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Siegfried, der Held-4. Kapitel
日期:2023-08-09 11:31  点击:280
Wie Siegfried mit Gunther gen Island fuhr, an des Königs Stelle Brunhild im Kampfspiel besiegte und vom Rheine Schätze holte
 
Goldenen Glanzes lag die Sonne über Worms am Rhein und seiner Königsburg. Wie selige Stimmen sangen die Glocken vom hohen Münster und luden die Heimgekehrten zum Dank gegen Gott. Aus dem Portale traten sie heraus, gesegnet und erhoben. Und in prunkvollem Zuge schritten sie zur Kurzweil des Tages, die König Gunther den Siegern bot mit Turnier, Spielmannssang und Becherklang.
 
Da öffneten sich die Gemächer der königlichen Frauen, und von ihrer Mutter, Frau Ute, geleitet, von holden Jungfrauen umringt, betrat Kriemhild den Festplatz.
 
Weiße Seide floß an ihrem jungen Leib herab, die war mit buntschimmernden Borten reich geziert. Den Kopf mit dem schweren Blondhaar hielt sie züchtig geneigt, und ein feines Krönlein leuchtete aus den Flechten. In der Hand hielt sie einen kunstvoll gebogenen Eichenzweig. So schritt sie über den von brausenden Heilrufen erfüllten Festplatz und trat vor die Männer.
 
Staunend sah Siegfried auf das wunderliebliche Mägdlein, und sein Herz schlug laut, als er ihre süße Stimme vernahm.
 
»Herr Siegfried,« hörte er sie sagen, »vieledler und tapferer Held, ich bringe Euch den Dank des Burgundenlandes dar für Eure siegreiche Hilfe und Euer Heldentum. Ich bitte Euch, nehmt diesen Kranz.«
 
Tief ins Knie sank Siegfried vor der wonniglichen Jungfrau, und mit zitternden Händen drückte sie ihm den Kranz ins Haar.
 
Da schaute er auf, und ihre Augen begegneten sich, wurden groß und weit, tranken sich satt und wollten sich nicht mehr lassen. Und Kriemhild beugte sich über ihn, der immer noch vor ihr kniete, und Auge in Auge versenkt küßte sie ihn auf den Mund.
 
Jauchzend stiegen Fanfaren gen Himmel, rasselten Schwerter gegen Schilde, schwang sich das Jubelgeschrei des Volkes durch die Lüfte. Kriemhild aber stand noch immer über Siegfried gebeugt, die Hände auf seinen Schultern, Auge in Auge staunend versenkt und weltvergessen, bis Frau Ute lächelnd zu ihrer Tochter trat und ihre Hand faßte. Da erwachte Kriemhild wie aus tiefem Traume, errötete heiß und ließ sich von der Mutter zu ihren Plätzen geleiten.
 
Siegfried aber sprang auf, lachte glückselig über die Bahn hin, rief seinem Roß und warf im Turnier, was sich ihm entgegenstellte, wohl an die dreißig der stärksten Ritter.
 
Als die Männer am Abend in der Halle saßen und gewichtige Becher hoben, heischte König Gunther ein Lied, und Herr Volker von Alzey hob lustig den Fiedelbogen.
 
»Es brandet die See um ein bergiges Eiland,« so sang er, »als müßte sie hüten den herrlichsten Hort. Wißt ihr, warum, ihr Ritter und Recken? Laßt es euch sagen vom Sänger heut. Ein Weib weilt dort von schimmernder Schöne, ein Weib, wie das Auge kein zweites ersah. Wuchtig ihr Wuchs und das Haupt erhaben, den lieblichen Leib von Eisen umhüllt. Brunhild heißt sie, die bräunliche Wilde, ihr nachtschwarzes Haar strömt den Nacken hinab. Stählern ihr Arm, der den Wurfspeer schleudert, Kräfte der Riesin wohnen im Weib. Mancher wohl kam, von Minne getrieben, keiner kehrt' wieder zum heimischen Herd. Blutend blieb er im Kampfspiele Brunhilds, nichts gewann er als trüben Tod. Ein Weib weiß ich wohl, Brunhild geheißen, die herrlichste Heldin, die minnigste Maid. Hei, König Gunther, das wär' die Genossin, würdig, zu wohnen zu Worms am Rhein!«
 
Noch einmal schwirrte der Fiedelbogen auf. König Gunther saß in Sinnen.
 
