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Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung:8. Kapitel (Es geschieht etwas Unerwartetes)-1
日期:2023-08-04 11:29  点击:253

In dem Haus auf dem Hang wurde viel vom Schreiner Andres und dem Wiseli gesprochen. Jeden Morgen ging die Frau Oberst nachsehen, wie es dem Kranken gehe, und jedesmal brachte sie wieder einen erfreulicheren Bericht nach Hause.

Das versetzte alle in die freudigste Stimmung. Otto und Miezchen machten einen Plan, wie ein großes Genesungsfest gefeiert werden müßte in Schreiner Andres Stube, aber noch bevor Wiseli zum Buchenrain zurückkehrte. Das sollte eine Hauptfreude und für Andres und Wiseli eine große Überraschung werden.

Es mußte aber noch ein Fest gefeiert werden vorher, denn heute war der Geburtstag des Vaters und schon am frühen Morgen hatten allerlei von Otto und Miezchen erfundene Feierlichkeiten stattgefunden. Doch der Hauptmoment des Tages war jetzt gekommen, beim Mittagessen. Ganz feierlich hatten Otto und Miezchen sich schon hingesetzt in großer Erwartung all der Dinge, die da kommen sollten.

Nun erschienen auch Vater und Mutter, und die frohe Mahlzeit nahm ihren Anfang. Nachdem das erste Gericht vergnüglich verzehrt worden war, erschien eine zugedeckte Schüssel. Das war das Geburtstagsgericht. Der Deckel wurde aufgehoben, und ein prächtiger Blumenkohl stand da, so frisch, als hätte man ihn eben im Garten geholt.

"Das ist ja eine prächtige Blume", sagte der Vater, "die muß man loben. Aber eigentlich", fuhr er etwas enttäuscht fort, "suchte ich etwas anderes unter dem Deckel, Artischocken suchte ich. Kann man die nicht auch finden irgendwo, wie Blumenkohl? Du weißt, liebe Marie, ich schaue an gedeckten Tischen immer nur nach Artischocken aus."

Mit einemmal schrie das Miezchen: "Eben! Eben! Geradeso hat er gerufen—zweimal, furchtbar, und so hat er den Stecken aufgehoben und so." Und Miezchen fuhr ganz aufgeregt mit ihren Armen in der Luft herum. Aber urplötzlich schwieg sie und fuhr schnell herunter mit ihren Armen bis unter den Tisch und war ganz blutrot geworden. Und ihr gegenüber saß Otto und warf ihr zornige Blicke zu.

"Was ist das für eine seltsame Verherrlichung meines Geburtstags?" fragte der Vater erstaunt. "Über den Tisch hin schreit meine Tochter, als wollte man sie umbringen, und unter dem Tisch versetzt mir mein Sohn so entsetzliche Stiefelstöße, daß ich blaue Flecken bekomme. Ich möchte wissen, Otto, wo du diese angenehme Unterhaltung gelernt hast."

Jetzt war die Reihe an Otto, feuerrot zu werden bis unter die Haare hinauf. Er hatte dem Miezchen unter dem Tisch einige deutliche Mahnungen geben wollen, daß es schweigen solle, hatte aber den unrechten Platz getroffen und mit seinem Stiefel das Bein des Vaters bearbeitet. Das hatte Otto nun entdeckt. Er konnte nicht mehr aufschauen.

"Nun, Miezchen", fing der Vater wieder an, "was ist denn aus deiner

Räubergeschichte geworden? Du kamst ja gar nicht zu Ende. Also—

'Artischocke' hat der furchtbare Mann dich genannt und

den Stecken erhoben, und dann?"

"Dann, dann", stotterte Miezchen kleinlaut, denn es hatte begriffen, daß es auf einmal alles verraten hatte und daß der Otto den Zuckerhahn zurückfordern würde, "dann hat er mich doch nicht totgeschlagen."

