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Siegfried, der Held-6. Kapitel
日期:2023-08-09 11:37  点击:271
Wie Siegfried und Kriemhild der Einladung nach Worms folgten, wie die Königinnen sich schalten und Siegfried ermordet wurde
 
Am Niederrhein lag Xanten mit seinem Dom und seiner Königsburg, und seine saftigen Weiden, auf denen die Glocken der Rinderherden läuteten, streckten sich weit bis ins Niederland hinein, und die grünschimmernden Wälder luden auf viele Meilen hinaus zu fröhlicher Jagd. Es war ein liebliches Land voll Ruhe und Frieden, und der Rhein strömte langsam hindurch, als könnte er sich nicht trennen von diesen glücklichen Ufern.
 
Hier herrschte Siegfried als König, und seine Macht reichte weit und reichte über das ganze angrenzende Sachsenland hinaus, denn Lüdeger war gestorben und Siegfried sein Erbe.
 
Hier lebte Kriemhild in Liebe und Wohlsein, und oft war es ihr, als ob das Schicksal neidisch werden müßte auf ihr Glück, denn sie hatte dem Gatten zwei Kinder geschenkt, einen Sohn und ein Mägdlein, die waren der Eltern größter Stolz.
 
Aber die Jahre gingen hin in lauter Sonne, die Kinder gediehen, und immerwährender Friede blieb dem Lande, denn alle Nachbarn kannten Siegfrieds rasche und feste Hand und trauten sich nicht an ihn.
 
Oft saß Kriemhild auf Siegfrieds Schoß geschmiegt, und die Kinder spielten zu ihren Füßen, und das blühende Land duftete zu ihnen herauf. Dann saßen sie ganz still und freuten sich, daß einer des anderen Herzschlag vernahm, und reichten sich wohl den Mund zu langem, stummem Kusse.
 
Zu Worms am Rhein aber war das Leben weiter gelaufen ohne rechte, innere Fröhlichkeit, und je mehr die Jahre sich zwischen Siegfrieds heimlicher Abreise und der neuen Gegenwart legten, desto tiefer fraß sich der Haß in Brunhilds Seele. Längst grübelte sie über nichts anderes mehr, als wie sie den Helden treffen und vernichten könne, und wenn sie den schwächlichen Sohn ansah, den sie Gunther geschenkt hatte, und die Kunde ihr von Siegfrieds starken Kindern erzählte, wurde ihr Haß zur sinnlosen Qual. Da trat sie vor König Gunther mit geschickter Verstellung und sprach zu ihm:
 
»Wie lange ist es, daß wir nichts mehr von Siegfried erfuhren, wie lange, daß ich meiner lieben Schwägerin Kriemhild sonniges Antlitz nicht mehr sah. Dafür, daß Siegfried dein Lehnsmann ist, weilt er reichliche Zeit fern von Worms und seinem Herrn und die süße Kriemhild fern von unserer Sehnsucht. Ich bitte dich herzlich, laß Boten nach Xanten gehen, die das ersehnte Paar nach Worms laden zur Feier des Sonnenwendfestes und in unsere Arme.«
 
So sprach die Trügerische, und Gunther wagte nicht, ihrem Wunsche entgegen zu sein, aus Furcht, sie könne erfahren, daß er keine Lehnsmacht über Siegfried besitze und Brunhild ihn verachte. Darum hieß er die Boten reiten, und sie ritten viele Tage den Rhein hinab und kamen nach Xanten und fanden Siegfried und Kriemhild in ihrem Glück.
 
Nibelungs Ring trug die schöne Königin am Finger, und der Ring glitzerte tückisch auf, als die Boten in den Thronsaal traten und in warmen Worten Gunthers und Brunhilds Einladung zu Gehör brachten.
 
Großes Heimweh ergriff Kriemhilds weiche Seele, als die Boten von Worms sprachen und von Frau Ute, der harrenden Mutter, von Gernot und Geiselher, den lieben Brüdern, von allen Gespielen und Plätzen der Kindheit. Eine Träne hängte sich schwer an ihre Wimper und fiel in ihren Schoß.
 
