In den andern Nächten auf ihrer Flucht hatte der Jüngere stets seinen Mantel über ihn ausgebreitet. Heute tat er das nicht. Er sah gar nicht nach ihm hin, dachte nicht an ihn, sondern starrte bloß auf den Goldklumpen, der im Sternenschimmer noch größer und seltsamer aussah.
„Seht ihr, was ich gesagt habe?“ rief der Adler.
„Ich leuchte,“ fiel der Goldklumpen ein.
„Nach mir sieht niemand,“ jammerte der Bleiklumpen verzagt.
Und als die Nacht vorschritt und die Sterne immer heller strahlten und das Gold leuchtete und leuchtete, da ereignete sich etwas Seltsames und Furchtbares zugleich.
Der jüngere der beiden Männer erlebte eine innere Umwandlung. Niemand kann erklären, wie es zuging; er selber am allerwenigsten. Bis zu seinem Tode blieb es ihm ein fürchterliches Rätsel. Aber wie er da so saß und auf den Goldklumpen starrte, und wie er dann den Kopf wandte und seinen schlafenden Freund betrachtete, da erfüllte sich das Geschick an ihm von Minute zu Minute und von Stunde zu Stunde.
Er hatte seinen Freund ehrlich geliebt; und weil er ihn liebte, hatte er ihm vergeben, daß er ein Verbrecher geworden war. Er selber hielt seinen Pfad rein. So leid es ihm tat, als er die Tat[S. 85] des Freundes erfuhr — seine Liebe hatte alles überwunden. Um des andern willen hatte er ja selbst ein Verbrechen begangen, indem er ihm zur Flucht verhalf. Und er hatte alles geopfert, um dem Freund zu folgen. Auf der Wanderung hatte er ihn gestützt, wenn er müde war, bei ihm gewacht, wenn er schlief, ihn mit seinem Mantel bedeckt, wenn ihn fror.
Aber als er jetzt da so saß und den Freund und den Goldklumpen betrachtete, da entwich das alles, Stück für Stück, seinem Gedächtnis. Er wußte nichts mehr von seiner Liebe. Der, der da schlafend neben ihm lag, kam ihm auf einmal wie ein Fremder vor.... wie ein Fremder, mit dem er das Gold teilen sollte.
Wäre dieser Fremde nicht gewesen, so hätte der ganze Klumpen ihm ganz allein gehört.
„Seht ihr’s?... Seht ihn an!“ rief der Adler. „Das Gold verwüstet seine Seele.“
„Ich glänze,“ sagte der Goldklumpen.
Und immer verwirrter wurden die Gedanken des Mannes, während das Gold leuchtete, wie es noch nie geleuchtet hatte.
Er starrte auf seinen schlafenden Freund; und ein Gefühl des Hasses beschlich ihn. Wenn er auf das Gold sah, erschien ihm die Welt groß, hell und reich. Und wenn er den Freund ansah, dann wurde das Leben schwer und bitter und elend.