Das Verschwinden der Prinzessin brachte alle in die größte Aufregung. Der König, der gerade ein prächtiges Fest vorbereitete, war untröstlich in seiner Verzweiflung. Er schickte mehr als hundert Gendarmen und ganze Regimenter Soldaten aus, um seine Tochter zu suchen. Aber die Fee nahm sie in ihren Schutz, machte sie unsichtbar und entzog sie den geschicktesten Verfolgern. So mußte der König sich mit ihrem Verluste abfinden.
Die Prinzessin aber wanderte ihres Weges. Sie ging weit, weit und immer weiter und suchte überall nach einer Stellung. Aus Mitleid gab man ihr zu essen; aber jedermann fand sie zu häßlich, um sie in seinen Dienst zu nehmen.
Endlich kam sie an eine schöne Stadt, vor deren Toren eine Meierei lag. Die Pächterin dieser Meierei brauchte eine Magd, um die Wäsche zu waschen und um den Hühnerhof und den Schweinestall zu fegen. Wie nun die Frau die schmutzige Wanderin sah, schlug sie ihr vor, in ihren Dienst zu treten. Mit großer Freude war die Prinzessin damit einverstanden, denn sie war müde von dem langen Wege.
Als Wohnung wies man ihr einen Verschlag an, der weit von der Küche entfernt lag. Die andern Bedienten trieben in den ersten Tagen grobe Späße mit ihr, weil sie in ihrer Eselshaut so schmutzig und abstoßend war. Aber bald gewöhnte man sich an sie; und da sie ihre Pflichten sehr gewissenhaft erfüllte, nahm sich die Pächterin ihrer an.
Die Prinzessin ließ die Schafe aus dem Stall und führte sie auf die Weide. Auch die Truthühner hütete sie mit so viel Verständnis, daß es schien, als habe sie niemals etwas anderes getan. Alles gedieh unter ihren zarten Händen.
Eines Tages saß sie wieder an der klaren Quelle, wo sie oft über ihr trauriges Los weinte. Da kam sie auf den Gedanken, sich im Spiegel des Wassers zu betrachten, und sie erschrak über die gräßliche Eselshaut, die ihren Kopf und Körper umhüllte. Beschämt über ihr Aussehen, wusch sie sich Gesicht und Hände, bis sie weiß waren wie Elfenbein und bis ihre zarte Haut wieder so frisch war wie früher. Erfreut über ihre Schönheit bekam sie Lust zu einem Bade. Aber dann mußte sie wieder in ihre unwürdige Haut schlüpfen, um nach der Meierei zurückzukehren.
Glücklicherweise war der nächste Tag ein Sonntag, und für sie ein Tag der Muße. Sie ließ ihren Kasten erscheinen, brachte ihre Kleider in Ordnung, puderte ihr schönes Haar und zog das wunderbare wetterfarbene Kleid an. Aber ihre Kammer war so klein, daß die Schleppe des herrlichen Gewandes keinen Platz darin hatte. Die schöne Prinzessin betrachtete sich im Spiegel und war über ihre Schönheit so erfreut, daß sie sich vornahm, an Sonn- und Festtagen der Reihe nach alle ihre schönen Gewänder anzuziehen.
Diesen Plan führte sie auch aus. Mit seltenem Geschmack steckte sie sich Blumen und Diamanten in ihr schönes Haar, und oft seufzte sie, daß niemand sie in solcher Schönheit sah außer ihren Schafen und Truthühnern, die sie aber nicht weniger liebten in ihrer häßlichen Eselshaut, wonach sie die Leute auf der Meierei »Jungfer Eselshaut« getauft hatten.