Siegfried sah es, und schon hatte er sich entschieden.
 
»Saget,« so rief er mit frohem Sinn, »König Gunther und Königin Brunhild, saget Frau Ute und Gernot und Geiselher und allen liebwerten Recken und Helden, daß wir uns herzlich ihrer Gunstbezeigung freuen und mit Dank der Einladung folgen werden. Auf Wiedersehen, ihr guten Boten, zum Sonnenwendfest zu Worms am Rhein. Da wollen wir Freude trinken!«
 
Und er beschenkte die Boten zur Heimreise reich, und Frau Kriemhild fiel ihm lachend um den Hals.
 
Das war ein lustig Rüsten zur Sommerfahrt an den Rhein. In neuen Gewändern stolzierten die Ritter, und die Rosse wieherten unter funkelndem Geschirr. Die Troßjungen pfiffen muntere Lieder, und nur Mime, der Schmied, dem man die Botschaft in den Wald gesandt hatte, kam in alter, eiserner Rüstung und mit sorgenvollem Gesicht. Siegfried aber wollte nichts von Abraten wissen.
 
»Der Menschen Herzen läutern sich mit den Jahren,« gab er Mime zur Antwort. »Wie darf ich Schlechtes von ihnen denken, wenn mein Herz nicht selbst schlecht sein will. Und höre, du Treuer: Frau Kriemhild freut sich der Fahrt.«
 
Da ritt Mime in seinem alten Eisenharnisch an der Spitze der prunkvoll gekleideten Ritter, dicht hinter Siegfried und Kriemhild, und der alte König Siegmund blieb mit den Enkelkindern zurück und führte die Regierung des Landes. Siegfried aber sang an Kriemhilds Seite so hell wie in Jugendtagen, und die Leute staunten dem schönen Helden nach, und sein Bild machte aller Herzen fröhlich. Singend zog er durch die Lande, als wäre er der Frühling.
 
So erreichten sie Worms, die stolze Stadt, und wurden von den Burgundenfürsten und Völkern mit Jubel empfangen.
 
Brunhild aber dachte schon nach kurzem, wie sie Kriemhild kränken könnte.
 
Strahlend saß Siegfrieds schöne Frau neben Gunthers Königin in geschmückter Turnierloge. Da ritten und rangen die Ritter und Herren um hohen Preis unter den Augen der Fürstinnen. Und als Siegfried immer wieder mit leichter Hand den Sieg errang, fragte Brunhild die strahlende Schwägerin:
 
»Wie kommt es, liebe Schwester, daß man gar so selten von euch hört?«
 
Und Kriemhild antwortete fröhlich: »Wir wußten nicht, ob wir euch willkommen waren.«
 
Da sagte Brunhild und hob hochmütig den Kopf.
 
»Nun, wenn ihr nicht, so doch der Lehnszins, den ihr uns all die Jahre schuldet.«
 
Ganz blaß wurde Kriemhild, und ein Zittern lief ihr über den Leib. Denn sie fühlte, daß ihres Bruders Frau sie absichtlich verletzen wollte. Und der Stolz ging ihr hoch, daß auch sie den Kopf zurückwarf und mit größerer Schärfe sprach:
 
»Ihr irrt Euch, edle Frau, mein Herr Siegfried ist keinem zinsbar als in Liebe mir.«
 
»So sollte,« fragte Brunhild spottend, »der starke Held Euch verschwiegen haben, daß er meines Herrn Gunther Dienstmann ist?«
 
Wohl atmete Kriemhild schwer, aber sie beherrschte sich und sprach:
 
»Man hat Euch ein Märlein aufgebunden, edle Frau.«
 
Da eiferte Brunhild: »Ich weiß es von Gunther, Eurem Bruder. Wollt Ihr den König Lügen strafen?«
 
Und Kriemhild wiederholte mit bebenden Lippen: »Man hat Euch trotzdem ein Märlein aufgebunden.«
 
Brunhild aber erhob sich hochmütig von ihrem Platze. »Wir sprechen uns noch ein andermal,« raunte sie heftig, »und ich werde Euch Eure Stellung schon anweisen, vielwerte Schwägerin.«
 
Den Schleier wand Kriemhild um ihr Gesicht, damit man nicht ihre zornigen Tränen gewahre. Aber Siegfried gewahrte sie doch, als er am Abend in ihr Zimmer trat, und sie sagte ihm alles, was sich zugetragen hatte. Da lachte der Held belustigt, denn er hatte schwerere Unbill erwartet, und er untersagte seiner Frau, sich mit Brunhild zu streiten.
 
