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Siegfried, der Held-3. Kapitel
日期:2023-08-09 11:29  点击:267
Wie Siegfried gen Worms kam und für König Gunther die Dänen und Sachsen schlug
 
Durch das schwarze Nordmeer war Siegfried gefahren und durch das blaue Meer des Südens. An den sonnigen Küsten des Landes Italia hatte er die Sarazenen bekriegt und sie mit blutigen Köpfen heimgesandt in ihre wilde afrikanische Heimat. Über die Alpen war er geritten durch die Eiswelt der Gletscher hindurch und hatte die Riesen gebändigt, die von den Bergen die Lawinen rollten. Überall, wo es galt, die Menschen von ihren Unterdrückern zu befreien, hatte Siegfrieds Schwert geleuchtet durch alle Lande und Meere. Doch so sehr der Ruhm seines Namens anschwoll und den Erdball erfüllte, aus seinem Herzen war der Frohsinn gewichen, seit ihn eine Frau, seit ihn Brunhild enttäuscht hatte.
 
So kehrte er nach Jahren in deutsche Lande zurück und kam mit Rittern und Mannen an den Rhein.
 
Als er die Ufer des geliebten Stromes entlang ritt, befiel ihn das Heimweh. Und er sagte zu sich selber: »Könnte ich doch einmal ausruhen und, wie andere Recken pflegen, den Kopf in lieben Schoß legen. Daß mir das nicht beschieden ist, macht mich traurig. Denn wo habe ich eine Heimat? Von Xanten bis ins Niederland herrscht mein Vater König Siegmund, und hier am Rhein gebieten die Burgundenfürsten. Fern vom Rhein aber mag ich nicht leben.«
 
Und er ritt weiter und wälzte viele Pläne in seinem Kopfe. Bis er gen Worms kam, dem Sitz des Burgundenkönigs Gunther und seiner Brüder Gernot und Geiselher. Als er die reiche Landschaft sah, schlug ihm das Herz hoch, und heimatlich ward ihm zu Sinn. Da gedachte er, vor Gunther hinzutreten und ihm einen Teil seines Landes abzukaufen gegen ein goldbeladenes Rheinschiff, oder aber, falls ihm der König den Handel abschlüge, Gunther und die Seinen in ehrlichem Zweikampf herauszufordern um Leben und Güter.
 
In seinem Thronsaal saß König Gunther. Hochgewachsen war er, fast wie Siegfried groß, und in den Kampfspielen bewandert wie kaum ein zweiter. Aber ein strenger Hochmut lag auf seinen Zügen und heiße Herrschbegier. Ein kräftiger Degen war Gernot, sein Bruder, ein ritterlicher und tapferer Mann. Der jüngste Bruder aber, Geiselher, war fast noch ein Kind, mit blondem Gelock, blauen, schwärmerischen Augen und einem Herzen voll lachender Begeisterung.
 
Um den Thron herum saßen und standen die Großen des Landes.
 
Da war vor allem Hagen von Tronje, der Oheim der Burgundenfürsten, ein hagerer und knochiger Mann mit finsterem, schwarzbärtigem Antlitz. Nur ein Auge besaß er, das blitzte scharf und spähend unter der buschigen Braue. Das andere hatte er verloren, als er als Geisel aus dem Hunnenlande heimgekehrt war und auf der Landstraße seinen Gesellen Walther überfallen wollte. Als erster Ratgeber stand Hagen dem Throne am nächsten, und seine eifersüchtige Seele kannte nichts anderes als die Größe und Macht seiner Herren. So war er gleich furchtbar in der Treue zu seinen Fürsten wie in seinem Haß gegen alle Widersacher.
 
