„Dahinter steckt irgend etwas,“ sagte der Adler. „Glaubt mir, es wird alles an den Tag kommen.“
„Na, bist du wieder da, alter Adler?“ rief der Bleiklumpen und lachte. „Aber laß uns hören, was uns der Dukaten zu erzählen hat!“
„Ich bin weder gestohlen noch geraubt noch durch falsches Spiel gewonnen worden. Geradeswegs bin ich von Hand zu Hand gegangen in Handel und Wandel, bis ich bei einem landete, der mich behielt. Ich wurde einem Handwerker ausbezahlt als Lohn für seine Arbeit. Aber nur einen einzigen Tag lang lag ich in seiner Schublade. Dann nahm[S. 107] er mich heraus, betrachtete mich lange und seufzte tief. Seine Frau stand weinend daneben, und sieben Kinder mit hungrigen Mündern waren um sie herum. Aber es half nichts. Er mußte mich forttragen zu einem alten Wucherer, der ihm Geld geliehen hatte. Die Möbel des Mannes bildeten die Bürgschaft; und wenn er nicht zahlte, so nahm der Wucherer die Möbel. Es war der letzte Termin, — und doch konnte ich die Schuld noch nicht ganz decken. Und der Mann mußte den Wucherer anbetteln, ihm zur Bezahlung des kleinen Restes, der noch übrig blieb, Aufschub zu geben. Der wurde ihm gewährt, wogegen er blutige Zinsen versprach. Die Geschichte endigte damit, daß der unglückliche Mann nicht zahlen konnte, alles verlor, was er besaß, und sich aus Kummer darüber, daß er den Seinen kein Brot schaffen konnte, erhängte. Ich hörte es ihn zu dem Wucherer sagen, daß er’s tun wollte, als er das letztemal bei ihm war. Und am nächsten Tage las der Wucherer es in der Zeitung, ohne eine Miene zu verziehen.“
„Schrecklich!“ Der Adler sagte es. „Und das nennst du nicht ein ebenso grauenhaftes Schicksal wie das deines Kollegen?“
„Ach was — Schicksal! Ein Dukaten hat kein Schicksal. Ich war ja nur ganz kurze Zeit bei dem Handwerker. Möchte man über alles gleich heulen, so würde man sich aufreiben. Aber es ist allerdings mein einziges großes Erlebnis, da ich von da an viele Jahre hindurch in der Geldtruhe des Wucherers liegen blieb. Trotzdem hab’ ich ja mancherlei vom Leben gesehen.“
„Erzähle!“ sagte das Eisen.
„Erzähl’! Erzähl’!“ riefen auch das Blei und das Kupfer und das Silber.
„Ja... seht ihr... jeden Abend und im übrigen auch sonst oft am Tage schloß er die Truhe auf .... sobald er allein war, versteht ihr, und sicher war, daß niemand ihn belauern konnte. Dann nahm er uns alle heraus und breitete uns auf seinem Tische aus. Viele, viele Dukaten waren es, und Scheine und Papiere, die ebensoviel wert waren wie rotes Gold.“