»Es ist schlimm, wenn der Gastgeber seine Pflichten verletzt, schlimmer aber, wenn der Gast zänkisch und undankbar erscheint.«
 
So sprach der erfahrene Mann. In seinem Herzen zwar begriff auch er nicht Gunthers Schweigen.
 
Hell schimmerte der Morgen des Sonnwendtages über Worms empor, und die Glocken riefen durch die Lüfte zum feierlichen Hochamt im Münster. In ihren festlichsten Gewändern zogen die Recken zur Kirche, und gesondert von ihnen gingen die Frauen in prangenden Kleidern. Schon waren die Könige mit ihrem Gefolge in den Dom getreten, als die Königinnen Brunhild und Kriemhild vor dem Portale zusammentrafen. In purpurne Seide war Gunthers Frau gekleidet, die stand herrlich zu ihrem schwarzen Haar. Siegfrieds blonde Gattin aber sah aus wie der helle Morgen in ihrem lichtblauen Kleide.
 
Als sie dicht nebeneinander die Treppe hinan zum Portale schritten, sprang plötzlich die Königin Brunhild vor und wehrte der Königin Kriemhild mit ihr gemeinsam den Eingang.
 
»Was maßt Ihr Euch an?« schalt sie zornig. »Wißt Ihr nicht, was höfische Sitte gebietet, und daß die edlere Frau den Vortritt hat?«
 
»Wenn es danach ginge,« sprach die Königin Kriemhild, »so müßtet Ihr füglich zurückstehen, denn meines Herrn Siegfried Name steht höher als der König Gunthers.«
 
»Er ist ein Mietling und bezahlter Knecht König Gunthers!« rief die Königin Brunhild und stampfte mit dem Fuße. »Er hielt auf Island den Steigbügel seinem Herrn! Zurück, sage ich, und begebt Euch nach Gebühr in die Reihe der dienenden Frauen!«
 
Da wallte Kriemhilds Fürstenblut hoch auf, und die schönen Arme schüttelnd, rief sie außer sich über die Schmach:
 
»Ihr lügt! Weil Euer Mann ein Schwächling war, gebrauchte Siegfried die Kriegslist und stellte sich hinter den König. Aber auch im Kampfspiel mit Euch stand er hinter ihm. Wähnet Ihr wirklich, Gunther habe Euch besiegt? Siegfried war's, mein Herr und Held Siegfried! Ha, wie Ihr erblaßt! Unsichtbar unter der Tarnkappe bekämpfte Euch mein Herr, und Gunther tat nur die Gebärden, und im Weitsprung trug mein Herr Siegfried gar Euren König unterm Arm durch die Lüfte! Was? Schämt Ihr Euch nun Eurer Frechheit?«
 
Verzerrten Gesichtes starrte die Königin Brunhild auf die Eifernde.
 
»Und Ihr lügt dennoch!« kreischte sie. »Einen Stärkeren als Gunther trägt nicht die Erde, denn ich habe mit ihm um mein Bett gekämpft und furchtbar seine Manneskraft verspürt!«
 
»Siegfrieds Manneskraft habt Ihr verspürt!« jauchzte die Königin Kriemhild ihr ins Gesicht. »Siegfried warf Euch aufs Bette, bis Ihr demütig wurdet und um Gnade betteltet!«
 
»Lügnerin!« schrie die Königin Brunhild noch einmal.
 
Da reckte die Königin Kriemhild ihr die Hand unter die Augen, an der König Nibelungs Ring stak.
 
