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Siegfried, der Held-5. Kapitel
日期:2023-08-09 11:36  点击:215
Wie Siegfried mit Kriemhild und Gunther mit Brunhild Hochzeit machte, und wie Siegfried an Gunthers Stelle Brunhild bändigte
 
Hui, jagten die Boten den Rhein hinan mit verhängten Zügeln. Blumen trugen die Rosse rechts und links im Kopfzaum, und grüne Zweige die Reiter am Eisenhut. Stromauf jagten sie und nahmen sich keine Zeit zur Rast, bis Worms vor ihnen aufstieg, die schöne Stadt. Da lief das Volk zusammen, sie zu befragen, aber sie sprengten mit lustigen Worten hindurch und in den Hof der Königsburg hinein und ließen sich melden bei Frau Ute und der Königstochter Kriemhild, bei Gernot und Geiselher, den jungen Fürsten.
 
Im Thronsaal empfingen Frau Ute und die Königskinder die Boten und hießen sie reden und berichten und kein Wort vergessen. Und sie vernahmen die Abenteuer der Helden in Island, Gunthers Sieg über Brunhild, Siegfrieds errettende Meerfahrt und die Heimkehr der Helden mit Brunhild, der stolzen Fürstin. »So aber bittet und gebietet König Gunther,« schloß der Bote, der vor den anderen das Wort führte: »Die Hochzeit möchtet Ihr richten in Eile und nicht sparen mit Gold und Gewändern und köstlicher Tafelzier, und Einladungen möchtet Ihr ergehen lassen an alle Edlen des Burgundenlandes, mit ihren schönen Frauen zu erscheinen auf heut über acht Tage zu Worms am Rhein. Denn dann gedenkt König Gunther einzuziehen und keine Stunde zu säumen, die hehre Brunhild als seine Königin neben sich auf den Thron der Burgunden zu setzen.«
 
Da weinte Frau Ute vor Freuden, und Kriemhild stand mit wogender Brust und leuchtenden Augen, weil Siegfried so treu gewesen war. Gernot und Geiselher aber eilten, ihres Bruders Gunther Wünsche zu erfüllen, und die Hochzeitsboten jagten selbigen Tages durch die Lande und entboten alle burgundischen Edlen gen Worms.
 
Das war ein Leben am Rhein! Das war ein Singen und Springen bei emsiger Arbeit und fröhlicher Zurüstung. Mit den Meuten zogen die Jäger aus in die Wälder und Berge zu beiden Seiten des Rheins und brachten den Auerochsen heim, den saftigen Hirsch und den Bären für leckeren Schinken. Die Fischer stellten die Reusen und warfen die Netze und holten den Hecht aus dem Rhein, den rosigen Lachs und den fetten Aal. Herr Rumold rumorte in der Küche und verteilte in wenigen Tagen mehr Ohrfeigen an die tanzenden Küchenjungen als sonst in einem Jahre. Herr Hunold kam kaum noch aus dem Keller zum Vorschein, und sein Heldenantlitz wurde von ernsten Weinproben röter als der purpurne Burgunder im Faß. Herr Sindold, der Herold, lief Tag und Nacht wie ein Wiesel treppauf, treppab, ließ die Gemächer instand setzen für die Unterkunft der vornehmen Gäste und die Tafeln aufschlagen für das Hochzeitsmahl. Frau Ute aber gab das schimmerndste Leinen heraus und das kostbarste Tafelgeschirr, und Kriemhild saß stundenlang vor ihren Truhen und wählte das wunderlieblichste Gewand, dem Helden Siegfried zu Gefallen.
 
Der Tag des Einzugs kam, und die Gäste strömten von nah und fern in die Hochzeitsstadt, um König Gunther bei der Landung zu begrüßen. Da kamen auch aus Xanten König Siegmund und die Königin Siegelinde, Siegfrieds betagte Eltern, denen er Kunde geschickt hatte schon von der Küste aus. Und aus dem Walde kam Mime, der Schmied, auf einem großen Pferd, und die Menschen lachten ihn aus wegen seines Höckers. Er aber achtete des Spottes nicht und freute sich im Herzen der Taten seines Pflegesohnes.
 
