Es war einmal ein König, der war so mächtig, von seinem Volke so geliebt, von allen seinen Nachbarn und Freunden so geehrt, daß man ihn den glücklichsten aller Herrscher nennen konnte. Noch größer wurde sein Glück, als er sich eine Prinzessin zur Braut erwählte, die ebenso schön wie tugendhaft war. In ihrer treuen Ehe wurde ihnen ein Töchterchen geschenkt, welches so schön und so anmutig war, daß sie niemals bedauerten, nur dieses eine Kind zu haben.
Pracht, Reichtum und Geschmack herrschten in ihrem Palaste. Die Minister waren weise und geschickt, die Höflinge tugendhaft und anhänglich, die Diener treu und fleißig. Die schönsten Pferde standen reich gezäumt in den geräumigen Ställen. Aber was die Fremden, die die schönen Ställe besuchten, am meisten in Erstaunen setzte, das war ein alter Esel, der an einem besonderen Ehrenplatze im Stalle seine langen, großen Ohren ausstreckte. Der König hatte ihm diesen bevorzugten Platz nicht etwa aus irgendeiner Laune angewiesen, — er hatte vielmehr einen guten Grund dazu. Denn dieses seltene Tier verdiente eine solche Bevorzugung; es hatte nämlich die sonderbare Eigenschaft, daß seine Streu jeden Morgen nicht etwa beschmutzt, sondern in verschwenderischer Fülle mit schönen Goldtalern und Dukaten aller Art bedeckt war, die man nur aufzusammeln brauchte.
Da die Sonne des Lebens ihre Schatten nicht nur auf die Untertanen, sondern auch auf die Könige wirft, und da Gutes und Schlechtes stets beieinander wohnen, so wollte es der Himmel, daß die Königin plötzlich von einer schweren Krankheit befallen wurde, gegen die man trotz aller ärztlichen Wissenschaft und Geschicklichkeit kein Heilmittel fand. Alle waren untröstlich.
Der König, der trotz jenes berühmten Sprichwortes, welches die Ehe das Grab der Liebe nennt, immer noch seine Gattin in Zärtlichkeit verehrte, wußte nicht, was er in seinem Kummer tun sollte. Allen Kirchen seines Reiches machte er heilige Gelübde; er wollte dem Himmel sein eigenes Leben opfern, um das seiner geliebten Gemahlin zu retten. Aber er rief vergeblich Gott und die Feen an.
Als die Königin ihr letztes Stündchen nahen fühlte, sagte sie zu ihrem weinenden Gemahl:
»Verzeiht, wenn ich vor meinem Tode eines von Euch fordere: Solltet ihr jemals das Verlangen haben, Euch wieder zu verheiraten ...« Bei diesen Worten schluchzte der König gar jammervoll, faßte die Hand seiner Frau, versicherte mit Tränen in den Augen, daß es überflüssig sei, ihm von einer zweiten Ehe zu sprechen.
»Nein, nein, teuerste Königin, sagte er endlich, sprecht lieber davon, wie ich Euch folgen soll!«
Darauf entgegnete die Königin mit einer Entschlossenheit, die den Schmerz ihres Mannes nur noch vermehrte:
»Der Staat, der auf eine richtige Thronfolge bedacht sein muß, hat ein Recht, von Euch Söhne zu verlangen, die Euch gleichen. Trotzdem ich Euch nur eine Tochter geschenkt habe, bitte ich Euch inständig bei aller Liebe, die Ihr für mich hegt: gebt dem Verlangen Eures Volkes erst dann nach, wenn Ihr eine Prinzessin gefunden habt, die schöner ist, als ich gewesen bin. Schwört mir dies, dann will ich ruhig sterben.«