»Kennt Ihr diesen Ring?« frohlockte sie. »Siegfried nahm ihn Euch, seinen Verlobungsreif holte er sich wieder in der Nacht, da er Euch gebändigt an König Gunther abtrat wie ein altes Gewand!«
Der Streit der Königinnen
Da brach die Königin Brunhild in ohnmächtiger Wut am Portale nieder, und die Königin Kriemhild schritt triumphierend hindurch und schritt als erste in die Kirche. —
 
Nach Hause war Brunhild gewankt und hatte in tobenden Racheplänen gesessen, bis ihr Hagen von Tronje gemeldet wurde, nach dem sie gesandt hatte. Schon wußte der grimme Mann von dem Streit der Frauen.
 
»Hier bin ich,« sagte er, und sein Einauge funkelte. »Sprecht es aus, was geschehen soll. Meine Königin darf nirgendwo und nie die zweite sein.«
 
»So vernahmt Ihr die Schmach, die Kriemhild mir angetan?«
 
»Ich weiß nur,« sprach der finstere Hagen, »daß Kriemhild sterben muß.«
 
»Nein!« rief Brunhild und erhob sich mit hassenden Augen. »Nein, denn zu wenig wäre das. Eine Frau stirbt gern mit dem Stolz auf ihren Mann in der Brust. Schwereres, viel Schwereres gilt es, das tausend Tode wiegt. Den geliebten Mann tot und von Waffen zerrissen vor sich liegen sehen, nie mehr erreichbar dem Ruf der Liebe, nie mehr erreichbar dem Ruf der Not. Und selber sich fortan fühlen als ein Spielball des Geschicks, der Gnade der Menschen preisgegeben. Das Furchtbarste, das eine Frau treffen kann: Kriemhild soll es treffen.«
 
Da sprach der finstere Mann: »Siegfried stirbt noch heute.«
 
Und sie saßen beieinander und besprachen den dunklen Plan. —
 
Mit erregten Worten hatte Siegfried sein Weib zur Rede gestellt und sie hart angefahren, daß sie wie eine schlecht erzogene Zänkerin erwiesene Gastfreundschaft lohne. »Man verläßt ein Haus, in dem man beleidigt wird, aber man beleidigt nicht wieder.«
 
»Deinetwegen tat ich es,« schluchzte Kriemhild in Tränen, »ich tat es um deiner Ehre willen.«
 
Der Herold Sindold klopfte an die Tür und bat den edlen Herrn Siegfried zu seinem Herrn Gunther. Und auf der Stelle folgte ihm der Held. Denn er wünschte sogleich den Streit zu schlichten. Bei König Gunther aber saß Hagen von Tronje, und Hagen von Tronje hatte gesprochen: »Heute noch muß Siegfried sterben, oder Ihr seid der Liebe Eures Weibes und der Achtung Eures Volkes verlustig. Heute noch auf der Jagd. Es gibt keinen Ausweg.« Und König Gunther hatte ihm mit blassen Lippen zugestimmt.
 
Als Siegfried eintrat, erhoben sich die Herren und stellten sich jeder Versöhnung geneigt.
 
»Ich weiß es wohl,« sagte König Gunther, »daß Ihr an den bösen Worten schuldlos seid. Wer urteilt richtig bei einem Zungenkampf von Frauen. Keine will den Zank begonnen, eine jede aber recht zum Schlusse haben. Laßt uns kein Wort mehr darüber verlieren, mein edler Siegfried, und zum Zeichen, daß zwischen uns Männern kein Zwist besteht, allsogleich miteinander aufbrechen, den Tag und Abend bei fröhlichem Weidwerk zu verbringen. Solch Tun wird jede üble Nachrede im Keim ersticken.«
 
Beschämt von so königlicher Güte reichte Siegfried dem Schwager beide Hände.
 
»Nehmt mein Versprechen, daß mein Weib das Eure als erste um Verzeihung bitten soll, sobald sie sich von ihren Tränen erholt hat. Denn ich habe sie hart gescholten.« Und er atmete befreit.
 