Da waren ferner Hagens Bruder Dankwart, ein wilder Recke, der blindlings seines Bruders Willen tat; Herr Ortwein von Metz, ein heißblütiger Haudegen, dem das Schwert so locker saß wie die Zunge und der ein Schwestersohn Hagens war; Herr Volker von Alzey, der die Fiedel so heiß und lieblich erklingen lassen konnte, wie er lustig und nimmermüd den Degen pfeifen ließ; Ritter Rumold, der der Oberküchenmeister hieß; Ritter Hunold, dem das Amt des Mundschenken oblag; Ritter Sindold, der Herold; und manch ein anderer.
 
Und König Gunther hob lauschend und mißvergnügt den Kopf und sprach:
 
»Was ist das für ein Lärmen am Rhein? Weiß das Volk nicht, daß es sich ruhig zu verhalten hat, wenn die Fürsten mit ihren Räten niedersitzen? Der Herold gehe und erforsche die Ursache.«
 
Da ging der Ritter Sindold eilends hinaus und kam eilends wieder.
 
»König Gunther,« berichtete er hastig, »ein fremder Recke ist angelangt mit Rittern und Mannen, und das Volk strömt zusammen von weit und breit, den herrlich im Sattel sitzenden Mann zu bewundern und nicht minder sein und seiner Leute kostbares Rüstzeug und Gewand.«
 
»Was schiert mich Rüstzeug und Gewand,« eiferte Gunther. »Den Namen will ich wissen.«
 
Und Sindold mußte bekennen, daß er ihm unbekannt sei und keiner ihn wisse.
 
Da erhob sich König Gunther von seinem Thron und schritt schnell zum Fenster, und seine Brüder und Räte mit ihm. Aber so sehr sie auch schauten, keiner konnte ein Zeichen finden, an dem er den Helden erkundete, und Gunthers Zorn war groß.
 
»Erlaubt mir ein Wort,« sprach endlich Hagen. »Mir ist von meinen weiten Fahrten kein Ritter der Christen und Heiden unbekannt geblieben, und wen ich nicht selber sah, von dem hörte ich doch sagen. Dieser aber, so deucht mich, kann nach Wuchs, Muskelkraft und vollendetem Anstand kein anderer sein als der gewaltige Siegfried vom Niederrhein.«
 
Da wurde es still im Saal, und jeder gedachte des Helden ruhmreicher Taten. Bis endlich Gunther sprach: »Was mag ihn hergeführt haben? Und sollen wir ihn als Freund oder als Feind empfangen?«
 
»Ich rate,« sagte der verschlagene Hagen, »ihm freundlich entgegenzukommen. Können wir ihn zum Freunde gewinnen, so wird er uns in manchen Dingen nutzbar sein können, denn seine Macht und sein Reichtum reichen weit. Bedenket wohl, daß er den Lindwurm erschlug und dadurch in den Besitz der unermeßlichen Schätze des Nibelungenhortes kam.«
 
»Ich fürchte,« entgegnete Gunther, »es wird ihm wenig an unserer Freundschaft gelegen sein, da er so selbstherrlich und unangemeldet in unser Land kommt.«
 
Hagen von Tronje lächelte. »Ich weiß, wie man solche Falken zähmt. Held Siegfried, der stärkste Mann der Welt, hat ein knabenhaftes Herz, weich und sehnsüchtig, wenn ihn der wilde Zorn nicht bedrängt. Lasset uns damit rechnen und klug und behutsam zu Werke gehen. Sehet, wie er sich stattlich vom Pferde schwingt! Wir wollen ihm entgegengehen und ihn wie einen edlen Herrn an der Schwelle des Saales empfangen.«
 
Ungern tat es Gunther, aber die Klugheit war größer als sein Hochmut, und er empfing den fremden Gast mit ausgestreckter Hand im Türbogen der Halle.
 
