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Ein modernes Mädchenbuch:Loras Wirtschaftswoche.
日期:2024-01-30 13:59  点击:281
Wie sie aussah, wollt ihr wissen? Ob sie „schwarze, schwarze“ übergroße Augen hatte und eine „weiße, weiße“ Haut, eine schlanke, schlanke Taille und dazu eine sehr üppige Brust.
 
Nein, seht ihr, so war’s nicht. Sie ist keine Romanfigur, sondern ein lebender Mensch, und die Farbe ihrer Augen ist rätselhaft graugrün.
 
Sie hat auch kein klassisches Gesicht. Ihre dunkelbraunen, lockigen Haare lassen die junge, schon durchfurchte Stirne und die mächtig hervorgebogenen Hügel über den Brauen frei. Doch bedecken sie eingefallene Schläfen, die von dem Mangel an Eßlust der Trägerin Zeugnis[S. 44] geben. Die Nase ist oben breit angelegt und verläuft fleischlos und schmal in ein paar stets vibrierende Nasenflügel. Das Kinn springt nicht vor, aber ist wohlwollend, breit und zeigt viele Festigkeit.
 
Die Kleine heißt Lora. Solche 18 Jahre, das ist Jugend, sag ich euch! Diese Fröhlichkeit. Immer ein Witz, eine Taquinerie auf den Lippen, immer Worte, auf welche die Männer wie Bienen nach dem Honig gehen. Sie ist eigentlich frei in ihren Bemerkungen, macht nicht die schamrote Jungfrau, sondern spricht offen über alles, was sie im Leben mit ihren eigenen Augen gesehen. Denkt Euch!
 
Dabei ist sie so aalglatt in ihrem Benehmen, daß sich keiner ihrer Verehrer auch das geringste erlaubt. Nicht einmal das bekannte, geraubte Küßchen in einer Ballsaalnische.
 
Die Eltern können sorglos sein. Jetzt schon sind ein paar Heiratsanträge da. Lora will aber nicht und — na, da darf sie auch noch warten. Es ist auch zu hübsch im Hause mit ihr. Die zwei jüngeren sind einsilbiger; machen[S. 45] als wären sie nur da, um zu Lorens Witzen zu applaudieren. Grete, die jüngste, ist sentimental und weint über alles. Amalie, die zweite in der Schwesternreihe, ist jedoch die Praktische. Immer sitzt sie und überrechnet jeden Pfennig ihres kleinen Monatsgeldes oder ordnet die Wäsche in ihrem Schrank, in dem ohnedies alles so peinlich eingereiht ist. Sie wird einmal sicher ein braves Hausmütterchen.
 
Das kann man eigentlich von Lora nicht sagen. Es ist, als entzöge sie sich dieser behäbigen Pünktlichkeit, die so segenvoll jedem Haushalt wird.
 
Kommt ihre Woche der Hausführung daran — denn jede der drei hat abwechselnd nach einander eine Woche die Hausfraupflichten — so ist das ganze Haus wie Geisteshänden übergeben. Nichts von Amaliens Pünktlichkeit. Bei dieser weiß man wenigstens, um so und so viel ist das Frühstück und dann das Mittagsmahl. Dabei stets ausreichend zu essen und Speisen, die der Köchin wenig Mühe machen. Alles ist geregelt. Amaliens Woche ist auch sehr vom[S. 46] hygienischen Standpunkt zu empfehlen. Einmal wöchentlich Hülsenfrüchte (wegen der Zähne); zweimal Schweinebraten, einmal Kalbfleisch und Freitags Fisch. Sonst Beefs. Und nachher dreimal wöchentlich Mehlspeisen. So, da weiß jeder, wie er daran ist. Auch Grete ahmt Amalien nach.
 
Nur diese arme Lora! Ihre Woche ist so was ganz Merkwürdiges. Die Köchin fürchtet sich davor. Immer lauter komplizierte Gerichte. Immer etwas, woran mindestens eine Stunde gerührt oder mit der Schneerute geschlagen werden soll. Und dabei muß man acht geben, wie auf die Lunte einer Bombe. Dann kommt so wenig auf den Tisch, daß jeder kaum so viel bekommt, als nötig ist, daß er Lust hätte, mehr zu wünschen.
 
Lora macht dabei auf Anklagen das unschuldigste Gesicht: „Was wollt ihr denn? Was ihr soeben gespeist habt, ist nur allernahrhaftestes; gleichsam die Essenz der Speisen. Viel nahrhafter, als das schwere, schlechtverdauliche Zeug, womit ihr sonst den Magen überladet, und[S. 47] das euer Gehirn dann denkunfähig und faul macht.“
 
Lora geht, wie ihr staunend hören werdet, selbst in die Küche. Es ist kein „Schwindel“ möglich. So und so viel Eier und so und so viel anderes. Sie weiß es ganz genau. Und dann das schreckliche Rezept erfinden! Lora sagt: „Aus dem Kochbuch? Nein! Wir wollen etwas machen, was noch niemand gegessen hat.“
 
Dann kommen die sonderbarsten Gerichte. Canapes von Artischockenböden mit Fülle von einem seltsamen Champignonragout, überzogen mit... u. s. w.... oder eine ganz besondere Sauce von Hahnenkämmen, wie sie nirgends angegeben steht. Die Kochkönigin, deren Herrschaft die Küche ist, sinkt zu einer Rührmamsell herab. Ohne Loras Gegenwart kann kein Gericht zu Ende gebracht werden. Und das Fräulein ist so genau.
 