Hagen aber ging, die Jäger zusammenblasen zu lassen und Speise und Trank zu bestellen für weidlichen Imbiß im Walde. Und er ging hastig weiter und trat vor Frau Kriemhild.
 
»Vieledle Königin,« rief er fröhlich, »unsere Herren haben sich versöhnt und reiten zur Jagd über den Rhein in den Odenwald. Legt Eurem Herrn Siegfried eilends sein Jagdgewand zurecht, denn gleich brechen wir auf.«
 
Und Kriemhild klagte: »Er wird im Zorne von mir scheiden und darum ein schlechter Jäger sein.«
 
»Ich werde ihn wohl behüten,« versprach Hagen von Tronje. »Auch ist ja seine Haut hörnern und gefeit gegen Waffen der Menschen und Tiere. Bis auf die kleine Stelle, von der die Kunde spricht.«
 
Aber Kriemhild klagte weiter: »O Hagen, teurer Oheim, wie hat mich mein Herr gescholten, und nun ist mir das Herz so schwer, als stünde ein Unglück in der Luft, dicht über meinem Herrn. Oh, wenn ihn ein Eber mit seinen Hörnern packte oder ein wilder Stier mit seinem Gehörn! Die Stelle könnte er treffen, an der Siegfried einzig verwundbar ist, und da mein Herr mir zürnt, werden seine Gedanken nicht beim Weidwerk sein, wie die Gefahr es heischt. O Gott, wie sollte ich die Schuld überleben, wenn ihn etwas träfe.«
 
So klagte die Königin und ihr Herz war ahnungsschwer.
 
Da sprach Hagen zu ihr: »Ich fühle Euch nach, daß Ihr besorgt seid an solchem Tage. Aber ich will Euch Eure Sorgen abnehmen und auf der Jagd nicht von Eurem Herrn weichen. Nehmt ein rotes Fädlein und näht es auf sein Jagdwams, dorthin, wo sich des Helden verwundbare Stelle befindet, und ich will sie getreu mit meinem Schilde hüten.«
 
Mit vielen Dankesworten befolgte die weinende Frau den Rat und nähte ein rotes Kreuzlein auf den Rücken des Wamses. Hagen aber ging, da er Siegfried kommen hörte.
 
In der Mittagsglut fuhren die Jäger über den Rhein, bestiegen ihre Rosse und jagten in den kühlenden Schatten des Waldes hinein. Hussa, wie da Siegfried hinter der Meute stürmte! Hussa, wie sein schallender Weidmannsruf das Wild aufschreckte aus Höhlen und Gestrüpp! Einen riesigen Wisent warf er mit der Lanze um, daß das Ungetüm tot zusammenbrach. Einen Wolf, der ihn ansprang, durchschoß er mit dem Pfeil. Und einen Eber, der schnaufend angerannt kam, schlug er mit Balmung, seinem Schwert, so furchtbar ins Genick, daß der Kopf des Ungeheuers sich vom Rumpfe trennte und augenrollend im Sumpfe lag. Hirsch und Rehwild zu erlegen, überließ er den anderen. Immer weiter jagte er in den dichten Forst, die Jäger hinter ihm. Da hob sich ein Bär von nie gesehener Größe aus seinem Lager auf den Hinterpranken, und die Jäger stoben schreiend von dannen. Siegfried aber sprang vom Pferde, warf sich mit weitgeöffneten Armen auf das Untier, rang es nieder, schnürte ihm die Beine zusammen und schleppte es lebendig auf den Lagerplatz.
 
Und es war ein Rühmen und Jauchzen unter allen Jagdgenossen!
 