König Gunther heißt Siegfried willkommen
»Willkommen, Held Siegfried, im Burgundenlande. Nehmt Quartier, und wenn Ihr Euch geruht und mit Speise und Trank gekräftigt habt, so erscheint aufs neue unter uns und tut uns zu wissen, welcher glückliche Umstand uns einen so vieledlen Gast beschert hat.«
 
»Ihr seid Gunther, der König,« sprach Siegfried ernst. »Und da Ihr wisset, wer ich bin, so ziemt es mir nicht, Gastfreundschaft von Euch anzunehmen, die Ihr später vielleicht gern ungeschehen machen möchtet.«
 
»Was könnte das wohl sein,« rief Gunther erstaunt, »das imstande wäre, Euch uns unlieb zu machen?«
 
»König Gunther,« entgegnete Siegfried, »es liegt in Eurer Hand. Euer Reich ist so groß, daß Ihr es kaum übersehen, geschweige denn all Eure Grenzen schützen könnt. Schon rüsten im Osten die gottlosen Hunnen zu neuem Kriegszug, und im Norden rührt sich der ewig unruhige Däne und sein Bruder, der Sachse. Wie wollt Ihr Euch allein da helfen? Mich aber hat tödliches Heimweh an den Rhein zurückgetrieben, und wenn ich nicht daran sterben will, muß ich am Rheine bleiben. So biete ich Euch denn für einen Teil Eurer Lande des Goldes so viel, als Ihr begehrt, dazu meine Freundschaft und mein Schwert gegen alle anrückenden Feinde.«
 
Er schwieg. Und alle im Kreise standen betroffen.
 
Da rief der vorschnelle Herr Ortwein von Metz:
 
»Ei, ist das Euer einziges Gebot? Da Ihr als Kaufmann kommt, müßt Ihr den Handel verstehen mit Zu und Ab!«
 
Siegfried sah über den Vorlauten hinweg. Doch als König Gunther seinen Mann nicht tadelte, färbte sich sein Gesicht.
 
»Ich trage noch einen zweiten Vorschlag mit mir,« sagte er mit lauter Stimme. »Wollt Ihr lieber um die Lande mit mir fechten als handeln, so ist jeder von Euch, zu Pferd und zu Fuß, mit Schwert oder Speer, vor meinen Waffen zum Zweikampf willkommen.«
 
Das Schwert fuhr Herrn Ortwein aus der Scheide. »Glaubt Ihr, Ihr sprecht mit Memmen? Kommt her, wenn Ihr mögt!«
 
»Herr Ortwein,« rief Hagen, »wer erlaubt Euch, das Schwert zu ziehen, bevor der König befiehlt?« Und des Königs Brüder Gernot und Geiselher liefen und trugen Sorge, daß das Schwert in der Scheide verschwand. Hagen aber raunte seinem Herrn Gunther zu: »Gewinnet Zeit, damit wir die Frage zu unseren Gunsten lösen!«
 
Ein süßes Lächeln glitt um König Gunthers Mund, als er auf Siegfried zutrat und des Helden Hände faßte. »Ihr seid mir lieb, Held Siegfried, und Euch meinen Freund zu nennen, könnte mir mehr wert sein als die Hälfte meines Reiches. Aber sagt Euch selber, daß Euer Vorschlag plötzlich und unerwartet kam und Euer ritterlicher Sinn uns Zeit lassen muß, in Ruhe und Gesetztheit zu prüfen und zu überlegen. Betrachtet Euch also hier zu Hause, und wir werden in den folgenden Tagen mit Euch gemeinsam das Rechte finden.«
 
Damit winkte er Hunold, dem Mundschenk, und Hunold brachte ein reich mit Gold und funkelnden Steinen besetztes Büffelhorn, mit rheinischem Wein gefüllt, und König Gunther trank es Siegfried zu auf Frieden und Freundschaft. Da verneigte sich Siegfried besänftigt und höflich, nahm das Horn und leerte es in kräftigen Zügen. Und der lang entbehrte Wein vom Rheine machte ihn fröhlich und gütigen Sinnes.
 
Schon erschien Rumold, der Oberküchenmeister, in der Tür und meldete das Mahl. Und die Fürsten und Herren gingen guter Dinge in den Speisesaal, und Siegfried saß zu seiten Gunthers auf erhabenem Thronsessel, und sein Herz war so voll Sonne und Heiterkeit wie seit Jahren nicht.
 
