„Lichtnelke,“ sagte der Buchfink. „Erzähl’ mir, wie das eigentlich zusammenhängt mit euch Blumen, Bienen und Schmetterlingen! Ich hab’ heute hier gesessen und alles mitangesehen und angehört, aber ich versteh’ kein Sterbenswörtchen von allem. — Was wollte denn der Dämmerungsfalter von dir?“
„Er hat von mir Honig bekommen,“ erwiderte die Lichtnelke.
„Gut, aber was hat er dir denn dafür gegeben?“
„Er hat meinen Blütenstaub mitgenommen,“ erklärte die Lichtnelke.
Aber der Buchfink schüttelte den Kopf.
„Ja, das mag für den Dämmerungsfalter recht gut und schön sein,“ meinte er. „Er hat das eine gekriegt und hat auch das andere gekriegt. Aber welches Vergnügen hast du denn von der Geschichte?“
„Sieh mal,“ antwortete die Lichtnelke, „jede ordentliche Blume hat zwei große Sorgen in ihrem Leben. Erstens muß sie ihre Samen bekommen, und zweitens muß sie sie wieder loswerden. Das verstehst du doch?“
„Und ob!“ sagte der Buchfink erfreut. „Das ist ja genau so wie bei uns. Zuerst kommt es darauf an, daß wir unsre Jungen kriegen, und dann müssen wir sehen, daß wir sie gut erziehen und in die Welt hinaussenden. Wir Vögel haben also dieselben Sorgen. Aber die dauern an, von der Geburt bis zu unserm Tode, und man wird mitunter recht mager davon!“
„Natürlich,“ erklärte die Lichtnelke. „Umsonst kriegt man in dieser Welt nichts. Aber wir wollten von meinen Eiern und nicht von deinen Jungen reden.“
„Also du hast auch Eier?“ fragte der Buchfink höflich.
„Allerdings,“ sagte die Lichtnelke. „Aus deinen Eiern entstehen Junge, aus den meinen Samen. Aber zuerst muß der Staub aus den Staubgefäßen auf sie fallen. Sonst kommt nichts dabei heraus. So ist’s mit mir, und so ist’s mit allen Blumen. Und die Bienen und Schmetterlinge und alle die andern Insekten tragen den Staub zwischen uns hin und her.“
„Aha!“ sagte der Buchfink mit einem Pfiff. „Nun fang’ ich an, die Sache zu verstehen. Sie kommen zu euch, um Honig zu holen, und sie nehmen den Blütenstaub mit!“
„Ganz recht!“ erwiderte die Lichtnelke. „Der Staub bleibt an den Haaren ihres Körpers hängen, an Flügeln und Beinen. Wenn sie dann zu einer[S. 197] andern Blüte kommen und in ihr nach Honig wühlen, so reiben sie den Staub von sich ab, er fällt auf die Eier, und aus den Eiern werden Samen.“