"So, das war nett von ihm", sagte der Vater lachend. "Und dann weiter?"

"Dann weiter gar nichts mehr", wimmerte Miezchen.

"So, so, die Geschichte nimmt also ein fröhliches Ende. Der

Stecken bleibt in der Luft, und Miezchen geht als kleine

Artischocke nach Hause. Jetzt wollen wir gleich anstoßen auf alle

wohlgeratenen Artischocken und auf Schreiner Andres' Gesundheit!"

Damit erhob der Vater sein Glas, und die Tischgesellschaft stimmte ein. Es standen aber alle ein wenig still vom Tisch auf, denn in jedem waren allerlei Gedanken aufgestiegen. Nur der Vater blieb gelassen, setzte sich zu seiner Zeitung und steckte eine Zigarre an.

Otto schlich ins andere Zimmer hinüber, drückte sich in eine Ecke und dachte darüber nach, wie es sein werde, wenn alle anderen wieder im Mondschein rodeln würden und er nie mehr dabei sein dürfte. Denn er wußte, daß die Mutter dies von nun an verbieten würde.

Miezchen kroch ins Schlafzimmer hinein, kauerte sich neben dem Bett auf das Schemelchen nieder, nahm den roten Zuckerhahn auf den Schoß und war sehr traurig, daß es ihn zum letztenmal sehen sollte.

Die Mutter blieb eine Zeitlang nachdenklich am Fenster stehen. Ihre Gedanken mußten sie immer mehr und aufregender beschäftigen, denn jetzt fing sie an im Zimmer hin und her zu gehen. Und plötzlich verließ sie es und lief hierhin und dahin, suchte nach dem Miezchen. Sie fand es endlich hinter seinem Bett auf dem Schemel, in seine traurigen Betrachtungen versunken.

"Miezchen", sagte die Mutter, "jetzt erzähl mir, wo und wann ein

Mann dir drohte und was er dir nachgerufen hat."

Miezchen erzählte, was es wußte, es kann aber nicht viel mehr heraus, als es schon gesagt hatte: Nachgerufen hatte ihm der Mann das Wort, das der Papa am Tisch gesagt hatte, behauptete es. Die Mutter kehrte in das Zimmer zurück, wo der Vater saß, ging zu ihm und sagte in erregtem Ton: "Ich muß es dir wirklich sagen, es kommt mir immer wahrscheinlicher vor."

Der Oberst legte seine Zeitung weg und schaute erstaunt seine Frau an.

"Siehst du", fuhr sie fort, "die Szene am Tisch hat mich auf einen Gedanken gebracht, und je mehr ich ihn verfolge, je fester gestaltet er sich vor meinen Augen."

"Setz dich doch und erzähl mir, was du meinst", sagte der Oberst, ganz neugierig geworden.

Seine Frau setzte sich neben ihn hin und fuhr fort: "Du hast Miezchens Aufregung gesehen, sie war sichtlich erschreckt worden von dem Mann, von dem sie sprach. Es war nicht Spaß gewesen. Darum ist es klar, daß er das Kind nicht 'Artischocke' genannt hat. Wird er es nicht viel eher 'Aristokratin' oder 'Aristokratenbrut' genannt haben? Du weißt, wer uns früher diesen Titel nachrief, meinem Bruder und mir. Diesen Augenblick habe ich von Miezchen gehört, daß der Vorfall sich an dem Abend ereignet hatte, als Kinder im Mondschein auf der Schlittenbahn waren. Am selben Abend wurde Andres halb erschlagen gefunden. Seit Jahren war der unheimliche Jörg verschwunden. Und im ersten Augenblick, da man wieder Spuren von ihm hat, wird sein Bruder überfallen, dem kein anderer je etwas zuleide getan hat als er. Gibt dir das nicht auch zu denken?"

"Da könnte was dran sein", entgegnete der Oberst nachdenklich. "Da muß ich sofort etwas unternehmen." 

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