„Die Sache ist wirklich spannend!“ sagte das Blei. „Hat man sie gefunden? Schnell. Du siehst, wie ungeduldig wir sind.“
„Laß mich doch erst mal zu Atem kommen, es eilt doch gar nicht so. Wir werden ja wohl hundert Jahre hier liegen können, ehe ein Mensch kommt und uns findet.“
„Kann sein,“ sagte das Eisen. „Aber vielleicht kommt auch schon morgen ein Mensch hierher.“
„Allerdings hat man sie gefunden,“ erzählte nun der Dukaten weiter. „Die Polizei suchte in allen Winkeln der Stadt und entdeckte sie schließlich ganz draußen in einem Vorort. Dort lebte sie mit ihrem kleinen Knaben und ernährte ihn und sich durch Musikunterricht. Der Knabe war jetzt zwölf Jahre alt und sah wie ein richtiges Grafenkind aus. Aber er kannte seine Herkunft nicht. Sie meinte, es sei früh genug, wenn er es als erwachsener Mensch erführe, wer sein Vater sei. Nun, das Geld schlug sie wiederum ab, wie sie es schon immer getan hatte. Die alte Truhe aber nahm sie an, weil der alte Graf ja immer gut zu ihr gewesen war und getan hatte, was er konnte, um das Unrecht seines Sohnes wieder gutzumachen.“
„Und in der Truhe warst du?“ fragte das Eisen.
„Allerdings,“ erwiderte der Dukaten. „Aber das wußte niemand. Ich lag ja in meiner Spalte, wo ich die ganze Zeit über gelegen hatte. Alle die andern Dukaten, die vorher in derselben Schublade gewesen waren, waren jetzt fort, draußen in der Welt, ich aber saß gut fest. Es wurden Papiere in die Schublade hineingelegt, sie wurde auf- und zu[S. 123]gemacht, und die Klappen wurden gleichfalls geöffnet und geschlossen; doch an mich dachte niemand, weil niemand etwas von mir wußte. Manchmal dachte ich selber, daß ich nie mehr ans Tageslicht kommen werde oder wenigstens erst, wenn die alte Truhe auseinanderfallen würde. Und das hatte noch gute Weile; denn sie war aus starkem Eichenholz gemacht.“
„Du langweiltest dich also?“ fragte das Silber.
„Gewissermaßen ja. Manchmal ärgerte es mich natürlich, wenn ich daran dachte, wie meine Kameraden in der Welt herumrollten. Aber das war immer nur ein vorübergehendes Gefühl. Denn es war so gemütlich bei den beiden Menschenkindern. Alle Abend saßen sie zusammen in der Stube; und da die Klappe der Truhe immer heruntergeschlagen war, so konnte ich jedes Wort hören, das sie sagten; und durch die Spalte, in der ich lag, konnte ich ja auch ein wenig sehen. Oft, wenn das Licht auf die Truhe fiel, kam es mir wunderlich vor, daß sie mich nie an meinem Glanze entdeckten. Aber das war nicht der Fall. Jahr auf Jahr verging, der Knabe wuchs heran, und alles verlief gut.“
„Ich finde deine Geschichte sehr einförmig,“ sagte der Adler gähnend.
„Alles in allem, bist du der schlimmste von uns,“ entgegnete ihm das Silber. „Du kannst nie Spannung und Unglück genug kriegen.“