»Wollt Ihr dem Spielmann nicht danken?« rief Herr Hagen von Tronje. »Es war ein ritterlich Lied.«
 
Da hob König Gunther den Kopf und blickte sich um im Kreis.
 
»Noch immer bin ich unbeweibt,« sagte er langsam. »Das Land braucht eine Königin, die Krone einen Erben. Brunhild! Es könnte mich gelüsten, dich zu gewinnen.« Und er wandte sich an den Fiedler. »Wie heißt das Eiland, und wo ist es gelegen?«
 
»Island heißt es, Herr, und ist trotzig gelegen im schwarzen Nordmeer.«
 
»Herr Siegfried,« sagte König Gunther, und Siegfried fuhr auf, denn er hatte nichts getan, als an die liebliche Kriemhild gedacht. »Herr Siegfried, Ihr habt alle Meere befahren. Könntet Ihr wohl den Weg mir weisen zu Brunhild auf Island?«
 
»Herr,« erwiderte Siegfried erschrocken, »wie kommt Ihr auf solche Gedanken?«
 
»Sie soll mein Weib und meine Königin werden,« sprach Gunther, »sie und keine andere.«
 
»Herr König,« bat Siegfried, »laßt ab. Sie ist von wildem Denken und Tun, und es möchte Euch leicht das Leben kosten.«
 
»Was?« lachte Gunther. »Ich werde doch wohl noch die Kräfte eines Weibes bändigen können?«
 
»Herr,« sagte Siegfried, »ich habe vor Jahren Brunhild gekannt. Und ob ich auch weiß, daß Ihr ein starker Ritter seid, sie ist nicht zu bändigen, und Ihr zwingt sie nicht.«
 
Das ergrimmte den König, und sein Wunsch, Brunhild zu gewinnen, wurde nur noch stärker. Er führte Siegfried beiseite und beschwor ihn, ihm beizustehen auf der Fahrt. »Wählet das Köstlichste meiner Kleinodien,« sprach er, »wählt, was Ihr wollt. Nur verhelft mir zu Brunhild, und ich will es Euch nie vergessen.«
 
Da sagte Siegfried: »So gebt mir Kriemhild, Eure Schwester, zum Weibe.«
 
Das schwur ihm Gunther in die Hand.
 
Und sie kehrten zu den Rittern zurück und berieten die Fahrt.
 
Um eine Woche später stieß von Worms ein Schiff in den Rhein, das trug Gunther und Siegfried, Hagen und Dankwart, mitsamt ihren Rossen, Panzern und glänzenden Gewandungen. Frau Ute stand mit Kriemhild auf dem Söller der Burg, und das Mägdlein weinte heiße Tränen, während ihr Tüchlein den Scheidenden ein Lebewohl zuwinkte. Aus heißer Sehnsucht nach dem Helden vom Niederrhein weinte die Königstochter.
 
Die Recken aber fuhren wohlgemut den Rhein hinab, bis sie zum Meere kamen. Hier kauften sie ein kräftiges Drachenschiff, das vor Wind und Wellen nicht bangte, und Siegfried nahm das Steuer, und sie fuhren über die See gen Island.
 
Auf ihrer Felsenburg saß Brunhild, die gewaltige, und schaute hinaus über die wilden Wasser. An Siegfried dachte sie, den stärksten Helden, und es war ihr leid, daß er nicht wiedergekehrt war. Hundert Männer waren gekommen, um sie zu werben, und sie hatte sie alle besiegt im Kampfspiel, das sie forderte. Nur einen gab es auf der Welt, der stärker war als sie: Siegfried. Und sie seufzte tief auf, und ihr Herz entbrannte von Liebe nach ihm.
 