In feierlicher Fahrt nahte das Königsschiff auf dem Rhein, und auf dem Leinpfad hatten die Rosse zu ziehen, daß sie es in den Hafen brächten. Hochgemut stand König Gunther an Bord, die Krone auf dem Kopf, und neben ihm stand Brunhild in nachtdunkler Schönheit. Inmitten der Ritter aber ragte Siegfried um Hauptes Länge hervor, und sein goldenes Haar leuchtete weit in der Sonne.
 
Hei, wie die Spielleute am Ufer bliesen und drommeteten, fiedelten und schalmeiten! Hei, wie die Ritter mit Schwert und Speer die Schilde schlugen und alles Volk sang und jauchzte! Ja, das war ein Leben am Rhein!
 
König Gunther führte an der Hand die stolze Brunhild vom Schiffe. Und Frau Ute schritt ihr entgegen samt ihren Kindern, dem stattlichen Gernot, dem fröhlichen Geiselher und der lieblichen Kriemhild, und sie alle begrüßten Brunhild mit Kuß und Umarmung. Siegfried aber trat zu Gunther und mahnte ihn leise an die Erfüllung seines Versprechens. Da winkte König Gunther der errötenden Schwester, daß sie Siegfried grüße, und Siegfried nahm sie in beide Arme und küßte sie auf Augen und Mund.
 
»Getraust du dich wohl,« flüsterte er ihr zu, »mein Weib zu werden, du Liebliche, wenn ich dir sage, daß dein Bruder Gunther es nicht ungern sieht?«
 
Da nickte sie nur und umhalste ihn. Und er hielt sie ganz fest und doch ganz zart in seinen Heldenarmen. Und dann führte er sie seinen Eltern zu, die sich über die Maßen der lieblichen Schwiegertochter freuten, und rief Mime herbei und ehrte ihn vor allem Volke durch Kuß und Umarmung. Da schwieg der Spott, und niemand gewahrte mehr des Schmiedes Höcker.
 
Nie zog ein glänzenderer Hochzeitszug zum Münster als der, in dem Gunther mit Brunhild, Siegfried mit Kriemhild schritten, und der Dom faßte nicht die Menge der Gäste und des feiernden Volkes, das die Kirchenstufen besetzt hielt und den weiten Platz. Und die Glocken sangen und jubilierten, als die Vermählten den ragenden Münsterbau verließen und unter den Heilrufen des Volkes in die Königsburg einzogen zum festlichen Mahle.
 
Auf erhöhten Thronsesseln saßen Gunther und Brunhild nieder, und ihnen gegenüber, auf gleich hohen Thronsesseln, saßen Siegfried und Kriemhild. Die Gäste aber ringsum nach Rang und Stand sorglich geordnet.
 
Einen finsteren Blick warf Brunhild auf Siegfried und rührte nichts an von Speise und Trank. Ungern gewahrte König Gunther das düstere Wesen des geliebten Weibes, und leise und zärtlich befragte er sie nach Grund und Ursache.
 
»Wie kann ich heiter sein,« sagte Brunhild verächtlich, »da ich sehen muß, wie sehr dir der Stolz fehlt.«
 
Heiß errötete da Gunther und sprach: »Der König der Burgunden hat des Stolzes genug, und niemand darf daran zweifeln.«
 
»Nennst du das Stolz,« eiferte Brunhild, »wenn des Königs Schwester gut genug befunden wird, eines Dienstmannes Eheweib zu werden? Nicht essen noch trinken mag ich vor Scham über solches Geschehnis.«
 
Und verlegen antwortete ihr der König: »Er hat mir große Dienste getan. Frage nicht weiter und freue dich der süßen Stunde.«
 
Brunhild aber blieb trotzig und hochfahrend.
 
»Dienste zu tun, dafür ist er Lehnsmann. Es muß also ein Besonderes sein, daß du ihn so verschwenderisch belohnst, und mir soll es verborgen werden. Sag' mir die Wahrheit, so dir daran liegt, daß ich dir meine Liebe zeige.«
 
Da beteuerte ihr Gunther mit vielen Worten, daß nirgend ein Geheimnis wäre und nur Siegfrieds Treue und Tapferkeit so hohen Lohn erführe. Sie aber blieb stumm und verschlossen den ganzen Abend über.
 
