Von Anfang wollte dies alles dem jungen Almansor gar wunderlich bedünken; aber bald sah er ein, daß solche Stunden, wenn er in die Gedanken des Alten sich fügte, sehr nützlich für ihn seien. Durfte er beim Doktor kein ägyptisches Wort sprechen, so war hier die fränkische Sprache sehr verboten. Almansor mußte beim Eintreten den Friedensgruß sprechen, den der alte Perser sehr feierlich erwiderte; dann winkte er dem Jüngling, sich neben ihn zu setzen, und begann Persisch, Arabisch, Koptisch und alle Sprachen untereinander zu sprechen und nannte dies eine gelehrte morgenländische Unterhaltung. Neben ihm stand ein Bediensteter oder, was sie an diesem Tage vorstellten, ein Sklave, der ein großes Buch hielt; das Buch war aber ein Wörterbuch, und wenn dem Alten die Worte ausgingen, winkte er dem Sklaven, schlug flugs auf, was er sagen wollte, und fuhr dann zu sprechen fort.
Die Sklaven aber brachten in türkischem Geschirr Sorbet und dergleichen, und wollte Almansor dem Alten ein großes Vergnügen machen, so mußte er sagen, es sei alles bei ihm angeordnet wie im Morgenland. Almansor las sehr schön Persisch, und das war der Hauptvorteil für den Alten. Er hatte viele persische Manuskripte; aus diesen ließ er sich von dem Jüngling vorlesen, las aufmerksam nach und merkte sich auf diese Art die richtige Aussprache.
Das waren die Freudentage des armen Almansor; denn nie entließ ihn der alte Professor unbeschenkt, und oft trug er sogar kostbare Gaben an Geld und Leinenzeug oder anderen notwendigen Dingen davon, die ihm der Doktor nicht geben wollte. So lebte Almansor einige Jahre in der Hauptstadt des Frankenlandes, und nie wurde seine Sehnsucht nach der Heimat geringer. Als er aber etwa fünfzehn Jahre alt war, begab sich ein Vorfall, der auf sein Schicksal großen Einfluß hatte.
Die Franken nämlich wählten ihren ersten Feldherrn, denselben, mit welchem Almansor so oft in Ägypten gesprochen hatte, zu ihrem König und Beherrscher; Almansor wußte zwar und erkannte es an den großen Festlichkeiten, daß etwas dergleichen in dieser großen Stadt geschehe; doch konnte er sich nicht denken, daß der König derselbe sei, den er in Ägypten gesehen; denn jener Feldherr war noch ein sehr junger Mann. Eines Tages aber ging Almansor über eine jener Brücken, die über den breiten Fluß fahren, der die Stadt durchströmt; da gewahrte er in dem einfachen Kleid eines Soldaten einen Mann, der am Brückengeländer lehnte und in die Wellen sah. Die Züge des Mannes fielen ihm auf, und er erinnerte sich, ihn schon gesehen zu haben. Er ging also schnell die Kammern seiner Erinnerung durch, und als er an die Pforte der Kammer von Ägypten kam, da eröffnete sich ihm plötzlich das Verständnis, daß dieser Mann jener Feldherr der Franken sei, mit welchem er oft im Lager gesprochen und der immer gütig für ihn gesorgt hatte. Er wußte seinen rechten Namen nicht genau; er faßte sich daher ein Herz, trat zu ihm, nannte ihn, wie ihn die Soldaten unter sich nannten, und sprach, indem er nach seiner Landessitte die Arme über der Brust kreuzte: "Salem aleikum, Petit-Caporal!"
Der Mann sah sich erstaunt um, blickte den jungen Menschen mit scharfen Augen an, dachte über ihn nach und sagte dann: "Himmel, ist es möglich! Du hier, Almansor? Was macht dein Vater? Wie geht es in Ägypten? Was führt dich zu uns hierher?"
Da konnte sich Almansor nicht länger halten; er fing an, bitterlich zu weinen, und sagte zu dem Mann: "So weißt du also nicht, was die Hunde, deine Landsleute, mit mir gemacht haben, Petit-Caporal? Du weißt nicht, daß ich das Land meiner Väter nicht mehr gesehen habe seit vielen Jahren?"
"Ich will nicht hoffen", sagte der Mann, und seine Stirne wurde finster, "ich will nicht hoffen, daß man dich mit hinwegschleppte."
"Ach, freilich", antwortete Almansor, "an jenem Tage, wo Eure Soldaten sich einschifften, sah ich mein Vaterland zum letztenmal; sie nahmen mich mit sich hinweg, und ein Hauptmann, den mein Elend rührte, zahlt ein Kostgeld für mich bei einem verwünschten Doktor, der mich schlägt und halb Hungers sterben läßt. Aber höre, Petit-Caporal", fuhr er ganz treuherzig fort, "es ist gut, daß ich dich hier traf, du mußt mir helfen."
Der Mann, zu welchem er dies sprach, lächelte und fragte, auf welche
Weise er denn helfen sollte.
"Siehe", sagte Almansor, "es wäre unbillig, wollte ich von dir etwas verlangen; du warst von jeher so gütig gegen mich, aber ich weiß, du bist auch ein armer Mensch, und wenn du auch Feldherr warst, gingst du nie so schön gekleidet wie die anderen; auch jetzt mußt du, nach deinem Rock und Hut zu urteilen, nicht in den besten Umständen sein. Aber da haben ja die Franken letzthin einen Sultan gewählt, und ohne Zweifel kennst du Leute, die sich ihm nahen dürfen, etwa seinen Janitscharen-Aga oder den Reis-Effendi oder seinen Rapudan-Pascha; nicht?"
"Nun ja", antwortete der Mann, "aber wie weiter?"