Sie saßen um die Lagerfeuer und griffen nach den schmorenden Braten. Da rief Siegfried: »Wo bleibt der Schenk? Die Zunge klebt mir im Munde, so durstig hat mich die wilde Jagd gemacht und der heiße Tag.«
 
Und Hagen wandte sich zu ihm und sprach: »Verzeihet mir, sehr edler Herr Siegfried. Ich trage die Schuld, daß wir dursten müssen, denn ich sandte den Wein versehentlich an eine andere Stelle, die leider weit von dieser liegt.«
 
Das machte den Helden unfroh, und er rief im Unmut: »So wollt Ihr mich denn wirklich verdursten lassen, nachdem ich Euch den Wald gesäubert habe? Das deucht mir schlechter Lohn.«
 
»Tut's für einen Weidmann nicht auch einmal das Wasser?« fragte Hagen begütigend. »Ich weiß hier einen Born, edler Herr, den das köstlichste Quellwasser speist. Befehlet nur, daß ich ihn Euch zeige.«
 
Lachend sprang Siegfried auf, und aller Unmut war verflogen. »Vorwärts, vorwärts,« rief er, »weist ihn nur her!«
 
Da wies ihm Hagen den Brunnen in der Ferne, faßte aber des Helden Gewand und bat um eine Gunst.
 
»Zum Zeichen, daß Ihr mir nicht zürnt, lauft mit mir um die Wette hin. Nie sah ich Euch zu Fuß über die Heide jagen. In dieser Kunst möchte ich mich wohl mit Euch messen.«
 
Und ritterlich antwortete Siegfried: »Ich übte sie oft, und kein Hirsch ist mir zu schnell, daß ich ihn nicht mit den Händen im Laufe griffe. So will ich denn Schild und Schwert und Speer im Wettlauf mit mir tragen, während Ihr ohne Lasten laufen sollt. Auf solche Art mag es sich ausgleichen.«
 
Da stellten sich die Helden nebeneinander hin, und auf Gunthers Zeichen rannten sie dahin wie der Wind, und um eines Speerschusses Länge gelangte Siegfried vor Hagen ans Ziel. Die Waffen warf er zur Seite, und tief beugte er sich über den Brunnen, seinen heißen Durst zu löschen. Nun aber war Hagen herangekommen. Hastig trug er Siegfrieds Waffen ins bergende Dickicht, bis auf den Speer. Den packte er mit eisernen Fäusten und hob ihn hoch. Sein funkelndes Einauge ersah das rote Kreuz, das Kriemhilds sorgende Liebe auf ihres Herrn Wams geheftet hatte, dicht unter den Schulterblättern. Und mit furchtbarer Wucht stieß Hagen von Tronje zu und durchstieß des Helden Rücken und Brust, daß die Schärfe des Speeres aus der Brust und der Schaft aus dem Rücken hervorsah und das Blut zu beiden Seiten hervorschäumte wie reißende Wildbäche.
 
Einen Schrei stieß Siegfried aus, daß Himmel und Erde erbebten, daß selbst der Mörder mit gelähmten Händen stand.
 
»Feiger Verräter! Meuchelmörder!« klang es durch den Wald.
 
Und blutüberströmt warf sich der sterbende Held mit letzter Kraft auf Hagen von Tronje, riß den Erstarrten hoch vom Boden auf und schleuderte ihn in die Steine, daß Hagens ganzer Leib erkrachte und es ihm schwarz vor den Augen wurde.
 
In den Blumen am Quell sank Siegfried nieder, und sein teures Blut entströmte unaufhaltsam.
 
»Kriemhild,« flüsterte er, »süße Frau, ich liebe dich.«
 
Mit blassem Gesicht stürmte Gunther herbei und seine Ritter. »Was geht hier vor?« rief er noch aus der Ferne. »Was ist geschehen?«
 
Und Siegfried schlug die Augen auf und sprach:
 
»Die furchtbarste Untat ist geschehen, die je die Sonne sah. Den treuesten Freund habt Ihr erschlagen lassen, der Euch nur Gutes erwies. Ich aber prophezeie Euch: Mein Tod wird über euch kommen und euch alle verderben.«
 
Und er schloß die Augen, tat noch einen Seufzer, der wie »Kriemhild« klang, und verschied in den Blumen.
 
Siegfried, der Held, war tot. — —
 
Hagen ermordet Siegfried
Und jäh sank die Sonne unter, und es ward finstere Nacht. Ein eisiger Hauch ging durch den Wald, daß Menschen und Tiere fröstelten, als wäre der Frühling für immer entflohen.
 
