächelte die junge Frau wehmütig, sah noch einmal nach dem Kindchen und dem König, als müßten die in ihren Augen eins werden. Dann flüsterte sie: „Wo ist Frau Ehr, meine Mutter?..“ seufzte und war tot.
 
Unter den Schulmädchen war eine Bewegung entstanden. Die blasse, kleine Desiree, mit der nie jemand sprechen wollte, war aufgesprungen. Thränen liefen über ihre harmvollen Wangen, als sie zitternd sagte: „Aber das ist ja die Geschichte meiner Mama!“
 
[S. 112]
 
Da wurden die Mädchen böse und erklärten, es sei eine dumme, häßliche Geschichte und sie wollten nichts weiter davon hören. Damit drehten sie der kleinen, blassen Desiree verächtlich den Rücken und gingen auseinander. 

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