Und die Nachtigall antwortete sofort:
„Gitte ... gitte ... gitte ... git ...
Da drüben hinter der grünen Wand
schläft mein Weibchen in Rosen fein.
Sie liegt auf fünf Eierchen wie gebannt,
und die Eierchen, die sind mein.
Gitte ... gitte ... gitte ... git ...
Wohl keiner den Schatz treuer hüten kann.
Ich aber will für sie singen.
Vielleicht wird der Tag uns dann
fünf hübsche Vögelchen bringen.“
„Ja, du hast dein Teil im Trocknen, liebe Nachtigall,“ sagte das junge Mädchen. „Du denkst nur an dich.“
Dann beugte sie sich so weit, wie sie konnte, aus dem Fenster, sah mit ihren blanken Augen zu den großen Linden auf und sang:
„Lindenblüte ... Lindenblüte ...
du starke und du süße,
dufte über Feld und Pfad
und bring dem Liebsten Grüße!
Sag ihm, hier sei gut zu gehn
Auf den dunkeln Gartenwegen.
Lindenblüte ... Lindenblüte ...
dufte dem Liebsten entgegen!“
Und kaum hatte sie ihr Liedchen zu Ende gesungen, als es in den Linden rauschte und sang:
„Still ... still ... still ...
Ihr müßt hübsch ruhig sein,
Nachtigall und Mägdelein!
Weckt mir nicht meine Blüten auf!
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Wenn sie duften, wenn sie träumen,
über sich die hehren Sterne,
reifen all der Früchte Kerne ...
und der Himmel blickt darauf.“
„Wie schön!“ sagte das junge Mädchen. „Ich höre das gern. Aber was hilft es mir?“
Und die Nachtigall sang wieder, glücklich und lange, und die Linden dufteten süß und stark. Dem jungen Mädchen wurde schwer ums Herz.