Da legten sie Siegfrieds Leiche auf seinen Schild, den sie im Dickicht fanden, und Hagen nahm heimlich Siegfrieds Schwert Balmung an sich, und alle gelobten sie Stillschweigen über die Tat.
 
Aus dem Walde gingen sie und fuhren in der Nacht über den Rhein. Stumm schritten sie mit ihrer Last in die Königsburg hinein, und wie zum Hohne ließ Hagen des Helden blutigen Leib auf die Schwelle von Kriemhilds Kemenate legen, als Gruß der Königin Brunhild.
 
Vor Morgengrauen schon erhob sich Kriemhild aus schreckhaften Träumen. Hastig kleidete sie sich an. Ihr war gewesen, als hätte Siegfried sie gerufen in heißer Not. Zum Münster wollte sie eilen, um zu beten. Und als sie die Tür ihrer Kemenate öffnete, stolperte sie über den Leichnam ihres Herrn und fiel aufschreiend in Ohnmacht über ihn.
 
Den Schrei hatte Mime gehört, der treue Schmied. In seiner Eisenrüstung eilte er herbei und fand Kriemhild am Halse ihres toten Gemahls mit irren Augen. Sie war erwacht und doch nicht in der Welt. Furchtbar gellten ihre Schreie durch das Haus und über die schlummernde Stadt Worms.
 
Erschüttert stand Mime und klagte nassen Auges lange um seinen Zögling. Dann trug er mit Kriemhild die Leiche Siegfrieds ins Gemach hinein, und sie wuschen den Leib und hüllten ihn in weißes Linnen. Auf dem Gange aber sammelten sich mit verstörten Gesichtern die Ritter und Frauen, und König Gunther kam mit seinem ganzen Hof, und auch Hagen von Tronje trat mit ihm ins Zimmer.
 
Und König Gunther sprach: »Es ist ein Unglück geschehen, liebe Schwester, und keinen trifft die Schuld.«
 
Da richtete sich Kriemhild an der Leiche auf und spähte in allen Gesichtern.
 
»So ihr die Wahrheit redet und euch nicht fürchtet,« rief sie herrisch, »tretet heran an die Leiche!«
 
Und sie traten alle heran. Doch als Hagen von Tronje an die Reihe kam, brachen des Leichnams Wunden auf, und das Blut strömte anklagend aufs neue.
 
Da schrie die Königin Kriemhild:
 
»Er ist es! Er ist der Mörder! Auf ihn, Mime, rächt unsern Herrn!«
 
Und wie ein Tiger sprang Mime den Tronjer an und schlug ihm tiefe Wunden. Aber Hagen führte Siegfrieds Schwert an der Seite und riß es aus der Scheide, und der Stahl Balmung schnitt sausend durch Mimes Eisenkleid und nahm des treuen Mannes Leben. Da lächelte Mime, der Schmied, noch im Tode, weil er eine so gute Waffe geschmiedet hatte, und lag ausgestreckt zu seines lieben Siegfrieds Füßen.
 
Drei Tage klagte Kriemhild laut in der Totenwacht um ihren Herrn. Dann schritt sie schweigend hinter dem Sarge zum Münster. Ein Bild war ihr gekommen, das stand wie eine Weissagung vor ihren Augen. Als Königin sah sie sich eines mächtigen Herrschers in fernem Lande, und die Burgunden sah sie aus der Heimat reiten, sie zu besuchen, und eine weite Halle sah sie voll Männerkampf und Rauch und Flammen, und den würgenden Tod sah sie, dem keiner von allen entkam, den Tod sah sie als Siegfrieds Rächer.
 
Die Priester beteten, die Glocken läuteten, Siegfrieds Gruft schloß sich vor den Augen der Menschen.
 
Kriemhild aber stand hochaufgerichtet mit ausgestreckter Hand und blickte starr auf den schillernden Nibelungenring an ihrem Finger und stärkte seinen Fluch mit ihrem Fluche:
 
»Rache für Siegfried, den Helden!« 

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