Aber die Königin beruhigte sich nicht dabei. Sie schrie und trat um sich und biß die alte Ameise,[S. 291] die flehentlich um Gnade bat und in ihrer Not schließlich in den Hügel hineinlief. Die Königin rannte ihr nach.
„Habt ihr je so etwas erlebt!“ sagte die Buche.
„Ich jedenfalls nicht,“ erwiderte der Buchfink. „Das Gewürm muß ja ganz den Verstand verloren haben. Sie glauben allen Ernstes, daß wir nur zu ihrem Vergnügen geschaffen sind.“
„Unglaublich!“ flüsterten die Anemonen.
Der Waldmeister sagte dasselbe. Die Tanne lachte, daß ihre Nadeln herabrieselten. Der eine erzählte es dem andern, und bald wußte es der ganze Wald, daß die Ameisen glaubten, die ganze Welt sei nur um ihretwillen da. Niemand konnte es begreifen. Und alle fanden es dumm und lächerlich.
„Es muß etwas dahinter stecken,“ sagte der Buchfink. „Wenn ich der alten Ameise begegne, werd’ ich versuchen, es herauszukriegen.“
Am nächsten Morgen in aller Frühe öffnete die Ameise den Hügel.
„Guten Morgen,“ sagte der Buchfink, der schon sein Morgenlied vorm Zweige seiner Liebsten gesungen hatte. „Du siehst mir nicht gerade rosig gelaunt aus, alter Freund.“
„Ja,“ klagte die Ameise, „ich hab’ gestern so fürchterliche Prügel von der Königin bekommen. Hätte ich mich nicht tief im Hügel versteckt, so glaube ich, daß Ihre Majestät mich totgeschlagen hätte.“
„Ich habe es wohl gesehn. Aber was war denn das auch für ein fürchterlicher Unsinn, den du der Königin erzählt hast! Du hast ihr ja weismachen wollen, die Ameisen seien die vornehmsten Tiere in[S. 292] der ganzen Welt, und alles sei nur um ihretwillen geschaffen.“
„Ich habe die reine Wahrheit gesagt,“ beteuerte die Ameise. „Und die bleibt bestehen, auch wenn es Ihrer Majestät beliebt, mich zu mißhandeln.“
„Du bist verrückt!“ sagte der Buchfink. „Der ganze Wald lacht über dich!“
„Lacht ihr nur! Was macht das, wenn ihr sonst nur euer Tagewerk verrichtet, uns zum Nutzen und zur Freude!“
„Nun redest du wieder ebenso verrücktes Zeug wie gestern.“