Dann nahten die Pagen mit den Fackeln, die Vermählten in ihre Gemächer zu geleiten, und Brunhild schritt hochmütig an der Seite ihres Gemahls. Und ohne ihn eines Blickes zu würdigen, warf sie die Kleider ab und legte sich zu Bett.
 
»Liebste,« bat Gunther und wollte sie mit Zärtlichkeit streicheln, »nun verscheuche die grollenden Gedanken und gib der Freude Raum.«
 
Sie aber zürnte aus den Kissen heraus: »Rühr' mich nicht an, oder es ergeht dir schlimm.«
 
Da packte den König die Wut, und er ergriff Brunhild bei den Armen, um sie zu zwingen und sie seine Kraft spüren zu lassen. Sie aber sprang jach aus dem Bette auf, befreite sich mit hartem Stoß von ihm, umspann mit einer Hand seine beiden Handgelenke, griff nach ihrem Gürtel, schnürte ihm Arme und Beine zusammen und hing ihn wie ein Kleiderbündel an den Bettpfosten.
 
»Ei,« sagte sie, »sieh an. Und von solchem Manne bin ich besiegt worden im Speer- und Steinwurf und heldischem Sprung in Panzer und Waffen? Da steckt mir ein Geheimnis hinter, und ich will es wissen, mein Freund, oder deine Liebe bleibt hübsch bei dir allein und findet nimmer Gegenliebe bei mir.«
 
Gunther aber bat und bettelte, ihn zu lösen aus der unwürdigen Haft, und schwur hoch und teuer, nur die Strapazen der langen Reise hätten seine Kraft ermüdet.
 
Da lachte sie höhnisch auf: »Träume süß, mein Herr und Held. Und morgen nacht hänge ich dich wieder an den Pfosten, so lange, bis ich weiß, was mir zu wissen ziemt.«
 
Damit legte sie sich ruhig zu Bett, streckte die schönen Glieder und entschlummerte.
 
Das war eine böse Nacht für König Gunther am Pfosten von Brunhilds Bett. Und als sie ihn am Morgen löste, schmerzten ihn alle Knochen im Leibe, so daß er kaum gehen und stehen konnte. Das sah Siegfried, und er befragte ihn.
 
Lange zögerte Gunther mit der Antwort. Dann aber gestand er dem Schwager die Ereignisse der Nacht. »Was soll ich tun?« fragte er und knirschte mit den Zähnen. »Ich werde zum Gespött der Welt, wenn ich das Weib nicht zwinge. Und so blendend schön war sie in ihrem Zorn.«
 
»Vertraut mir, Schwager,« begann Siegfried nach einigem Sinnen, »ich habe einen Plan.«
 
»O Siegfried,« rief König Gunther, »nennt ihn mir, und sei er, wie er sei: ich will es Euch ewig danken, so Ihr die Wilde zähmt.«
 
»So hört mich an,« sprach Siegfried. »Begebt Euch heute abend früher zur Ruhe, damit es meine Frau Kriemhild nicht gewahrt, daß ich ein Stündlein fehle. Wenn Ihr das Schlafgemach betretet, bin ich schon, wohl verborgen, dort. Löscht gleich das Licht und zieht Euch in den äußersten Winkel zurück. Ich aber trete in der Dunkelheit an Eurer Stelle vor, bändige Euch die Wilde und räume Euch wieder das Feld.«
 
Nicht sonderlich lieb war dem stolzen Könige der Vorschlag. Aber die Sorge trieb ihn, daß er ihn annahm.
 
Am Abend harrte der starke Siegfried im königlichen Schlafgemach. Hinter einem hohen Wandschirm stand er und wartete. Und König Gunther erschien frühzeitig mit seiner Königin Brunhild, und als Brunhild die Kleider abwarf, löschte Gunther das Licht.
 
»Glaubst du mir in der Dunkelheit zu entkommen?« spottete Brunhild und legte sich zu Bett. »Nahe mir nur mit einem Schritt, und ich hänge dich an den Pfosten.«
 
Da schlüpfte Siegfried hinter dem Schirm hervor, und Gunther verbarg sich im Winkel.
 
An das Bett trat Siegfried und griff sie hart beim Gewand. Brunhild aber sprang aus dem Bette heraus, daß der Boden dröhnte, und warf in wildem Ansturm den starken Mann an die Wand.
 
