„Allerdings,“ sagte der Pfahl bescheiden. „Es[S. 42] hat lange leer gestanden, und wenn Sie heut morgen gekommen wären, hätten Sie’s mit Vergnügen bekommen können. Aber jetzt hab’ ich es gerade vermietet, darum kann ich Ihnen leider nicht damit dienen.“
„Soso!“ erwiderte der Fremde. „Das ist ja recht ärgerlich. Wie heißt denn dein Mieter, wenn ich fragen darf?“
„Die Grabwespe ist’s. Frau Grabwespe. Den ganzen Tag über hat sie Nahrung für ihr Kind gesammelt. Wollen Sie so freundlich sein, hineinzuschauen, so werden Sie sehen, daß das Loch ganz mit ohnmächtigen Marienkäferlarven gefüllt ist.“
„Ja — wahrhaftig!“ rief der Fremde und lachte so unheimlich, daß der alte Pfahl einen Todesschreck bekam.
„Kennen Sie die Grabwespe?“ fragte er.
„Na, das ist ja einer meiner besten Freunde. Wir besuchen einander sehr oft.“
Als der Fremde das gesagt hatte, schlüpfte er ganz in das Loch hinein. Er blieb nur einen Augenblick darin; und als er wieder herauskam, glänzte er so, daß dem Pfahl die Augen ganz weh taten, und er lachte boshaft wie vorher.
„Wollen Sie nicht warten, bis die Grabwespe nach Hause kommt?“ fragte der Pfahl. „Sie erzählte, sie wolle nur ein bißchen ausfliegen, und muß gleich wieder hier sein.“
„Nein, danke,“ erwiderte der Fremde.
„Nicht? Darf ich dann fragen, von wem ich einen Gruß bestellen soll? Es wird der gnädigen Frau sicherlich leid tun, daß ihr der Besuch eines so vornehmen Herrn entgangen ist.“
„Ich bin kein Herr. Ich bin eine Frau. Und du brauchst der Grabwespe nichts zu sagen. Morgen früh komme ich wieder und werde sie dann sicherlich treffen.“
Damit flog sie weg. Und die Sträucher besprachen flüsternd all das Merkwürdige, das der alte Pfahl erlebte, und fanden ihn plötzlich interessant und nett.
„Er ist eigentlich ganz schön,“ sagte der Fliederstrauch. „Seht, wie großartig ihn das grüne Moos kleidet.“
„Ganz schön?“ unterbrach ihn der Goldregen. „Er ist wirklich hübsch, kannst du ruhig sagen.“