Da brach Gockel ihm Reiser von einem dort stehenden Wachholderbusch und flocht eine Art Nest daraus, welches er auf die Stufe des Altares setzte. Alektryo legte alle die Beinchen der Gallina und ihrer Jungen in diesem Nest in einen wohlgeordneten Scheiterhaufen zusammen, füllte diesen mit den Federn und legte den Kopf und die Köpfchen der Seinigen darauf.
Indessen blickte Graf Gockel nachdenklicher als je den alten Grabstein an, der hinter dem Altar in der Wand eingemauert war; es war sein erster Ahnherr, der Urgockel, mit einem Hahnen auf der Schulter und einem ABC-Buch in der Hand, in bedeutender Größe darauf abgebildet, und zu seiner linken war an der Mauer eine Reihe von Bildern aus seinem Leben in Stein gehauen. Gockel wußte nicht viel von dem Urgockel und noch weniger von der Bedeutung der Bilder; die Hauschronik war mit dem Schloß verbrannt. Er wußte nur den alten Familiengebrauch, daß die Grafen Gockel immer den Alektryo in Ehren hielten, und daß er ihrem Haus Glück bringe.
Als Alektryo mit der Ordnung der Gebeine seiner Familie fertig war, scharrte er die Erde von einer Marmorplatte, die vor dem Altar am Boden lag, und Gockel reinigte sie vollkommen. Auf dieser Platte waren allerlei Zeichen, wie Hahnen und Hühner sie mit ihren Pfoten im Schnee machen, eingegraben. Alektryo sprach:
Graf Gockel lies,
Was heißet dies?
Gockel konnte aus dem Gekritzel nicht klug werden und sprach:
Alektryo, mein lieber Hahn,
Wie sehr ich auch nachdenken mag,
Kann ich kein Wörtchen doch verstahn
Von dieser Kribbes-Krabbes-Sprach.
Da erwiederte Alektryo:
Der Ur-Alektryo dies schrieb
Dem Ur-Gockelio zu lieb.
Da keine Handschrift konnte lesen,
Noch schreiben Ur-Gockelio,
So ist ihm hier zu Dienst gewesen
Mit Fußschrift Ur-Alektryo.
Sein Lehrer war ein Indian,
Ein Schreiber des Gott Hahnemann,
Die Tinte war der Morgenthau,
Die Federn waren Hahnenpfoten,
Er schrieb auf Paradieses Au
Zum reinen Kikriki die Noten;
Doch als im Eifer eine Sau
Er einstens hat hineingekleckst,
Fiel gleich sein Stamm mit Kind und Frau
Auf lange Zeiten aus dem Text;
Bis er bei Job als Concipist
Ward angestellet auf dem Mist.
Was Hahn zu Hahn hat je gekräht,
Der Schrei noch um die Erde geht;
Was Hahn an Hahn vor Langem schrieb,
Nicht immer ganz verständlich blieb.
Weil Fußschrift auf die Fußschrift trifft,
So ward es Kribbes-Krabbes-Schrift.
Ein jeder liest sich erst hinein
Was er sich gern heraus möcht' lesen,
Oft giebt ein Strich, ein Pünktlein klein,
Dem ganzen Sinn ein andres Wesen.
So ward auch hier der dunkle Spruch
Aus dein und meinem Schicksalsbuch,
Der auch auf deinem Wappen steht,
Von Schriftgelehrten bös verdreht;
Doch weil ich kräh' nach Tradition,
So kann ich noch mein Lektion.
Nun las Alektryo ihm folgende Worte von der Marmorplatte:
Alektryo bringt dir Glück selbst um Undank.
O Gockel hau ihm den Kopf ab,
Schneid' ihm den Kropf auf, Salomo's
Siegelring Jedem noch Brod gab.