»Hei,« dachte Siegfried, »um ein Haar, und mir wäre der Kopf zerschellt.« Aber er sprach kein Wort, damit seine Stimme ihn nicht verrate, und stumm packte er aufs neue zu.
 
»Hast du noch nicht genug?« rief die verwegene Frau. »Warte, so werde ich dich schnüren, daß dir der Atem vergeht.«
 
Und sie warf ihm die Arme um den Leib, daß Siegfried sich mit aller Gewalt gegen den Boden stemmen mußte, um nicht vor solcher unbändigen Kraft den Halt zu verlieren. So rangen sie mit keuchendem Atem in der Dunkelheit und warfen sich an den Wänden hin, daß es dem angstvoll lauschenden König Gunther im Blute grauste und er mehr als einmal aus einer Ecke in die andere schlüpfen mußte, um nicht zu Boden getreten zu werden.
 
Mit einer Hand hatte Brunhild den Gürtel ergriffen und suchte des Gegners Hände damit zu umschlingen. Der Held dachte, sein letztes Stündlein wäre gekommen, und die Scham, von einem Weibe besiegt zu werden, gab ihm frische Kräfte und entfesselte seinen Grimm. Hatte er bisher immer noch die Frau und Königin in Brunhild geschont, so griff er jetzt eiserner zu. Mit klammernden Fäusten packte er sie um den Leib, schwang sie mit stürmender Kraft vom Boden auf und warf die Unbändige aufs Bett, daß ihr die Glieder krachten. Auf wollte Brunhild. Er aber sprang zu ihr aufs Lager und umschlang sie so fest, daß ihr der Atem stockte und alle Kraft zu Ende ging.
 
Da begann sie zu bitten und zu stammeln.
 
»O König Gunther, verzeiht mir. Trotz und Ungestüm will ich von mir tun für mein ganzes Leben. Denn nun verspürte ich es wohl von Euren Schlägen und Griffen, daß Ihr in Wahrheit der stärkste Mann der Erde seid.«
 
Siegfried aber fühlte an ihrem Finger den Ring König Nibelungs, den er ihr einst als Verlobungsring geschenkt hatte, und er zog ihn ihr leise ab und steckte ihn an seine Hand und dachte nicht an den Fluch Nibelungs, der im Ringe wohnte.
 
Als wollte er sein Nachtgewand anlegen, erhob er sich vom Lager, und Gunther, der Brunhilds demütige Worte vernommen hatte, kam lautlos herbei und nahm Siegfrieds Platz, während der Held heimlich aus der Tür entwich.
 
So wurde Brunhild die Gattin König Gunthers, und da sie ihm ihre Liebe schenkte, fielen alle heldischen Kräfte für immer von ihr ab, und sie war nicht stärker mehr als andere schöne Frauen.
 
Siegfried aber war unter der Tarnkappe aus dem Zimmer gewichen, damit niemand vom Hofgesinde erspähen sollte, daß er aus des Königs und der Königin Schlafkammer kam. Als er nun das eigene eheliche Schlafgemach erreichte, hatte der Ringkampf mit König Gunthers Frau doch länger gedauert, als er vorher vermutet hatte, und er fand seine Frau Kriemhild schon wartend vor. Schnell zog er in der Tür die Tarnkappe ab und trat in seiner sichtbaren Gestalt an ihr Ruhelager.
 
»Guten Abend, herzallerliebste Frau,« begrüßte er sie heiter und sah, daß sie geweint hatte. Liebevoll beugte er sich über sie und befragte sie nach ihrem Kummer.
 
Und Kriemhild seufzte unter Tränen und sprach: »Kaum zwei Tage sind wir verheiratet, und schon bin ich dir zur Langweile geworden, so sehr, daß du mich am Abend allein lässest.«
 
»O du süße Eifersucht,« scherzte Siegfried und erzählte ihr, daß König Gunther seiner noch bedurft hätte, damit er ihm einen Dienst erweise.
 
»Du bist nicht sein Dienstmann,« widersprach ihm die junge Gattin. »Du bist es nur freiwillig gewesen auf der Meerfahrt gen Island und aus Gründen klugsorgender Freundschaft. Das ist vorüber, und die stolze Brunhild soll es unterlassen, hochmütig auf meinen Helden herabzublicken.«
 
Da mußte Siegfried lachen, denn er gedachte der heißen Stunde, aus der er kam, und der Demut Brunhilds.
 