In der Nacht aber saß Hagen lange noch bei seinem Herrn Gunther und beriet mit ihm, wie man Siegfrieds Schwert und Schätze für sich gewinnen könne, ohne eines Pfennigs Gegenwert.
 
»Er muß Kriemhild sehen, Eure liebliche Schwester,« sagte Hagen endlich und erhob sich, weil schon der Morgen graute. »Die Liebe zähmt und macht zum Sklaven.«
 
So sprach der grimme Hagen, der unbeweibt geblieben war wie Gunther, sein Herr.
 
Und von Stund an wich Hagen nicht mehr von Siegfrieds Seite. Er rühmte des Helden Kraft, wenn er im Turnier dahergesprengt kam wie der Sonnengott und mit seiner schlanken Lanze die Burgundenritter aus dem Sattel hob, als wären sie ohne Gewicht. Und er sprach bedauernden Tones davon, daß nicht ein Geschlecht von Siegfriedssöhnen Namen und Art fortpflanzte zum Heile und zur Freude der Menschheit. »Es müßte eine Königstochter sein, schön wie keine zweite unter der Sonne und dem Mond, von mildem Stolz und zärtlichem Gemüt, die nichts anderes wüßte, als ihrem Herrn in Liebe zu gefallen und sein Herz mit Glück zu erfüllen. Doch wo gäbe es eine, die Siegfrieds würdig wäre. O ja, eine wohl wüßte ich, die eine Einzige, aber König Gunther und seine Brüder gäben wohl eher ihr ganzes Reich her als dieses Kleinod, ihre Schwester.«
 
»Wie heißt sie?« fragte Siegfried.
 
»Kriemhild heißt sie,« sprach Hagen von Tronje, »und ist schlank und fein, mit blauen Sonnen in den Augen. Und wenn sie ihr Blondhaar löst, steht sie in einem Mantel da aus lichten, fließenden Sonnenstrahlen. Der wallt ihr bis auf die schmalen Füße und verhüllt neidisch die Schönheit ihres Leibes.«
 
»Ich möchte sie wohl sehen, wenn sie so lieblich ist,« sagte Siegfried und ritt träumerisch hindann.
 
Und in seinen Träumen sah er die Frau, die er aus der wabernden Lohe befreit hatte, die seinen Verlobungsring trug, der er ihr Heimatland fern im brüllenden Nordmeer zurückgewonnen hatte, und die für all seine heischende Liebe unempfänglich gewesen war in ihrem überhebenden Hochmut. Das stolze Mannweib Brunhild.
 
Da wurde die Sehnsucht übermächtig in ihm nach echter und rechter Minne. Und jetzt war er es oft, der zu Hagen sprach: »Erzählet mir doch von Kriemhild.«
 
Wieder saßen die Fürsten und Herren in der Halle, horchten auf Herrn Volkers, des ritterlichen Spielmanns Weisen und tranken aus goldenen Bechern. Und Volkers Fiedelbogen klang so süß von Frauenliebe und Rittertat, daß es Siegfried weich und wild zugleich ums Herze wurde. »König Gunther,« sagte er leise und atmete schwer, »Ihr habt eine Schwester, Kriemhild geheißen.«
 
Verlegen blickte Gunther in seinen Becher. Die Werbung kam ihm zu früh, und noch hatte der Gast auf seine Pläne nicht verzichtet.
 
