Wer war da am meisten überrascht? Das waren der König und die Königin, ebenso der Kammerherr und die anderen Höflinge. Aus der schwarzen, beschmutzten Haut hervor kam eine feine, weiße, rosenfarbene Hand, und mühelos ließ sich der Ring an den kleinsten und schönsten Finger der Welt streifen. Dann schüttelte sich die Prinzessin und die Eselshaut fiel von ihr ab. Nun stand sie da, so bezaubernd in ihrer Schönheit, daß der Prinz, schwach wie er war, vor ihr niederfiel und sie mit einer Leidenschaft in seine Arme schloß, die sie erröten machte. Aber man achtete kaum darauf, denn auch der König und die Königin umarmten sie in einem fort und fragten sie, ob sie ihren Sohn zum Gemahl nehmen wolle. Die Prinzessin war ganz verwirrt von so viel Zärtlichkeit und Liebe, die ihr der schöne, junge Prinz bezeigte und wollte sich eben dafür bedanken, als sich die Decke des Saales auftat und die Lila-Fee in einem Wagen aus Zweigen und Blumen ihres Namens herabschwebte, und mit unendlicher Anmut das Schicksal der Prinzessin erzählte. In ihrer Freude darüber, daß Jungfer Eselshaut eine so vornehme Prinzessin war, verdoppelten der König und die Königin ihre Zärtlichkeit. Aber noch größer war die Freude des Prinzen über die Tugendhaftigkeit der Prinzessin und seine Liebe zu ihr wuchs noch mehr durch die Erzählung der Fee.
Die Ungeduld des Prinzen, seine Braut heimzuführen, war so groß, daß er sich kaum Zeit ließ, um die Feier würdig vorzubereiten. Ganz verliebt in ihre schöne Schwiegertochter, erwiesen ihr der König und die Königin Zärtlichkeiten über Zärtlichkeiten und ließen sie nicht aus ihrem Arm. Da die Prinzessin erklärt hatte, sie könne des Prinzen Frau nicht werden, ohne das Einverständnis des königlichen Vaters, wurde zunächst an diesen eine Einladung geschickt, ohne ihm dabei zu verraten, wer die Braut sei. Dies geschah auf Wunsch der Lila-Fee, die alles zum Guten lenkte.
Aus allen Ländern kamen die Könige herbei, die einen in Sänften, die anderen in Wagen, die weiter wohnenden kamen auf Elefanten daher geritten, auf Tigern und Adlern, aber der allerprächtigste und allermächtigste war der Vater der Prinzessin, der gottlob seine frevelhafte Liebe zu seiner Tochter überwunden und die sehr schöne Witwe eines kinderlosen Königs geheiratet hatte. Die Prinzessin eilte auf ihn zu. Da erkannte er sie und schloß sie mit großer Zärtlichkeit in die Arme, noch ehe sie Zeit hatte, sich ihm zu Füßen zu werfen. Der König und die Königin stellten ihm ihren Sohn vor, den er mit Beweisen seiner Freundschaft überhäufte. Nun wurde die Hochzeit mit aller nur denkbaren Pracht gefeiert. Die jungen Gatten aber hatten kein Auge für diese Herrlichkeiten, der eine sah nichts als nur den anderen.
Noch an demselben Tage ließ der Vater seinen Sohn zum König krönen und setzte ihn mit feierlichem Handkuß auf den Thron; wie sehr er sich auch dagegen wehrte, er mußte dem Willen des Vaters gehorchen. Fast drei Monate dauerten die Festlichkeiten, aber die Liebe der beiden Gatten würde noch heute dauern, wenn sie nicht hundert Jahre später gestorben wären.
Moral:
Dies Märchen klingt so wunderbar,
Daß viele glauben, es wär’ nicht wahr.
Doch bleibt Jungfer Eselshaut immer beliebt,
So lang es Großmütter und kleine Kinder gibt.