»Weshalb lachst du zu meinen Worten?« fragte Kriemhild und griff bittend nach seiner Hand. Und als sie seine Hand berührte, fühlte sie den fremden Ring an Siegfrieds Finger, und sie setzte sich hastig aufrecht und betrachtete ihn mit immer starreren Augen.
 
»Das ist — das ist Brunhilds Ring,« stöhnte die Arme. »O leugne es nicht, denn ich sah ihn selber an ihrer Hand. Ihretwegen hast du mich weinend warten lassen, mit ihrem Zauber hat sie dich umstrickt, und nun bin ich ein arm verraten Weib.«
 
Die Hände schlug sie vor ihr erblaßtes Gesicht und warf sich schluchzend in die Kissen.
 
Ergriffen stand der Held vor ihrem jungen Schmerz. Tausend liebe Worte wußte er ihr zu sagen, doch sie schüttelte nur den Kopf und schluchzte um so heftiger. »Nein, Siegfried, nein, du sagst mir nicht die Wahrheit.«
 
Und da nichts fruchtete, ihren heißen Schmerz zu lindern und die Tränen zu trocknen, sprach Siegfried aus mitleidsvollem Herzen:
 
»Wohlan denn, wir sind Mann und Weib, und Mann und Weib sollen eins sein. So will ich dir denn alles berichten und auf die Verschwiegenheit meines lieben Weibes bauen, wie ich auf mich selbst baue. Nie darf ein Lebender davon erfahren.«
 
Und er erzählte ihr sein ganzes Leben, und wie er durch die Waberlohe geritten sei und Brunhild befreit habe, wie sie sich miteinander verlobt hätten und wie er von ihr gegangen wäre um ihres unweiblichen Hochmuts willen, der nicht so sehr nach dem liebenden Manne als nach dem mächtigen König verlangt hätte. »Dann sang nach Jahren des Vergessens Herr Volker in der Halle von Brunhilds Schönheit und Kraft, und König Gunther entbrannte nach ihr. Ich aber hatte dich gesehen, meine wunderliebliche Kriemhild, und kein anderes Bild hatte mehr in meinem Herzen Raum. Um dich zu gewinnen, führte ich selber den König nach Island, nur um deinetwillen, weil Gunther dich mir zum Lohne verhieß, ging ich als sein Dienstmann in seinem Gefolge, denn nimmermehr hätte Brunhild ihn angeschaut, hätte ich als gleichberechtigter Recke neben ihm gestanden. Um dich zu gewinnen, kämpfte ich unter der Tarnkappe, die mich unsichtbar macht, an Gunthers Seite, warf für ihn den Speer und den Stein und trug ihn im Weitsprung durch die Luft. Das alles tat ich um der Liebe meiner Kriemhild willen. Und fuhr zurück zum Nibelungenhort und holte die Schätze und Ritter, um Gunther mit seinen Gesellen zu lösen und Brunhild zur Hochzeitsfahrt gen Worms zu vermögen.«
 
Längst hatten Kriemhilds Tränen aufgehört zu fließen. In heimlicher Bewunderung staunte sie ihren Helden an, und ihre Brust ging hoch, als ihr Herz von so unablässiger Liebe erfuhr. Aber an Siegfrieds Hand funkelte hämisch der Ring, und sie begann aufs neue zweifelnd zu fragen: »Weshalb gingst du heute zu ihr, und weshalb gab sie dir den Ring zum Pfande?«
 
Da berichtete ihr Siegfried von König Gunthers Not um das Weib, von Gunthers beweglicher Klage und Verzweiflung.
 
Siegfried verrät Kriemhild das Geheimnis
»Sollte ich den Schwager, nachdem ich ihn so weit geführt hatte, so tief in Schande stürzen lassen? Deinen Bruder, Kriemhild, der mir diese süßselige Frau bescherte? Ich war im Glück, Kriemhild, und der ist des Glückes nicht wert, der an anderer Unglück vorübergeht. Darum war ich bei Gunther in dieser Nacht und bändigte ihm in der Dunkelheit seine wilde Genossin also, daß sie nicht anders vermeint, als es sei Gunthers Kraft gewesen, dem sie jetzt zärtlich und in Liebe ergeben am Halse hängt. Mich aber verführte das Glitzern des Ringes, daß ich das Kleinod ihr abstreifen mußte. Denn kein anderes Weib darf einen Verlobungsring von mir tragen, als die, deren Seele mich liebt im Glück wie in der Not.«
 
»O du mein Friedel!« rief Kriemhild, umhalste ihn und barg ihr Köpfchen an seiner Brust.
 