»Sie ist fast noch ein Kind,« entgegnete er ausweichend, »wenn auch an Gestalt und Anmut die blühendste Jungfrau.«
 
»Gestattet mir,« bat Siegfried, »daß ich ihr meine Ehrfurcht erweise. Ich sah sie noch nie.«
 
Und Gunther antwortete: »Sie ist scheu und zeigt sich nur unter Männern, wenn es gilt, einen Sieger zu kränzen.«
 
»Ha,« rief Siegfried ungestüm, »den Sieger will ich schon schaffen, ich habe lange genug geruht!«
 
Erbleichend gewahrte Gunther des Helden aufsteigende Wildheit. Schon wollte er Hagen zur Hilfe zu sich winken, da schollen Stimmen vom Gange her, und der Herold lief, die Ursache zu erforschen. »Herr König,« rief er, als er zurückkehrte, und seine Stimme war erregt, »es sind Sendboten gekommen von König Lüdegast von Dänemark und König Lüdeger von Sachsen und heischen, vor Euer Angesicht geführt zu werden.«
 
»Das ist der Krieg,« sagte Hagen von Tronje.
 
»Ich will ihre Botschaft hören,« gebot König Gunther und packte die Lehnen seines Thronsessels.
 
Da wurden die Boten vom Herold hereingeführt, und auf einen Wink Gunthers begannen sie ihren Spruch.
 
»Unsere Herren und Könige Lüdegast und Lüdeger haben uns hergesandt, weil Eure Grenzen, die an die unsern stoßen, sie beleidigen. Sie lassen Euch Krieg ansagen und werden ins Land rücken mit dreißigtausend Rittern und Gewappneten, Eure Burgen brechen und Eure Städte nehmen, so Ihr nicht schleunigst um Frieden bittet und nach ihrem Willen tut, die Grenzen regelt und gebührend Kriegszins zahlt. Das sollen wir Euch, König Gunther, und Euren Brüdern vermelden von König Lüdegast und König Lüdeger.«
 
Und wieder winkte Gunther, daß man die Boten hinausführe und bewirte.
 
»Was tun wir?« fragte er, als die Boten draußen waren, und sah Hagen an.
 
Und mürrisch entgegnete der Tronjer: »Wir sind nicht vorbereitet und könnten in der Eile nicht mehr als ein paar Tausende ins Feld bringen. Was ist das gegen die furchtbare Überzahl?«
 
»So sollen wir nachgeben?« fragte Gunther und zerbiß seine Lippen. Und atemlos saßen die Ritter und wußten nicht, wie sie der drohenden Gefahr begegnen sollten.
 
Da tat Siegfried den Mund auf und lachte in die beklommene Stille sein fröhlichstes Lachen. »Herr König Gunther,« rief er, »vor wenigen Minuten erst versprach ich Euch, einen Sieger zu schaffen. Die Gelegenheit ist da. Gebt mir diese Herren hier mit und tausend Mann, und ich werde den Dänen und Sachsen das Wiederkommen verleiden. Auf! Ruft die Boten in den Saal! Ich will meinen Kranz!«
 
»Und ich?« rief König Gunther. »Was soll ich inzwischen verrichten?«
 
»Ihr regiert das Land und sorgt, daß alle beruhigt unter Eurem Schutze leben.«
 
Da sprang Hagen zum Könige und redete ihm zu. Und Gunther ließ die Boten in den Saal zurückrufen.
 
Majestätisch saß der König, und hochmütigen Tones sprach er:
 
»Reitet geschwind heim, und wenn euch eure Herren fragen, weshalb ihr eure Pferde nicht besser geschont hättet, so sollt ihr ihnen antworten: Weil uns die Burgunden schon auf den Fersen waren! Fahrt wohl!«
 
Da stoben die Sendboten der Dänen und Sachsen mit verhängten Zügeln von dannen. Siegfried aber und die Burgundenrecken prüften Harnische und Helme, Schwerter und Speere, prüften Sattel und Zaumzeug und ließen die Hufe der Pferde mit frischen Eisen beschlagen. Auf gut beschirrten Wagen wurde der Proviant verladen und manch ein Fäßlein kräftigen Weins. Und ehe die Woche zu Ende war, ritt Siegfried mit Gernot und Hagen und den andern Burgundenrittern, gefolgt von tausend Mannen, ins Feld. Herr Volker aber, der feurige Spielmann, führte die Fahne.
 
