„Ja, sag’ es mir, wenn du kannst,“ entgegnete der Dukaten. „Ich weiß es nicht. Aber noch nie hab’ ich einen froheren Menschen als den alten Geizhals und Wucherer gesehn. Ich habe viele Menschen gesehn, die verzweifelt und unglücklich waren vor Hunger, Krankheit, Liebeskummer oder aus andern Gründen. Aber dieser alte Mann wußte nichts von[S. 110] Hunger; er hatte niemanden lieb, und er hatte keine Wünsche und keine Sehnsucht. Wenn er nur über seinem Golde saß, dann war alles gut.“
„Geschah ihm nie etwas?“ sagte der Adler. „Er starb wohl schließlich, da du ja doch von ihm fortkamst?“
„Ich erinnere mich, als ob es heute wäre, an etwas, was er erlebte,“ antwortete der Dukaten. „Allen andern Menschen wäre es nahe gegangen, aber er machte sich nichts daraus. Er schloß sich einfach ein, nahm seine lieben Dukaten vor und war gleich wieder froh wie immer.“
„Erzähle!“ sagte das Eisen.
„Seine Tochter kam häufig zu ihm — einmal wöchentlich wohl.“
„Also er hatte eine Tochter!“ rief der Adler. „Dann muß er doch einmal Mensch gewesen sein.“
„Davon weiß ich nichts. Das war vor meiner Zeit. Aber, wie gesagt, die Tochter besuchte ihn; und dann zankten sie sich, daß es grauenhaft anzuhören war. Manchmal schrien sie beide, manchmal war nur der eine von ihnen heftig, während der andere stöhnte und jammerte.“
„Hast du das mitangesehen?“ fragte der Adler.
„Das hab’ ich schön bleiben lassen. Ich habe niemanden gesehn, denn niemand durfte mich ja sehn. Sobald das geringste Geräusch auf der Treppe ertönte, wurden wir verwahrt, der Deckel wurde zugeschlagen und der Schlüssel aus dem schloß gezogen. Aber ich hörte sie alle, hörte sie klagen und um Aufschub bitten; und ich hörte auch drohen und schelten; aber das half alles nichts. Und ich vernahm die dünne, scharfe Stimme meines Herrn[S. 111] — ich hörte ihr immer gleich an, was der, mit dem er sprach, zu erwarten hatte.“
„Ich denke, du wolltest von der Tochter erzählen,“ sagte das Eisen.