Schließlich hatten die beiden Zeisige glücklich ihr Haus gebaut, und die andern Vögel desgleichen. Im ganzen Walde war kein Strauch so arm, daß er nicht ein Nest in seinem Schoße trug. In jedem Nest lagen Eier, und auf den Eiern saß ein braves[S. 239] Vogelweibchen, das mit den schwarzen Augen wachsam um sich schaute und sich ganz fürchterlich langweilte. Von Zeit zu Zeit kam ihr Mann nach Hause mit einer Fliege, einem Regenwurm oder anderm guten Kindbettessen, wie er’s versprochen hatte, und wie es seine Pflicht und Schuldigkeit war. Und am Abend saßen alle Vogelmännchen getreulich am Rande des Nestes und sangen — jedes mit seinem Schnabel, rührend und hübsch, und die Weibchen meinten, es sei herrlich zu leben.
Aber oben in den hohen Bäumen lagen die Krähenweibchen auf den Eiern, und im Gebirge brüteten die Adlerfrauen.
Allerorten rüstete man sich auf den Empfang der Kinder, aber nicht überall gab es ein so trautes Familienleben wie im Gesträuch im Walde.
Zwar hatte der Fuchs seine Höhle tief im Hügel, wo seine Jungen so ruhig lagen wie in der Truhe der Großmutter. Aber die ängstliche Häsin warf ihre Häslein in den Graben und hatte keine Ahnung davon, wo in der Welt der unnatürliche Vater seinen Abendkohl verzehrte.
Und der Kuckuck flog unruhig hin und her und brachte seine Eier heimlich in den Nestern der andern Vögel unter, und er weinte bitterlich, weil er sich nie ein eigenes Heim bauen konnte. Der Schnecke ging es nicht viel besser; denn sie konnte nichts anderes tun als ein Loch in die Erde zu bohren, ihre Eier da hineinzustecken und sie dem lieben Gott zu überlassen.
Die braunen Mäuslein hatten ihre Stube voll von winzigen blinden Kinderchen, die sich keine zärtlicheren und fürsorglicheren Eltern wünschen[S. 240] konnten. Aber die Maulwurfsmadam unten in der Erde mußte ihren eigenen Schurken von Mann auffressen, sobald sie aus dem Wochenbett aufgestanden war, damit er die unschuldigen Kleinen nicht zur Vesper verspeisen sollte. Und die Mücken-Herren tanzten ungeniert in der Abendluft, als ob sie nichts Besseres zu tun hätten, während die ihnen angetrauten Frauen jede für sich und in großer Betrübnis Eier ins Wasser legten.
Aber der braune Frosch saß auf dem Grabenrande und rang die Hände in sprachlosem Entsetzen über die seltsamen Kaulquappen-Kinder, die er in die Welt gesetzt hatte.
Und die Sonne schien, und der Regen tropfte auf diejenigen herab, die behaglich unter Dach saßen, und auf die, die alles hinnehmen mußten, wie es kam. Die Frau Maulwurf rackerte sich als ehrenhafte Witwe ab für zwei, und die Häsin säugte ihre Jungen, damit sie möglichst bald zu Kräften kämen und dem Fuchs und Adler nicht in die Hände fielen. Der Kuckuck rief seinen Kummer zwischen die Stämme des Hochwaldes aus, die Mückenmutter ließ die Eier von hinnen segeln, da sie doch nichts mehr für sie tun konnte, worauf sie sich auf dem Ohre des Hirsches niederließ und sich nach der Anstrengung an einem Tropfen Blut ergötzte.
Aber der Sommerfürst war bei ihnen allen. Er wußte um die kleinste Mücke, und er vergaß keine Blume auf der Wiese.