„Wer wird euch beachten, wenn ich hier bin!“ erwiderte das Gold.
Der Adler sagte nichts, denn eine Kugel pfiff an seinem Kopfe vorbei. Er lüftete die Flügel und schwebte in großen Kreisen hoch über Schußweite empor. Erst als es Abend wurde, wagte er es, zu seiner Felsenspitze zurückzukehren.
Dort saß er und sah melancholisch über das Tal hin.
Als der kurze Sommer vorüber war, wurde es nicht besser. Die, die Glück gehabt hatten, waren fortgezogen, und auch der Gastwirt packte sein Zelt auf den Wagen und fuhr von dannen, reicher als alle andern. Aber viele blieben zurück.
Sie konnten die Hoffnung nicht aufgeben.
Der eine hatte etwas gefunden und meinte, es müsse noch mehr folgen. Der andre hatte nichts gefunden und hoffte dennoch. Ein andrer hatte seinen glücklich eroberten Schatz verpraßt und dann sein Tun bitter bereut und sich gelobt, verständiger zu sein, wenn das Glück ihm noch einmal hold wäre.
So gruben und gruben sie in der gefrorenen Erde, bis der Schnee sie eines Tages überraschte.
Doch noch ließen sie den Mut nicht sinken. Große Feuer flammten allerorten im Tale auf.[S. 92] Aber sie reichten nicht aus, um die Unglücklichen zu erwärmen. Der Schneesturm brauste, — aber sie fanden den Weg nicht mehr, der sie aus dem bösen Lande hinausführte.
Rings starben sie wie Fliegen, und die Leichen blieben unbegraben, während die Überlebenden wie wilde Tiere um einen Bissen Brot oder einen Schluck Branntwein kämpften. Und die wilden Tiere selber kamen und fraßen die Leichen vor den Augen der Lebenden... Wölfe und Füchse, Geier und Bären. Die Sperlinge kamen, wie sie immer dahin kommen, wo Menschen sind, sahen sich aber bitter enttäuscht. Denn sie fanden keine freundlichen Gärten vor, in denen sie Obst hätten stehlen können... keine Getreidefelder... keine Hausfrau, die der Vöglein gedachte, wenn sie mit den Ihren warm und wohlgeborgen im Hause saß.
Und wieder wurde es Sommer, und neue Scharen trafen ein aus allen Teilen der Welt.
Dieselbe Geschichte begann von neuem, nur grauenhafter und schrecklicher war alles. Denn jetzt war nicht mehr so viel Gold vorhanden; und das, was da war, war so in die Felsen eingekeilt und so gut verborgen, daß es ungeheure Mühe kostete, es zutage zu fördern.
Die Folge davon war, daß die Goldgräber noch mehr Enttäuschungen und Kummer erlebten als im vorigen Jahre. Viele gaben sich selbst den Tod und verwünschten sterbend diejenigen, die ihnen das böse Land als einen so glücklichen Ort geschildert hatten, wo sie sich nur zu bücken brauchten, um reich zu werden.
Als der Winter kam, lag das Land voller[S. 93] Leichen. Ein Einsamer schleppte sich mühsam über die Berge fort und kehrte in die Heimat zurück, wo er erzählte, daß kein Gold mehr zu finden sei.
Der Adler aber saß hoch auf seiner Felsenspitze und überschaute das ganze.