Nun dämmert’s im Gesträuch.
Die sternenhohe Sommernacht
zieht durch die weiten Lande sacht.
Niemand hatte das Lebewohl des Frühlings und das Kommen des Sommers beachtet.
Die Vögel sangen, und die Fliegen summten. Die Mücken hopsten in der Luft herum, bis die Schwalbe den Ball für beendet erklärte; die Blumen dufteten, die Frösche quakten, der Hirsch brüllte auf der Waldwiese. Des Jubels war kein Ende.
Und während die Berge noch ergrünten, wo der Frühling seinen Fuß hingesetzt hatte, bis zu dem ewigen Schnee des Winters auf den Zinnen hin, stand der Sommerfürst eine Weile da und schaute auf das Reich, das der Frühling verlassen hatte.
Von seiner Gestalt ging ein so starker Sonnenglanz aus, daß es im Tale wärmer wurde, als es je[S. 234] gewesen war. Seine Augen leuchteten, sein Purpurmantel erstrahlte, der goldne Gürtel um seine Lenden flammte wie Feuer, die rote Rose im Gürtel glühte.
Dann hob er seine Hand, als wollte er Ruhe gebieten. Aber niemand beachtete ihn. Der Zeisig hüpfte mit seinem Schatz im Gebüsch umher, sah sie verliebt an und hackte mit dem Schnabel nach ihr. Die Fische spielten lustig im Wasser, die Wiese prangte in all ihrem Glanz, und der Wald stand in grüne Träume versunken.
Der Sommer hob lächelnd von neuem die Hand. Da das nichts half, runzelte er die Brauen, und sein Gesicht verfinsterte sich.
Und in demselben Augenblick trat ein Schleier vor die Sonne. Von Osten und Westen her kamen schwere Wolken langsam über die Hügel herauf, schwerer und schwärzer, als das Tal sie je gesehen hatte, mit seltsamen, dicken Rändern. Aus den Wolken rollte der Donner, in weiter Ferne und gedämpft, aber so, daß ein jeder seine Macht erkennen konnte.
Die Wolken kamen näher, und es wurde immer dunkler, blieb aber trotzdem warm. Im Walde mußte man glauben, daß es Abend sei. Der Wind bekam Angst, lief hinter die Hügel und legte sich. Die Luft wurde sonderbar drückend und schwer. Die Blätter der Bäume hingen schlaff herab, als wären sie krank, und die Blumen beeilten sich, ihre Kronen zu schließen. Niemand wußte, wo die Fliegen blieben, aber fort waren sie. Die braunen kleinen Mäuse vergaßen ihre verliebten Narrenspossen, saßen in ihren Stuben und pfiffen. Der Hirsch legte sich hinter[S. 235] den dichtesten Sträuchern nieder, die Frösche bekamen ihr Quorax in die verkehrte Kehle und verzogen sich nach dem Grunde, als ob der Winter vor der Tür stünde. Rings unterm Laube saßen die Vögel und starrten mit bangen Augen.
Und der Sommer war nicht länger Licht und Sonne. Während die Wolken sich zusammenzogen, erlosch der Glanz, der ihn umwogte. Schließlich stand er wie eine gewaltige schwarze Wolke in der Gestalt eines Riesen am Ende des Tales.