Durch Hessen hindurch ging der rasche Zug ins Sachsenland hinein. König Lüdeger aber war schon mit seinem Heere zu seinem Bruder Lüdegast gestoßen, so daß an der dänischen Grenze an die vierzigtausend Streiter beisammen waren.
 
»Ordnet unsere Tausend,« gebot Siegfried dem grimmigen Tronjer, »und stellt vor jedes Hundert einen Recken, daß er den andern das wütende Beispiel gebe. Den Troß laßt zurück. Werden wir auf dem Felde totgeschlagen, so brauchen wir nicht mehr zu essen. Siegen wir aber, so sollen uns die Vorräte der Feinde nicht schlechter munden. Ich werde jetzt einmal auf Kundschaft reiten.«
 
Mit vorsichtigen Hufen trabte Grane durchs Feld. In der Ferne dehnte sich das riesige Lager der Feinde. Und als Siegfried näher kam, sah er einen goldgeschirrten Reiter die Schildwacht halten. Das war der Dänenkönig Lüdegast.
 
Siegfried legte die Lanze ein. Aber schon hatte der Däne ihn erblickt, den Speer eingesetzt und den Schild gehoben. Die Rosse griffen aus, daß die Ackerschollen flogen, und so heftig war der Anprall der zornigen Gegner, daß die Lanzen an den Schilden bis auf den Faustgriff zersplitterten. Wortlos griffen die beiden Führer nach den Schwertern, doch bevor Siegfried den Balmung aus der Scheide hatte, schlug ihm der riesige Däne schon so fürchterliche Hiebe über den Helm, daß dem Helden schier Hören und Sehen vergehen wollte. Nun aber hatte er den Balmung frei, und ein gespenstischer Kampf hob an auf der einsamen, nächtigen Heide.
 
Kein Wort wurde gesprochen. Nur das Stampfen der Rosse, das Klirren der Harnische, das Sausen der Schwerter scholl. Mit einem Schlage spaltete Siegfried des Königs Lüdegast Schild. Der nahm die Stücke und schmetterte sie Siegfried an den Kopf. Der Held aber in wildem Grimm schlug noch einmal zu. Da flog des Dänenkönigs Harnisch in Fetzen. Und als der Däne den Streitkolben packte und ihn in rasenden Hieben auf Siegfried niedersausen ließ, tat Siegfried den dritten Schlag, der den Dänenkönig blutend vom Pferde warf. Da gab sich Lüdegast in Siegfrieds Hand, und der Held nahm ihn als ritterlichen Gefangenen und führte ihn zu den Burgunden. Hei, wie die Herren und Mannen Siegfrieds Lob sangen und allen der Mut mächtig emporwuchs, trotz der Vierzigtausend, die gegen sie standen!
 
Kaum lugte die frühe Morgensonne über den Horizont, da sahen sie das Feld lebendig werden. So weit das Auge reichte, erblickte man nichts als Schlachthaufen hinter Schlachthaufen, Reiter und Fußvolk.
 
»Fürchtet euch nicht,« rief Siegfried den Seinen zu. »Wenn das Korn dicht steht, mäht es sich am leichtesten!« Und er ließ Herrn Volker, den Spielmann, die Fahne entrollen. »Mir nach!« schrie Siegfried, gab Grane die Sporen und stürzte sich mitten in die Feinde. In den Bügeln stand er aufrecht, daß alle ihn sehen konnten, und nach links und nach rechts hieb er mit gewaltigem Arme eine Bresche und dann eine Gasse und wütete bald mitten in den feindlichen Haufen. Hinter ihm jagte Volker mit der Fahne und pfiff ein Liebeslied zu seinen schneidigen Hieben. Und links und rechts brachen Gernot in die Heerhaufen und der grimmige Hagen, dessen Einauge funkelte, und der nur mit dem Streitkolben malmend in die Menge schlug, und Dankwart, der blindlings dreinhieb ohne Furcht um sein Leben, Herr Ortwein von Metz, der zu jedem Schlag ein Fluchwort spendete, und die Herren Sindold, Hunold und Rumold, mit zusammengebissenen Zähnen und beißenden Schwertern.
 
