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Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung:3. Kapitel (Auch noch daheim)-2
日期:2023-08-03 14:44  点击:234

Als am folgenden Morgen die Nachbarin um das Haus herum zum Brunnen ging, schaute sie durch das niedere Fenster in das Stübchen hinein, wie sie immer im Vorbeigehen tat. Da sah sie, wie Wiselis Mutter auf dem Kissen schlief und wie das Kind daneben stand und weinte. Das kam ihr so sonderbar vor, sie mußte nachsehen, was da geschehen sei. Sie machte ein wenig die Tür auf und fragte: "Was hast du, Wiseli? Ist die Mutter kränker geworden?"

Wiseli schluchzte zum Erbarmen und stammelte: "Ich—weiß nicht, was die Mutter hat."

Das arme Kind ahnte, was mit der Mutter war, aber es konnte ja nicht begreifen, daß es sie verloren hatte. Sie war ja noch da, aber sie war entschlafen für das ganze Erdenleben. Sie hörte nicht mehr, wie ihr Wiseli nach ihr rief. Die Nachbarin trat zu dem Kissen am Fenster und schaute die schlafende Frau an. Dann trat sie erschrocken zurück und sagte: "Geh schnell, Wiseli, lauf und hol deinen Onkel, er soll auf der Stelle herkommen. Du hast ja sonst niemanden, und es muß sich jemand um alles kümmern. Lauf, ich will warten, bis du wieder kommst."

Das Kind lief davon, aber es konnte nicht lange so weiter laufen. Sein Herz war so schwer und alle seine Glieder zitterten so sehr, daß Wiseli sich plötzlich mitten auf dem Weg hinsetzen und laut weinen mußte. Denn jetzt wurde es ihm immer deutlicher bewußt, daß die Mutter nicht mehr erwachen werde. Es stand dann wieder auf und lief weiter, aber zu weinen konnte es nicht mehr aufhören, denn in seinem Herzen wurde der Jammer immer größer.

Am Buchenrain, eine Viertelstunde von der Kirche entfernt, stand das Haus des Onkels, wo Wiseli jetzt eben ankam und weinend unter die Tür trat. Die Tante stand in der Küche und fragte kurz: "Was ist mit dir?"

Wiseli sagte halblaut unter Schluchzen, die Nachbarin habe es geschickt, der onkel möge schnell zur Mutter kommen.

Die Tante sah das Kind an, sie mochte denken, es sei schlimm mit der Mutter. Denn weniger mürrisch, als sie sonst redete, erklärte sie: "Ich will es ihm sagen, geh nur wieder heim, er ist jetzt nicht da."

Da kehrte Wiseli wieder um und lief zurück. Die Nachbarin stand vor der Tür, drinnen hatte sie nicht warten wollen, es war ihr zu unheimlich. Aber das Wiseli schlich hinein und setzte sich ganz nahe zur Mutter, so wie es nachts neben ihr gesessen hatte. Da saß es ganz still und weinte, und von Zeit zu Zeit sagte es halblaut: "Mutter!"

Sie gab keine Antwort mehr. Da beugte Wiseli sich zu ihr und sagte: "Mutter, du hörst mich, wenn du jetzt schon im Himmel bist und ich dich nicht mehr hören kann."

So saß das Wiseli noch neben seiner Mutter und hielt sie fest, als schon die Mittagszeit vorüber war. Da trat der onkel in das Stübchen, schaute sich ein wenig darin um und rief dann die Nachbarin herein. "Sie müssen die Frau hier zurecht machen, Sie wissen schon, wie ich meine", sagte er, "so daß alles fertig ist zum Wegholen. Dann nehmen Sie den Schlüssel an sich, daß da nichts wegkommt." Dann wandte er sich zu Wiseli und sagte: "Wo sind deine Kleider, Kleines? Such sie zusammen und pack sie in ein Bündelchen, dann gehen wir."

"Wohin gehen wir denn?" fragte Wiseli zaghaft.

"Heim gehen wir", war die Antwort, "an den Buchenrain, da kannst du bei uns sein. Du hast niemanden mehr auf der Welt als deinen Onkel."

Das Wiseli erschrak. Zum Buchenrain sollte es gehen und da daheim sein. Es hatte von jeher eine große Furcht vor der Tante gehabt und jedesmal eine Zeitlang vor der Tür gewartet, wenn es dem onkel etwas hatte berichten müssen, aus lauter Angst, die Tante würde mit ihm schimpfen. Dann war der älteste Sohn da, der gewalttätige Chäppi, und dann kamen noch der Hans und der Rudi, die warfen allen Kindern Steine nach. Bei denen sollte es nun daheim sein.

Das Wiseli stand bleich und unbeweglich vor Schrecken da. "Du mußt dich nicht fürchten, Kleines", sagte der onkel freundlich. "Es sind zwar mehr Leute bei uns im Haus als hier, aber das ist um so lustiger für dich."

Wiseli legte still seine Sachen zusammen in ein Tuch und knöpfte je zwei Zipfel davon kreuzweis ineinander. Dann band es sein Tüchlein um den Kopf und stand fertig da.

"So", sagte der Onkel, "nun gehen wir." Er schritt zur Tür.

Auf einmal schluchzte Wiseli laut auf. "Dann muß ja die Mutter ganz allein sein." Es war wieder zu ihr hingelaufen und hielt sie fest.

Der onkel stand ein wenig verblüfft da. Er wußte nicht recht, wie er dem Kinde erklären sollte, wie es mit seiner Mutter sei, wenn es das nicht von selbst begriff. Denn Erklären war nicht seine Sache, das hatte er nie probiert. Er sagte also: "Komm jetzt, komm! Ein Kleines, wie du eins bist, muß folgen. Komm und mach nur kein Geschrei, das hilft gar nichts."

Wiseli würgte sein Schluchzen hinunter und folgte lautlos dem onkel zur Tür. Nur einmal sah es noch zurück und sagte ganz leise: "Behüte dich Gott, Mutter!"

Dann wanderte es mit seinem Bündelchen am Arm aus dem kleinen Haus, wo es daheim gewesen war. Eben als die beiden miteinander querfeldein gingen, kam von oben herunter die Trine, einen gedeckten Korb am Arm. Noch stand die Nachbarin unter der Tür und schaute dem onkel und dem Kind nach. Die Trine trat auf sie zu und sagte: "Heute bringe ich der kranken Frau was Gutes, aber ein wenig spät. Wir haben den Herrn onkel zum Besuch, da wird es immer spät."

"Und wenn Sie auch am Morgen früh gekommen wären, so wären Sie zu spät gekommen heute. Sie ist in der Nacht gestorben."

"Ist das wirklich wahr?" rief die Trine erschrocken aus. "Ach, du mein Gott, was wird meine Frau sagen." Damit kehrte die Trine um und lief ihren Weg zurück.

Die Nachbarin trat in das stille Stübchen und machte Wiselis Mutter so zurecht, wie sie in ihrem letzten Bett liegen mußte. 

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