Hocherfreut griff der Prinz mit beiden Händen nach dem Kuchen und verzehrte ihn mit solcher Hast, daß die anwesenden Ärzte nicht verfehlten, diese Leidenschaft für ein bedenkliches Zeichen zu erklären. In der Tat wäre der Prinz beinahe an dem Ring erstickt, aber er hielt ihn noch rechtzeitig im Munde zurück. Sein Appetit verging ihm, als er das kostbare Kleinod betrachtete. So zierlich war dieser Ring, daß alle überzeugt waren, er könne nur dem schönsten Finger der Welt passen.
Wohl tausendmal küßte der Prinz den Ring und verbarg ihn unter seinem Hemd, um ihn jedesmal hervorzuziehen, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Er quälte sich in dem Gedanken, wie er zu der gelangen könne, die diesen Ring getragen. Doch er wagte nicht zu hoffen, daß man ihm gestatten würde, Jungfer Eselshaut kommen zu lassen, die ihm den Kuchen gebacken hatte. Er wagte auch nicht davon zu sprechen, was er durch das Schlüsselloch gesehen hatte, aus Furcht, man würde ihn auslachen und ihn für einen Gespensterseher halten. Da alle diese Sorgen gleichzeitig auf ihn einstürmten, nahm sein Fieber stark zu, und in ihrer Ratlosigkeit erklärten die Ärzte der Königin, der Prinz sei krank aus Liebe.
In Begleitung des Königs, der schier verzweifelte, stürzte die Königin zu ihrem Sohn.
»Mein Sohn, mein lieber Sohn,« rief der bekümmerte Herrscher aus, »nenne uns das Mädchen, das Du begehrst und wäre es die niedrigste Magd, wir schwören Dir, sie soll Deine Frau werden.«
Unter vielen Küssen bekräftigte die Königin den Schwur ihres Gatten.
»Lieber Vater und liebe Mutter,« sagte da der Prinz, »ich denke gar nicht daran, eine Ehe zu schließen, die Euch mißfallen könnte. Um Euch das zu beweisen, werde ich das Mädchen heiraten, dem dieser Ring gehört, wer sie auch sein mag. Aber wer einen so schönen Finger hat, daß ihm dieser Ring paßt, der dürfte allem Anschein nach kaum von geringer oder bäuerischer Herkunft sein.«
Bei diesen Worten zog er das Kleinod unter seinem Hemd hervor. Der König und die Königin nahmen den Ring, prüften ihn neugierig und stimmten dem Urteil ihres Sohnes zu, daß er nur einem jungen Mädchen von edler Herkunft gehören könne. Der König umarmte seinen Sohn und beschwor ihn, gesund zu werden und dann ging er hinaus, um die Trommler, Pfeifer und Trompeter durch die ganze Stadt zu schicken und durch seine Herolde bekanntzumachen, daß alle Mädchen in den Palast kommen sollten, um einen Ring zu probieren, und das Mädchen, dem er zu eigen gehöre, die Frau des Prinzen werde.
Zuerst kamen die Prinzessinnen, dann die Herzoginnen, die Marquisen und Baroninnen. Aber sie zeigten umsonst ihre Finger vor: keiner von ihnen paßte der Ring. Schließlich ließ man die Bürgermädchen kommen, aber auch diese hatten alle, so hübsch sie auch waren, viel zu dicke Finger. Da es dem Prinzen besser ging, stellte er die Versuche selbst an. Endlich kamen auch die Kammermädchen an die Reihe, aber auch sie schnitten nicht besser ab. Nun gab es kein Mädchen mehr, an dem der Ring nicht probiert worden wäre. Dann ließ der Prinz die Köchinnen und Hirtinnen kommen: all das Pack führte man herbei, aber ihre dicken, roten und kurzen Finger gingen erst recht nicht durch den Ring.