Die Prinzessin fiel aus allen Wolken, so überrascht war sie. Nun erinnerte sie sich plötzlich, daß es ja ein Jahr her war, da sie am gleichen Tage dem Prinzen Riquet mit der Locke die Hochzeit versprochen hatte. Sie hatte deshalb nicht mehr daran gedacht, weil sie noch ein dummer Mensch gewesen war, als sie das Versprechen gab. Im Besitze der von dem Prinzen auf sie übertragenen Vernunft hatte sie dann später alle ihre Torheiten vergessen.
Sie war noch keine dreißig Schritt weitergegangen, als Riquet mit der Locke vor ihr erschien, stolz, prächtig, kurz: wie ein Prinz, der Hochzeit machen will.
»Wie Sie sehen, mein Fräulein, habe ich pünktlich mein Wort gehalten, und zweifelsohne kamen auch Sie hierher, um dasselbe zu tun und mich durch Ihre Hand zum Glücklichsten aller Sterblichen zu machen!«
»Ich will Ihnen offen gestehen,« antwortete die Prinzessin, »daß ich noch keinen Entschluß gefaßt habe, und daß ich kaum glaube, Ihren Wünschen entsprechen zu können!«
»Sie setzen mich in Erstaunen, mein Fräulein!« sagte Riquet mit der Locke zu ihr.
»Ich glaube es,« sagte die Prinzessin, »und sicherlich wäre ich jetzt in der größten Verlegenheit, wenn ich es mit einem rohen, unvernünftigen Menschen zu tun hätte. Dieser würde sagen, daß auch eine Prinzessin nur ein Wort zu vergeben habe und da sie einmal ihr Versprechen gegeben, so müsse sie es auch halten. Aber da der Mann, mit dem ich spreche, der klügste Mensch in der ganzen Welt ist, so bin ich sicher, daß er Vernunft annehmen wird. Als ich nichts weiter war wie ein Dummkopf, hatte ich mich trotzdem, wie Sie wissen, nicht entschließen können, Sie zu heiraten. Wie können Sie von mir erwarten, daß ich heute, wo ich infolge des von Ihnen erhaltenen Verstandes so viel anspruchsvoller bin, einen Entschluß fassen soll, zu dem ich mich damals nicht aufraffen konnte? Wenn Sie also darauf ausgingen, mich zu heiraten, dann war es eine große Ungeschicklichkeit von Ihnen, mir meine Dummheit zu nehmen und mich klarer sehen zu lassen als früher!«
Riquet mit der Locke gab zur Antwort: »Wenn Sie es einem geistlosen Menschen, wie Sie eben sagten, nicht verübeln würden, Ihnen die Nichterfüllung Ihres Wortes vorzuwerfen, warum wollen Sie denn, mein Fräulein, daß ich nicht ebenso verfahre, wo es sich doch um mein ganzes Lebensglück handelt? Ist es vernünftig, daß Menschen mit Verstand schlechter daran sind als Menschen ohne Verstand? Wollen Sie das wirklich behaupten, Sie, die Sie jetzt so viel Verstand besitzen und sich so sehr danach gesehnt haben? Aber kommen wir zur Sache, wenn es Ihnen beliebt! Abgesehen von meiner Häßlichkeit — gibt es da noch irgend etwas an mir, was Ihnen mißfällt? Nehmen Sie vielleicht Anstoß an meiner Abstammung, an meinem Verstande, an meiner Gemütsart, an meinen Manieren?«
»Ganz und gar nicht!« antwortete die Prinzessin, »alles, was Sie eben anführten, schätze ich an Ihnen.«