Wie das Roß Grane seinen Reiter trug! In den Rücken der Feinde war Siegfried gelangt, und er warf jauchzend den Gaul herum und bahnte sich mit dem blutigen Schwert eine zweite Gasse, Tote und Stöhnende hinter sich lassend. Wieder hatte er die Heerhaufen durchbrochen, und wieder riß er sein Roß herum. Da warf sich der Sachsenkönig Lüdeger gegen ihn mit so wilder Wucht, daß sich Grane überschlug und Siegfried mit sich niederriß. Aber schon war Grane auf den Beinen und Siegfried im Sattel, und die Wut über den Sturz machte ihn doppelt furchtbar.
 
»Seid Ihr der Teufel?« schrie Lüdeger und wehrte sich wie ein Verzweifelter.
 
Und Siegfried schrie zurück: »Riechst du den Schwefelstank, so schwitzt ihn deine Angst!« Und er fegte des Königs Helm und seinen Harnisch, daß kein Teil am andern blieb. Da gab sich ermattet Lüdeger in Siegfrieds ritterliche Haft, und der Held packte den Gefangenen und zeigte ihn dem Heere der Sachsen und Dänen vor. Und es ward ein wildes Flüchten.
 
Die Burgunden setzten ihnen nach und griffen an Beute und Gefangenen, was ihre Hände fassen konnten. Der am besten Berittene aber wurde abgesandt, König Gunther die Siegesbotschaft nach Worms zu bringen.
 
Als der Bote an den Rhein kam, stand die liebliche Kriemhild am Fenster ihrer Kemenate. »Sieg!« rief ihr der Reiter zu und schwenkte seinen Helm.
 
Weit beugte sich Kriemhild zum Fenster hinaus. »Nennt mir den Tapfersten, Mann!«
 
»Siegfried — Siegfried!« scholl es zurück.
 
Da spürte Kriemhild, daß ihr glühendes Rot über Hals und Wangen rann, denn sie hatte viele Lieder vernommen von dem herrlichen Helden und war ihm in der Stille zugetan, ohne ihn je erschaut zu haben. —
 
Nach Wochen kamen die Burgunden mit den gefangenen Königen heim und unermeßlicher Beute. Gunther ging ihnen entgegen, und als Siegfried vom Pferde sprang, umarmte und küßte er ihn.
 
»Nie werde ich es Euch vergessen,« sprach König Gunther, »was Ihr für mich vollbrachtet.«
 
Und sie saßen in der Halle beim Mahle, und die Heimgekehrten hieben in die Schüsseln, als ob es in die Feinde ging, und die Trinkhörner, gefüllt mit rheinischem Wein, machten immer wieder die Runde. Da bat Siegfried, daß man die gefangenen Könige teilnehmen lasse, und man führte sie herein.
 
»Wählt Euren Teil an der Beute, mein tapferer Siegfried,« rief König Gunther und schwenkte ihm das Trinkhorn zu.
 
»So wähle ich mir,« sprach der Held, »die beiden Herren Lüdegast und Lüdeger und schenke ihnen die Freiheit, denn sie haben sich wie die Löwen geschlagen.«
 
Nicht gern hörte König Gunther den Wunsch, aber er mußte ihn gewähren, und die Kunde von Siegfrieds ritterlichem Sinn lief bald in die Frauenkemenate, und Kriemhild vernahm sie mit Freuden.
 
»Morgen,« flüsterte sie vor sich hin, und ihre Wangen brannten, »morgen werde ich ihn kränzen und sein Angesicht schauen.«
 
Da schlief die Königstochter nicht eine Stunde in der Nacht. 

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