»O kämst du doch heim als ein König, du einziger Held.«
 
Da gewahrte sie ein Schiff in der Ferne, und das Schiff kam mit vollen Segeln herangebraust und brach die anstürmende Brandung so stark und sicher, daß Brunhild aufsprang und gebannt nach dem Steuermann sah. »Nur Siegfrieds Faust ist so fest,« murmelte sie, »nur Siegfrieds Seele so mutig. Er ist's!« rief sie jubelnd. »Er ist's! Siegfried kehrt wieder!«
 
Und sie schritt hastig in ihre Kemenate und rief ihren Kammerfrauen und ließ sich schmücken, daß ein strahlender Glanz von ihr ausging.
 
Siegfried aber sprach im Schiff zu König Gunther und seinen Gesellen: »Hört mich wohl an. Diese Frau ist von so unbändigem Stolze, daß sie nur Könige und Lehnsmannen kennt. Würde ich gleichberechtigt mit Gunther vor ihr erscheinen, ich fürchte, sie wird an des Königs Macht und Ansehn zweifeln. Deshalb will ich mich meiner Stellung, die mir meine königliche Geburt zuweist, begeben und als ein Lehnsmann König Gunthers auftreten. Das wird seinen Glanz vor ihr erhöhen.«
 
Darüber waren die Herren froh und lobten Siegfried sehr wegen seiner Treue.
 
Und Siegfried sprach weiter: »Als ich den Drachen erschlug und Alberich bändigte, gelangte ich in den Besitz einer Tarnkappe, die mich unsichtbar macht, wenn ich sie trage. So werde ich denn, keinem Auge sichtbar, neben Gunther stehen und seinem Arme helfen, Brunhild in den Kampfspielen zu besiegen. Es könnte sonst leicht König Gunthers und unser aller Leben kosten.«
 
Da wurde König Gunthers Herz leicht, und er dankte Siegfried mit beredten Worten.
 
Schon schritt die schöne Brunhild mit ihrem Gesinde aus dem Burgtor hervor und nahm den Weg zum Hafen, als das Schiff den Anker warf. »Bei Gott,« sagte Gunther und atmete tief, »die Kunde hat nicht übertrieben. Nie sah ich ein herrlicher Weib.«
 
Starke Bretter schob Siegfried vom Schiffsrand ans Land. Und er nahm zuerst König Gunthers Roß, führte es hinüber und hielt wie ein Lehnsmann den Steigbügel, als König Gunther sich in den Sattel schwang. Dann erst holte er sein Roß Grane und stieg mit Hagen und Dankwart zu Pferde.
 
Erstaunt sah Brunhild sein Beginnen.
 
»Vieledler Held Siegfried,« rief sie lachend, »was treibt Ihr für Possen? Es ziemt sich nicht, einem andern Dienste zu verrichten. Doch seid mir von Herzen willkommen und laßt Euch sagen, daß ich Euch gerne sehe und lange Eurer harrte.«
 
Siegfried aber entgegnete: »Ihr irrt Euch, hohe Frau. Nicht an mich dürft Ihr Eure Begrüßung richten, denn ich reite nur im Gefolge des mächtigsten Königs, Herrn Gunther von Worms, den Ihr vor Euch seht, und freue mich, sein Lehnsmann zu heißen.«
 
Da erbleichte die stolze Brunhild und wandte ihr Auge zu Gunther. Und Gunther ritt auf sie zu, sprang vom Pferde und neigte sich ritterlich.
 
»Was sucht Ihr bei mir und in meinem Lande?« fragte sie hochmütig.
 
»Euch suche ich, herrliche Brunhild, und Eure Minne,« rief der König. »Ich weiche nicht anders aus diesem Land als mit Euch!«
 
Spöttisch maß ihn die heldische Frau vom Scheitel bis zur Sohle.
 
»Ihr habt Euch viel Last gemacht, edler Herr. Konntet Ihr nicht zu Hause sterben?«
 
»Ich gedenke,« sprach Gunther, »nicht eher zu sterben, als bis ich weidlich Eure Minne gekostet habe.«
 
Hellauf lachte Brunhild.
 
