Hand in Hand gingen sie durch das Tal. Und von dem Sommer ging ein so strahlender Glanz aus, daß niemand des Herbstes gewahr wurde. Die Töne seines Hornes erstarben in der Luft, und alle hatten den Schauder, der sie vorher überlief, ver[S. 250]wunden. Die Bäume, Vögel und Blumen waren wieder zu sich gekommen, und sie rauschten, sangen und zankten.
Der Fluß rann dahin, das Schilfrohr flüsterte, und die Bienen holten sich im Heidekraut einen Sommerrausch.
Aber dort, wo die Fürsten auf ihrer Wanderung durch das Tal stillstanden, geschah es, daß das Laub auf der Seite, wo der Herbst stand, gelb wurde. Ein kleines Blatt löste sich von seinem Stengel, flatterte weg und fiel ihm zu Füßen nieder. Die Nachtigall sang nicht mehr, obwohl es Abend war, der Kuckuck schwieg und flatterte unruhig im Walde umher, der Storch streckte sich auf dem Nest aus und starrte gegen Süden.
Aber die Fürsten achteten dessen nicht.
„Sei mir willkommen!“ sagte der Sommer wieder. „Entsinnst du dich deines Versprechens?“
„Ich entsinn’ mich wohl,“ erwiderte der Herbst.
Der Sommer blickte über das Reich hin, wo der Lärm allgemach nachließ.
„Hörst du sie?“ fragte er. „Sie müssen sterben, und sie wissen es nicht. Nun nimm du sie milde auf.“
„Ich werd’ das Deine bergen,“ erwiderte der Herbst. „Behutsam will ich die Träumenden wecken, behutsam die zudecken, die unter der Erde schlafen. Dreimal werde ich sie vor dem Winter warnen.“
„Das ist gut,“ sagte der Sommer.
Eine Weile gingen sie schweigend einher, während die Nacht hervorquoll.
„Die Blütenblätter des Mohns sind abgefallen, als du dein Horn geblasen hast,“ sagte der Sommer.[S. 251] „Viele von meinen Kindern werden sterben, sobald ich das Tal verlasse. Aber Nachtigall, Kuckuck und Storch nehme ich mit mir.“
Wieder gingen die beiden Fürsten schweigend dahin. Es war ganz still, nur die Eule schrie in der alten, abgestorbenen Eiche.
„Meine Vögel sendest du mir nach,“ bat der Sommer.
„Ich werd’ keinen vergessen,“ erwiderte der Herbst.