Und da war der Hirsch, der brüllte, weil das beste Gras weg war. Zu ihm sagte der Sommer:
„Ich habe dir flinke Beine gegeben, daß du dahin springen kannst, wo das Gras im Walde am grünsten ist. Sind deine Beine müde geworden, so leg’ dich hin und stirb, und das Kalb der Hindin wird in deine Fußspuren treten.“
Da waren die Fische im Fluß, die untereinander die Eier und Jungen auffraßen und dem Sommer die Schuld gaben.
„Was wollt ihr von mir?“ fragte der Sommer. „Ich habe euch die Macht gegeben, Tausende von Eiern zu legen und abermals und abermals Tausende. Wie viele auch sterben, es werden immer Fische im Flusse sein.“ Und die Blumen kamen und seufzten, weil nicht genug Bienen da seien, ihren Staub zu tragen. Aber der Sommer sprach:
„Ich habe euch Honig geschenkt, den ihr den Bienen als Botenlohn geben sollt, und habe euch ge[S. 243]lehrt, ihn so anzubringen, daß sie den Staub als Zugabe nehmen müssen. Ich habe euch starken Duft und schöne Farben gegeben, womit ihr sie locken könnt. Ihr rufet sie, und sie kommen, und dem, der am meisten verspricht und am meisten hält, gehorchen sie am schnellsten.“
Aber sooft der Sommer gesprochen hatte, stets stellte sich wieder jemand ein mit Klagen und Beschwerden.
„Es gibt zu wenig Regenwürmer!“ schrie der Zeisig, der jetzt vier Junge im Nest hatte und ganz mager geworden war von all der Mühe und Arbeit, um Nahrung, herbeizuschaffen. „Wir hungern. Wir halten’s nicht aus!“
„Es gibt zu viele Vögel!“ jammerte der Regenwurm in der Erde. „Wenn man nur einen Augenblick zum Vorschein kommt, auf der Stelle wird man gefressen.“
„Befrei’ uns von dem Storch!“ baten die Frösche.
„Schaff’ mehr Frösche herbei, oder ich reise ab,“ schrie der Storch.
Und die Buche klagte, weil die Maikäfer ihre Blätter fraßen, und die Krähen konnten nicht genug Maikäfer kriegen. Die Bienen jammerten über die Blüten, wie die Blüten über die Bienen... sie meinten, es sei zu beschwerlich, des Honigs habhaft zu werden. Der Hase entrann dem Fuchs und fiel dem Adler in die Klauen. Die junge Esche an der Hecke rief den Himmel an um Beistand gegen das Geißblatt, das sie bis zum Wipfel umschlang.
Aber der Sommerfürst stand hoch und strahlend[S. 244] da und überschaute sein Reich. Sein Lächeln war hell, und in seinen starken Augen war kein Mitleid. Er hob die Hand, wie um ihnen Schweigen zu gebieten, aber niemand achtete seiner; der Lärm stieg an mit jeder Stunde, und das Land war voll von Geschrei und Jammer.