»Wenn Euch die Aussicht auf Schläge reizt, so stellt Euch morgen bei Sonnenaufgang zum Turnier. Und Ihr sollt den Mittag nicht mehr erleben. Kämmerer, weist den Herren für die letzte Nacht Herberge an.«
 
Und immer noch hohnvoll lachend, wandte sie sich und schritt zur Burg zurück. Siegfried aber, den bescheiden abseits Stehenden, beachtete sie mit keinem Blick. So schwer hatte es ihren Stolz getroffen, daß der einzige Mann, den sie geliebt hatte, ein Dienstmann geworden war.
 
Die Herren aus Worms aber legten sich bald zur Ruhe nieder. Denn sie wußten, daß der kommende Tag ihrer Kräfte reichstes Maß beanspruchte.
 
Kaum graute der Morgen, als helle Fanfarenstöße sie aus dem Schlummer weckten. Eiligst sprangen sie auf und halfen Gunther, sich rüsten. Und jeder wappnete sich selber aufs beste. So ritten sie auf ihren Rossen zum Turnierplatz.
 
Umgeben von ihren Rittern und Frauen nahte Brunhild. Ein goldener Panzer schirmte ihr Brust und Leib, ein strahlender Helm mit Adlerflügeln das schwarz umlockte Haupt. Nackt waren die mächtigen weißen Arme, die Schild und Speer hielten, und das Bild der Heldin war so übergewaltig, daß Gunther den Atem stocken fühlte.
 
»Drei Aufgaben nenne ich Euch,« sprach die Starke. »Löst Ihr sie, so gebe ich mich als Euer Weib. Laßt Ihr Euch nur in einer besiegen, so ist mir Euer Kopf und der Eurer Gesellen verfallen. Entscheidet Euch.«
 
»Nennt die Aufgaben,« antwortete Gunther kurz.
 
Und Brunhild sprach weiter: »Zuerst zeigt Eure Kraft im Speerwurf und sorgt, daß Ihr mich niederwerft. Zum zweiten gilt es, den hundertpfündigen Felsstein zu schleudern. Sorgt, daß Ihr nicht eine Spanne hinter mir zurückbleibt. Und zum dritten sollt Ihr mich, gepanzert und gewaffnet, im Weitsprung überholen. Nun? Traut Ihr Euch immer noch?«
 
Da sprach Siegfried: »Herr König, gebt mir Urlaub, damit ich zum Schiffe gehe und das Brautgeschenk hole.«
 
Das gewährte Gunther, und Brunhild biß sich die Lippen.
 
Siegfried aber ging nur bis vor die Burg, wo ihn keiner sah, zog die Tarnkappe über und kehrte unsichtbar zu seinen Gefährten zurück. »Mut,« flüsterte er und berührte Gunthers Arm, »ich bin bei Euch.«
 
Die Rosse wurden aus der Bahn geführt. Brunhild begab sich auf ihren Stand. Sie wog den furchtbaren Speer in ihrer Hand, als wäre es eine Gerte, stemmte den Schild vor, bog sich zurück, zielte und schleuderte die Waffe mit solcher Wucht, daß die Luft aufheulte, die Speerspitze Gunthers Schild zersplitterte und der König niedergebrochen wäre, hätte ihn Siegfrieds Faust nicht gehalten. Mit eisernem Ruck zog Siegfried den Speer aus dem Schild, so, daß es aussah, als täte es Gunther. Und ritterlich, als ob es gälte, die schöne Frau nicht allzusehr zu treffen, kehrte er den Spieß um und schleuderte ihn, mit dem stumpfen Schaftende nach vorn, zurück, so furchtbar aber, daß er dröhnend Brunhilds Schild zerbeulte, die Starke den Boden unter den Füßen verlor und rücklings in den Staub fiel.
 
Zornig sprang sie auf und ordnete Rüstzeug und Gewand. Blutrot lief die Scham über ihr Gesicht, und der Haß sprang gleich Blitzen aus ihren nachtdunklen Augen.
 
»Frohlockt nicht zu früh,« rief sie ergrimmt, »ich habe nur gescherzt!« Und sie ergriff den hundertpfündigen Felsblock, ließ ihn wie einen Ball auf der flachen Hand tanzen, packte an und warf ihn in wildem Schwunge wohl fünfzig Ellen weit. Und mit gewaltigem Anlauf hob sie sich im Panzer in die Lüfte und schwang sich hinter dem Stein her und sprang weiter noch, als der Stein gefallen war.
 
