An einem Sonntage hatte die Prinzessin das sonnenfarbene Gewand angezogen, als gerade der Sohn des Königs, dem die Meierei gehörte, dort abgestiegen war, um sich auf der Heimkehr von der Jagd ein wenig auszuruhen.
Es war ein junger und schöner Prinz, geliebt von seinem Vater und seiner königlichen Mutter und verehrt von seinem ganzen Volke. Es wurde ihm ein ländliches Mahl bereitet, welches er mit Dank annahm. Danach bekam er Lust, sich die Geflügelhöfe anzusehen, und er durchstreifte sie bis in die äußersten Winkel.
Wie er sich so überall umsah, kam er in eine schattige Allee, an deren Ende er eine verschlossene Tür fand. Neugierig sah er durchs Schlüsselloch. Aber wie erschrak er, als er hier die wunderschön und reich gekleidete Prinzessin sah. In seiner edlen und bescheidenen Art hielt er sie für eine göttliche Erscheinung. Ohne die Ehrfurcht, die ihm das bezaubernde Bild einflößte, hätte der Sturm der Gefühle, der ihn da durchtobte, ihn sicherlich verführt, die Tür zu öffnen.
Es wurde ihm schwer, die dunkle, schattige Allee zu verlassen. Er tat es nur, um sich zu erkundigen, wer in der kleinen Kammer dort hause. Man gab ihm zur Antwort, es sei eine Magd, man nenne sie nur »Jungfer Eselshaut«, nach dem Kleide, das sie trage. Sie sei so schmutzig, daß niemand sie ansähe und niemand mit ihr sprechen wolle. Aus Mitleid habe man sie aufgenommen, damit sie die Schafe und die Truthühner hüte.
Diese Antwort sagte dem Prinzen so gut wie gar nichts. Er sah ein, daß die guten Leute von dem Geheimnis nichts wußten und er hielt es für zwecklos, sie weiter auszufragen.
So kehrte er über alle Maßen verliebt, in den Palast seines Vaters zurück und behielt immer das herrliche Bild der göttlichen Erscheinung vor Augen, das er durch das Schlüsselloch gesehen hatte. Nun reute es ihn doch, daß er nicht angeklopft hatte, und er nahm sich vor, es beim nächsten Male nicht zu versäumen.
Aber der Sturm in seinem Blute, den die Liebe heraufbeschworen hatte, warf ihn noch in derselben Nacht in ein so heftiges Fieber, daß er fast gestorben wäre. Seine Mutter, die Königin, deren einziges Kind er war, geriet in Verzweiflung darüber, daß alle Heilmittel versagten. Umsonst versprach sie den Ärzten fürstlichen Lohn. Sie wandten alle Mittel an, aber keines half dem Prinzen.
Schließlich ahnten sie, daß ein schwerer Kummer die Ursache dieser Krankheit war. Sie sagten es der Königin, und diese beschwor ihren Sohn in ihrer zärtlichen Liebe, ihr doch die Ursache seines Leides zu nennen. Wenn es sich etwa darum handle, ihm jetzt schon die Krone zu geben, so würde sein Vater, der König, ohne Schwanken des Thrones entsagen und ihn zum Könige machen. Sollte er aber irgendeine Prinzessin zur Frau begehren, so würde man, um seinen Wunsch zu erfüllen, alle Rücksichten opfern, selbst wenn man mit ihrem Vater im Kriege lebte oder auch andere Gründe hätte, eine solche Verbindung zu bedauern. Nur beschwöre sie ihn, am Leben zu bleiben, denn an seinem Leben hänge auch ihr Leben.