Der Bürgermeister war derselben Meinung und machte sich sogleich auf
den Weg zu dem Fremden, der ein Zauberer sein mußte, und sechs
Stadtsoldaten trugen den Affen; denn der Fremde sollte sogleich ins
Verhör genommen werden.
Sie kamen, umgeben von einer ungeheuren Anzahl Menschen, an das öde Haus; denn jedermann wollte sehen, wie sich die Sache weiter begeben würde. Man pochte an das Haus, man zog die Glocke, aber vergeblich, es zeigte sich niemand. Da ließ der Bürgermeister in seiner Wut die Türe einschlagen und begab sich hierauf in die Zimmer des Fremden. Aber dort war nichts zu sehen als allerlei alter Hausrat. Der fremde Mann war nicht zu finden. Auf seinem Arbeitstisch aber lag ein großer, versiegelter Brief, an den Bürgermeister überschrieben, den dieser auch sogleich öffnete. Er las:
"Meine lieben Grünwieseler!
Wenn Ihr dies leset, bin ich nicht mehr in Eurem Städtchen, und Ihr werdet dann längst erfahren haben, wes Standes und Vaterlandes mein lieber Neffe ist. Nehmet den Scherz, den ich mit Euch erlaubte, als eine gute Lehre auf, einen Fremden, der für sich leben will, nicht in Eure Gesellschaft zu nötigen. Ich selbst fühlte mich zu gut, um Euer ewiges Klatschen, um Eure schlechten Sitten und Euer lächerliches Wesen zu teilen. Darum erzog ich einen jungen Orang-Utan, den Ihr als meinen Stellvertreter so liebgewonnen habt. Lebet wohl und benützet diese Lehre nach Kräften!"
Die Grünwieseler schämten sich nicht wenig vor dem ganzen Land. Ihr Trost war, daß dies alles mit unnatürlichen Dingen zugegangen sei. Am meisten schämten sich aber die jungen Leute in Grünwiesel, weil sie die schlechten Gewohnheiten und Sitten des Affen nachgeahmt hatten. Sie stemmten von jetzt an keinen Ellbogen mehr auf, sie schaukelten nicht mit dem Sessel, sie schwiegen, bis sie gefragt wurden, sie legten die Brillen ab und waren artig und gesittet wie zuvor, und wenn je einer wieder in solche schlechten, lächerlichen Sitten verfiel, so sagten die Grünwieseler: "Es ist ein Affe." Der Affe aber, welcher so lange die Rolle eines jungen Herrn gespielt hatte, wurde dem gelehrten Mann, der ein Naturalienkabinett besaß, überantwortet. Dieser läßt ihn in seinem Hof umhergehen, füttert ihn und zeigt ihn als Seltenheit jedem Fremden, wo er noch bis auf den heutigen Tag zu sehen ist.
Es entstand ein Gelächter im Saal, als der Sklave geendet hatte, und auch die jungen Männer lachten mit. "Es muß doch sonderbare Leute geben unter diesen Franken, und wahrhaftig, da bin ich lieber beim Scheik und Mufti in Alessandria als in Gesellschaft des Oberpfarrers, des Bürgermeisters und ihrer törichten Frauen in Grünwiesel!"
"Da hast du gewiß recht gesprochen", erwiderte der junge Kaufmann.
"In Frankistan möchte ich nicht tot sein. Die Franken sind ein rohes,
wildes, barbarisches Volk, und für einen gebildeten Türken oder
Perser müßte es schrecklich sein, dort zu leben."
"Das werdet ihr bald hören", versprach der Alte, "so viel mir der
Sklavenaufseher sagte, wird der schöne junge Mann dort vieles von
Frankistan erzählen; denn er war lange dort und ist doch seiner
Geburt nach ein Muselmann."
"Wie, jener, der zuletzt sitzt in der Reihe? Wahrlich, es ist eine Sünde, daß der Herr Scheik diesen losgibt! Es ist der schönste Sklave im ganzen Land; schaut nur dieses mutige Gesicht, dieses kühne Auge, diese schöne Gestalt! Er kann ihm ja leichte Geschäfte geben; er kann ihn zum Fliegenwedeler machen oder zum Pfeifenträger; es ist ein Spaß, ein solches Amt zu versehen, und wahrlich, ein solcher SkIave ist die Zierde von einem ganzen Haus. Und erst drei Tage hat er ihn und gibt ihn weg? Es ist Torheit, es ist Sünde!"
"Tadelt ihn doch nicht, ihn, der weiser ist als ganz Ägypten!" sprach der Alte mit Nachdruck. "Sagte ich euch nicht schon, daß er ihn losläßt, weil er glaubt, den Segen Allahs dadurch zu verdienen? Ihr sagt, er ist schön und wohlgebildet, und ihr sprecht die Wahrheit. Aber der Sohn des Scheik, den der Prophet in sein Vaterhaus zurückbringen möge, der Sohn des Scheik war ein schöner Knabe und muß jetzt auch groß sein und wohlgebildet. Soll er also das Gold sparen und einen wohlfeilen, verwachsenen Sklaven hingeben in der Hoffnung, seinen Sohn dafür zu bekommen? Wer etwas tun will in der Welt, der tut es lieber gar nicht oder—recht!"
"Und sehet, des Scheik Augen sind immer auf diesen Sklaven geheftet; ich bemerkte es schon den ganzen Abend. Während der Erzählungen streifte oft sein Blick dorthin und verweilte auf den edlen Zügen des Freigelassenen. Es muß ihn doch ein wenig schmerzen, ihn freizugeben."
"Denke nicht also von dem Mann! Meinst du, tausend Tomans schmerzen ihn, der jeden Tag das Dreifache einnimmt?" sagte der alte Mann. "Aber wenn sein Blick mit Kummer auf dem Jüngling weilt, so denkt er wohl an seinen Sohn, der in der Fremde schmachtet; er denkt wohl, ob dort vielleicht ein barmerziger Mann wohne, der ihn loskaufe und zurückschicke zum Vater. "
"Ihr mögt recht haben", erwiderte der junge Kaufmann, "und ich schäme mich, daß ich von den Leuten nur immer das Gemeinere und Unedle denke, während Ihr lieber eine schöne Gesinnung unterlegt. Und doch sind die Menschen in der Regel schlecht, habt Ihr dies nicht auch gefunden, Alter?"