Da wurde es totenstill auf der Bahn, und Hagen flüsterte seinem Bruder Dankwart zu: »Mach dein Schwert locker und stell dich mir Rücken an Rücken. Es wird heiße Arbeit geben.«
 
Gunther schritt zum Steine, und unsichtbar schritt Siegfried neben ihm. Und Siegfried hob den Stein, als höbe ihn Gunther, spannte alle Muskeln an und warf den Felsblock noch zehn Ellen über Brunhilds Marke, packte Gunther um den Leib, sprang an und trug Gunther durch die Luft, als sause ein Falke daher. Weit über den Stein hinaus ging er mit Gunther zur Erde nieder.
 
Mit vorgebeugtem Leib und verzerrtem Gesicht hatte Brunhild Wurf und Sprung verfolgt. Jetzt sanken ihr die mächtigen Arme an den Leib.
 
»Nie,« sagte sie, und ihr Atem ging erregt, »hätte ich geglaubt, daß außer Siegfried ein sterblicher Mann solches vermöchte. Nun weiß ich, daß Ihr recht tatet, König Gunther, Siegfried zu Eurem Dienstmann zu nehmen. Ich werde Euch als Euer Weib folgen, wie ich es Euch versprach.«
 
Da schmetterten die Trompeten, da stürmte der Jubel des Volkes durch die Luft.
 
Siegfried aber war wieder vor das Tor geeilt, hatte die Tarnkappe abgezogen und kehrte nun auf die Bahn zurück, als wüßte er noch nichts von den Geschehnissen.
 
»Vorwärts,« rief er, »König Gunther! Auf zum Kampf! Es wird Euch gelingen!«
 
Da lachten sie alle, daß er das herrliche Kampfspiel versäumt hatte, und Brunhild schaute hochmütig auf ihn herab.
 
»Wo habt Ihr den Brautschmuck, Mann?« fragte sie ihn herrisch.
 
Siegfried aber bog huldigend das Knie und entgegnete: »Gütige Herrin, er ist so groß, daß meine Arme ihn nicht zu fassen vermochten. Des Schiffes ganzer Inhalt ist Euer.«
 
Da ging sie achselzuckend an ihm vorbei und ging zum Schiffe und musterte, was es an Gold und Steinen barg.
 
»Mit so elendem Kram,« rief sie höhnisch, »glaubt Ihr vor Islands Königin bestehen zu können? Wähnet Ihr, mich beleidigen zu dürfen, so rufe ich meine Ritter und Mannen, daß sie Euch allesamt greifen und im Meer ersäufen!«
 
Erblaßten Gesichtes stand Gunther vor der Ergrimmten und fand keine Antwort.
 
Siegfried aber lachte: »Nicht so, Frau Königin. Es ist dies nur eine Probe der Schätze, die für Euch unterwegs sind. Das Schiff, das sie birgt, wurde vom Sturm verschlagen. Gebt mir Urlaub, damit ich es auf dem Meere aufsuche und zu Euch in den Hafen geleite.«
 
Mit düsteren Augen blickte Brunhild den Kühnen an. »Es könnte Euch furchtbar gereuen,« sprach sie, »so Ihr mich zu betrügen gedächtet. Diese hier bleiben als Geiseln in meiner Hand. Sputet Euch, daß Ihr bald wiederkehrt und Eure Worte wahr macht. Euer Herr und seine Gefährten dürften sonst den Rhein nicht wiedersehen.«
 
Da nahm Siegfried Abschied von Gunther, Hagen und Dankwart, beurlaubte sich von der Königin und ging mit seinem Roß Grane an Bord des Schiffes. Günstig wehte der Wind, die Segel knallten und knatterten, des Helden Hand lag am Steuer, und wie ein Vogel schwand das Schiff am fernen Horizont.
 
In halber Zeit erreichte Siegfried die Mündung des Rheines, gebot den Schiffsleuten, bis zu seiner Wiederkehr zu warten und schwang sich auf Granes Rücken. Und das treue Roß trug ihn im Fluge durch die rheinischen Lande, bis das Siebengebirge vor ihnen blaute und der Held den ihm wohlbekannten Weg zur Drachenburg ritt, die den reichen Nibelungenhort barg.
 