Das war für den Helden eine selige Freude, und er nahm den Ring von seinem Finger und schenkte ihn der süßen Genossin.
 
»Doch trage ihn nicht anders,« forderte er, »als wenn Brunhild es nicht sieht. Damit sie nie erfährt, daß es nicht Gunther war, der ihr Ring und Heldentum nahm.«
 
So kam der Ring Nibelungs in Kriemhilds Besitz, und der Fluch war nicht aus ihm gewichen.
 
Brunhild aber ging viele Tage umher und schämte sich, weil sie ein Weib geworden war wie andere und nicht mehr die unbezwingliche Heldenjungfrau. Und es war ihr arg, daß Siegfried sie als demütige Frau eines andern Mannes sah, denn so sehr sie Siegfried einst geliebt hatte, so sehr haßte sie ihn jetzt wegen seiner alles überstrahlenden Männlichkeit.
 
Da rief sie Hagen zu sich und beriet sich mit ihm.
 
Und der grimme Hagen von Tronje sprach: »Nichts anderes darf es in der Welt für mich geben als die Größe meines Königshauses. Wer dein Feind ist, o Königin, ist hinfort auch der meine. Eine andere Treue kenne ich nicht.«
 
Beide Hände reichte ihm Brunhild dar, und der finstere Einäugige beugte sich über ihre Hände und küßte sie.
 
Und wo sie gingen und standen, berieten sie Siegfrieds Untergang und bespähten heimlich des Helden Schritte.
 
Das war dem sorgenden Mime nicht entgangen, der immer noch zu Worms weilte, und er belauschte der beiden heimliche Gespräche und erfuhr, was sie im Schilde führten.
 
Heimgekehrt nach Xanten waren Siegfrieds betagte Eltern, König Siegmund und Königin Siegelinde, und hatten den Helden gebeten, heimzukommen und die Regierung zu übernehmen. Und ein Bote erschien vor Siegfried, den hatte Lüdeger gesandt, der König vom Sachsenland, und die Botschaft lautete so:
 
»Ohne Erben ist König Lüdeger, und bald wird der Thron des Sachsenlandes verwaist sein. Weil du aber, Held Siegfried, nicht nur als der tapferste Degen in der Schlacht, sondern auch als der ritterlichste Mann dem Wehrlosen gegenüber von König Lüdeger befunden wurdest, so will er dir, wenn er abgerufen wird von dieser Erde, Thron und Krone des Sachsenlandes hinterlassen, und er grüßt dich aus der Ferne als seinen Sohn und Erben.«
 
So lohnte sich reich ein ritterlicher Sinn.
 
Seinen Lehrer und Pflegevater Mime rief Siegfried herbei und teilte ihm die hohe Botschaft mit. Und des Mißgestalteten Augen leuchteten vor Freude, als er seinen Zögling so hoch gestiegen sah durch Kraft und reine Gesinnung. Doch die Sorge wurde noch mächtiger in ihm, und er riet dem Helden mit bittenden Worten: »Sprich zu keinem an Gunthers Hofe von Lüdegers hochherzigem Geschenk. Brunhild und Hagen sind dir feind und auch Gunther will dir nur vor den Augen wohl.« Und er erzählte ihm alles, was er erlauscht hatte, und beschwor ihn unter Anrufung von Kriemhilds Namen, das Burgundenland zu verlassen.
 
Da gab Siegfried endlich dem Drängen nach, um Kriemhilds Ruhe willen, und Mime gebot Siegfrieds Nibelungenrittern, sich in der Stille bereit zu halten. Und in der nächsten Nacht ritten Siegfried mit Kriemhild und Mime an der Spitze der Nibelungenritter heimlich zum Tore hinaus gen Xanten am Niederrhein.
 
Wie da Brunhild tobte, als sie am Morgen die Herberge leer und ihren Haß betrogen fand. 

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