„Nicht mit den Händen, Käte, nur nicht mit den Fingern! Dazu sind zwei Gabeln da,“ sagt Lora, die sich leicht ekelt. Dann hantiert die Köchin damit so ungeschickt, wie jemand,[S. 48] der zum ersten Male Stelzen geht. Dennoch zittert sie vor Angst, wenn das Fräulein fortgeht. „Es wird was geschehen, es wird verpanschen, bitte, bitte, bleiben Sie, Fräulein Lore.“
 
„Komme schon wieder, Käte, bis es Zeit ist; nur immer nach rechts rühren, sonst wird’s nichts.“
 
Und das Fräulein schlüpft hinaus, leicht, elastisch, den Saum des weißen Kleides sorgsam emporgehoben.
 
Käte rührt ängstlich. Wenn’s nur was wird! Sie traut sich unter keiner Bedingung aufzuhören. Dann schimpft sie innerlich über das Fräulein, in dem Maße, als ihre Finger müde werden.
 
Da ist aber das Fräulein wieder da. „Nein, diese verteufelte Sauce, bei der alle Finger krachen. Es ist Schinderei, so was zu kochen,“ sagt Lore in einem ärgerlichen Tone, der so gut zu Kätens momentanem Gedankengang paßt, daß diese auflachen muß. Und so ist der Küchenfrieden wieder hergestellt.
 
[S. 49]
 
Lore legt dann die letzte Hand an, wie der Bildhauer an des Abbozzators grobe Arbeit. Und dann ziert sie alles gefällig, verführend, appetitreizend.
 
Darauf schlüpft sie in ihr Zimmer, doucht sich, wechselt das Kleid, denn der Küchengeruch ist ihr unerträglich und sie schmückt sich gerne zum Essen. Alle Blumentöpfe, die im Hause sind, werden um den Tisch gestellt. Ueberall Sträuße oder blühende Blumenstöcke. Einer ihrer Verehrer, der zufällig zur Essenszeit im Hause erschien, fragte erstaunt, ob heute wohl ein Familienfest sei. Heimlich vermutete er, weil es gar so blumenfroh aussah, es sei seiner Geliebten Geburtstag.
 
„Meine Woche ist’s,“ sagte sie lächelnd, während er von ihr auf alle die weißen Azalien, Hyazinthen und Fraisien sah, die blütenduftend erfreuten.
 
Kam dann das Essen, so wurde niemand satt, als die Augen. Denn alles war so hübsch. Und Lore begriff nicht, wie man so viel essen könne. Sie naschte kaum von jedem und sobald[S. 50] ein Schüsselarrangement zerstört war, konnte sie’s nicht sehen, es ekelte sie davor.
 
Was sie freute, waren die Blumen. Sie legte in diese Organismen eine Fülle von Bezauberung, welche deren Leben ihr gewährten. Es war eigentlich das Einzige, was sie wirklich liebte. Nur der Duft geliebter Blumen, (denn auch unter ihnen hatte sie Antipathien), vermochte ihrer Seele eine Weile innere Heiterkeit zu geben.
 
Denn wie sehr man auch darüber staunen kann, Lores Seele war voller Schwermut. Nicht, daß sie sentimental gewesen wäre, aber alles in ihr drängte nach außen, gepeinigt von Sehnsuchten, deren Ursache und Ziel sie selbst nicht kannte. Zerstört von Wunden, die verfließend schienen, wie die zartfarbigen Nebel am Himmel. Gewürzt von Enttäuschungen, die ihr das Leben schon gab, als sie es erst sah, ohne es genossen zu haben.
 
Das schönste war weg: die Illusionen.
 
Wie allen Mädchen, meinte man auch ihr nichts Besseres, Weiblicheres mitgeben zu können,[S. 51] als Illusionen. Diese wurden in ihr großgezogen, wie künstliche Treibhauskulturen, wo es Pflanzen voller Blüten giebt und kein einziges, lebensnotwendiges grünes Blatt.
 
Aber auch sie hatte Augen, sah und war unglücklich. Doch schwieg sie ängstlich darüber, daß sie das Leben so schaute, entkleidet seiner Poesie. Sie schämte sich dessen, wie ein Ungläubiger, der aus Ehrfurcht vor dem, was er verloren, eine Blasphemie auf den Lippen zurückhält, die ihm doch aus ehrlichem Herzen käme. 

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