In vielen Fällen ist der Magnetismus eines magnetisierten Stahlstabes hauptsächlich nur auf dessen Oberfläche vorhanden. Man hat dies dadurch1 nachgewiesen, dass man einen kurzen Magnetstab in Säure legte, so dass allmählig die äusseren Schichten des metalles aufgelöst wurden. Es stellte sich dabei heraus,2 dass nach der so herbeigeführten Beseitigung einer verhältnissmässig dünnen Stahlschicht der Magnetismus des Stabes fast gänzlich verschwunden war. Ferner verfuhr man in gleicher Hinsicht3 so, dass man ein kurzes, verhältnissmässig dünnwandiges Stahlrohr und einen nach Länge und Durchmesser gleichen Stahlstab gleich stark magnetisierte. Es zeigte sich dann, dass das Stahlrohr fast dieselbe magnetische Kraft besass, wie der volle Magnetstab. Nur bei langen und verhältnismässig dünnen Stäben dringt der Magnetismus vollständig in das Material ein.
Zerbricht man einen Magnetstab, so bilden die Bruchstücke wiederum vollständige Magnete, mit je zwei entgegengesetzten Polen. Denken wir uns diese Teilung so lange fortgesetzt, bis wir den Stab in seine Moleküle zerteilt haben, so werden wir annehmen dürfen, dass auch letztere vollständige Magnete darstellen4 werden.[Pg 54]
Wir stellen in betreff der Konstitution eines magnetischen Körpers die Hypothese auf, dass die Moleküle schon vor der Magnetisierung vollständige Magnete sind, welche aber im natürlichen Zustand infolge der gegenseitigen Anziehung sich so lagern5, dass sich ihre Wirkungen nach aussen gegenseitig aufheben.6 Beim Magnetisieren werden dieselben durch einen äusseren Zwang in gleiche Richtung gedreht, so dass sich nun ihre Wirkungen nach aussen summieren.
Diese Hypothese wird durch folgenden Versuch gestützt. Man füllt ein Glasrohr mit Stahlfeilspänen, verkorkt beide Enden und schüttelt um; das Rohr erscheint nicht magnetisch. Nun magnetisiert man dasselbe, wodurch es die Eigenschaften eines künstlichen Magnets annimmt. Schüttelt man das Rohr hierauf wieder kräftig um, so erscheint es wieder gänzlich unmagnetisch, obgleich die einzelnen Stahlspänchen permanente Magnete geblieben sind.
Wenn es möglich wäre, einen einzelnen Magnetpol, losgelöst von jeder materiellen Masse, herzustellen7, so würde derselbe, in die Nähe eines Magnets gebracht, durch die auf ihn ausgeübte Kraft in Bewegung gesetzt werden. Da er kein Beharrungsvermögen8 besässe, würde er sich in jedem Augenblick genau in der Richtung der auf ihn wirkenden Kraft bewegen, also Bahnen beschreiben, deren Tangente in jedem Punkte der Umgebung des Magnets die Richtung der daselbst wirkenden magnetischen Kraft angeben würden. Nach Faraday nennen wir die Umgebung eines Magnets, in welcher dessen Kraftwirkungen erfolgen, das magnetische Feld, und die soeben definierten Linien, die Kraftlinien des Felds. Bringt man eine kleine Magnetnadel in das magnetische Feld, so werden ihre beiden Pole von entgegengesetzten Kräften angegriffen, weshalb die Nadel[Pg 55] sich in die Richtung der durch ihren Mittelpunkt gehenden Kraftlinie einstellen9 muss.