Nacht war's, als Siegfried vom Pferde stieg. Und er gedachte seines Verwalters Alberich Wachsamkeit zu erproben und lärmte wie ein Trunkener am Tore und begehrte mit hämmernden Faustschlägen Einlaß.
 
Da öffnete sich mit einem Ruck die Pforte, und der wilde Zwerg sprang mit einer langen Eisenstange heraus und prügelte so fürchterlich auf Siegfried ein, daß dem Helden die Funken aus den Augen stoben, und er Island nie wiedergesehen hätte, wäre es ihm nicht gelungen, unter den hageldichten Hieben den wilden Zwerg beim Barte zu erwischen und fest in seine Arme zu reißen.
 
»Guten Abend, Freund Alberich,« lachte er dabei. »Ich sehe, Ihr seid immer noch gesund und munter.«
 
Da erkannte der Wütende seines Herrn Siegfried Stimme, und er ließ nach mit Strampeln und Fußtritten.
 
»Verzeiht,« bat er ganz außer Atem, »daß ich Euch ein wenig unwirsch begegnete.«
 
»Ein wenig?« lachte Siegfried und befühlte seine Beulen. »Gott soll mich behüten, wenn es einmal mehr als ein wenig geschieht.« Und er klopfte seinem getreuen Verwalter fröhlich die Schulter.
 
Dann befahl er ihm, eilends die Nibelungenritter zu wecken, und er wählte aus ihnen eine starke, glänzende Schar, und aus den Schätzen erwählte er so viel, als ein Rheinschiff fassen konnte, und am anderen Tage fuhr er mit den Schätzen und den Rittern wieder den Rhein hinab zum Meere, wo er sein Drachenschiff und seine Schiffsleute fand und eine schnelle Umladung erwirkte. Durch Sturm und Wogenprall ging die Meerfahrt gen Island.
 
König Gunther saß mit Hagen und Dankwart am Strande. Tief in Sorgen saß er, und keine Hoffnung war mehr in seiner Seele. Und sie sprachen unter sich von Siegfrieds Flucht und manch ein schlimmes Wort von dem Helden, der jetzt wohl schon die bergende Heimat erreicht hätte, während sie verzweifelnd den Tod erwarteten, schimpflich dazu, von eines Weibes Hand; der wohl gar das ganze Burgundenland sich zu eigen mache und sich prahlerisch auf Gunthers Thron setze.
 
So sprachen sie mit vergifteten Gemütern und glaubten nicht an Siegfrieds Treue, als Hagen aufsprang und erregt in die Ferne wies. Denn sein scharfes Einauge hatte am Horizont das Drachenschiff erspäht.
 
»Er naht, er naht!« rief er. »Siegfried kommt wieder!«
 
Da kehrte in König Gunthers Seele aller Hochmut zurück, und er erhob sich und sagte kalt: »Er hatte es geschworen.«
 
Eilig kam Brunhild aus den Toren der Burg, und ihre Ritter und Frauen folgten ihr mit staunenden Gebärden.
 
»Hohe Fürstin,« redete Gunther sie an, »rüstet Euch zur Reise nach Worms. Siegfried kommt, und ich wünsche nicht einen Tag länger ohne Eure Minne zu weilen.«
 
Mit starren Augen sah Brunhild dem heranschießenden Schiffe entgegen. Nun warf es Anker, nun schoben kräftige Hände die Laufplanken ans Land. Und Siegfried stand hochaufgerichtet an Bord und führte die glanzvolle Schar seiner Nibelungenritter vor Brunhild hin, daß die Mannen Brunhilds erbleichten, und wies lachend auf die aufgehäuften Schätze seines Schiffes.
 
»Ich habe daheim neue geholt, edle Königin. Es deuchte mir einfacher so.«
 
Geblendet blickte Brunhild auf die Reichtümer, bewundernd auf die auserlesene Ritterschar. Und willig ging sie an Gunthers Seite an Bord, zur Fahrt nach Worms, zur Hochzeit am Rhein. 

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