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Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung:2. Kapitel (Daheim, wo's gut ist)-4
日期:2023-08-03 14:42  点击:243

Die Frau Oberst sah lächelnd vor sich hin. "Als wir dann zusammen in den Religionsunterricht gingen, da kam Wisi regelmäßig am Sonntagabend zu uns herüber, und wir sangen zusammen am Klavier Choräle. Daran hatte es damals sehr große Freude, es konnte alle die schönen Lieder auswendig und sang sie mit heller Stimme. Wir hatten auch unsere Freude an den Abenden, Mama und ich, und auch darüber, daß Wisi so gern in den Unterricht ging und ihn sich wirklich zu Herzen nahm. Es war nun ein großes Mädchen geworden und sah recht gut aus. Seine lustigen Augen hatte es noch, und wenn es auch nie so kräftig aussah wie die Bauernmädchen im Dorf, so hatte es doch eine blühende Gesichtsfarbe und war netter als sie alle. Damals war der Andres noch in der Stadt als Lehrjunge, er kam aber immer über den Sonntag heim. Dann kam er auch jedesmal zu uns ins Pfarrhaus, und am liebsten sprach er dann immer mit mir von den vergangenen Tagen der Schule. Und dann kamen wir immer bald auf das Wisi zu sprechen. Das kam so im Zusammenhang, und schließlich sprachen wir dann nur noch von ihm. Dem Andres ging ganz das Herz und der Mund auf bei diesen Erinnerungen, und während alle Welt längst das Wisi nie anders also so genannt hatte, nannte er es unwandelbar das 'Wiseli'. Und das kam dann so ganz eigen zärtlich heraus.

Da kam auch ein Sonntag, als das Wisi und ich noch nicht achtzehn Jahre alt waren. Gegen Abend trat er bei uns ein und sah ganz rosig aus. Und als wir nun mit Mama zusammensaßen, da sagte Wisi, es sei gekommen, uns mitzuteilen, daß es sich mit dem jungen Fabrikarbeiter versprochen habe, der seit kurzer Zeit im Dorfe wohnte. Sie könnten gleich heiraten, da er eine gute Anstellung habe unten in der Fabrik, und so hätten sie denn schon alles festgesetzt, daß sie gleich in zwölf Tagen zusammenkommen könnten. Ich war so erstaunt und so traurig, daß ich kein Wort sagen konnte. Eine Zeitlang sagte die Mutter auch nichts, sie sah ganz bekümmert aus. Dann aber sprach sie ernstlich mit dem Wisi und stellte ihm vor, wie leichtsinnig es sei, daß es sich so schnell mit dem Fabrikarbeiter eingelassen habe. Es kenne ihn ja kaum, und da sei doch ein anderer, der ihm Jahre lang nachgegangen sei und ihm gezeigt habe, wie lieb er es habe. Und zuletzt fragte sie es dringend, ob denn nicht alles noch rückgängig gemacht werden oder doch eine gute Zeitlang hinausgeschoben werden könne. Es könne noch bei seinem Vater bleiben, es sei ja noch so jung. Da fing Wisi zu weinen an und sagte, es habe ganz bestimmt sein Wort gegeben, alles sei eingerichtet auf die Zeit und dem Vater sei's recht. Nun sagte die Mutter nichts mehr, aber das arme Wisi weinte immer ärger. Da nahm sie es bei der Hand und zog es zum Klavier hin, an den Platz, wo es immer stand, wenn wir zusammen sangen. Sie sagte in ihrem freundlichen Ton zu ihm: 'Trockne nun deine Tränen, wir wollen noch einmal zusammen singen.' Dann schlug sie uns das Lied auf, und wir sangen zusammen:

('Befiehl du deine Wege,

Und was dein Herze kränkt,

Der allertreusten Pflege

Des, der den Himmel lenkt.)

('Der Wolken, Luft und Winden

Gibt Wege, Lauf und Bahn,

Der wird auch Wege finden,

Wo dein Fuß gehen kann.')

Wisi ging dann wieder getröstet von uns, die Mutter hatte ihm noch einige freundliche Worte gesagt.

Aber mich hatte die Sache recht traurig gemacht. Ich hatte ein ganz bestimmtes Gefühl, daß das arme Wisi seine frohen Tage nun hinter sich hatte, und dann tat mir der Andres unsäglich leid. Was würde der sagen? Er sagte aber nie etwas, gar kein Wort, aber ein paar Jahre lang ging er herum wie ein Schatten und war noch stiller geworden als vorher. Ich habe auch seither nie mehr sein stillfröhliches Gesicht gesehen, wie er es damals doch oft gezeigt hat."

"Der arme Kerl!" rief onkel Max aus. "Hat er denn keine andere

Frau genommen?"

"Ach, nein, Max", entgegnete seine Schwester ein wenig strafend, "wie konnte er denn, wie kannst du so etwas sagen. Er ist ja die Treue selbst."

"Das konnte ich ja nicht wissen, liebe Schwester", erwiderte der Bruder begütigend. "Ich konnte doch nicht voraussehen, daß dein vielseitig begabter Freund nun auch noch die Unwandelbarkeit an sich trägt. Aber das Wisi, erzähl weiter von ihm. Ich hoffe wirklich, das lustige Wisi ist nicht unglücklich geworden, es würde mir leid tun."

"Ich merke schon, Max", sagte die Schwester, "daß du es heimlich mit dem Wisi hältst und kein Mitleid hast mit dem treuen Andres, dem es doch fast das Herz abgedrückt hat, daß das Wisi für ihn verloren war."

"Doch, doch", versicherte der Onkel, "ich kann ihm nachfühlen, wie unglücklich er war. Aber weiter, wie ging's mit dem Wisi? Es hat doch seine lustigen Augen nicht verweint?"

"Doch, ich glaube schon", fuhr die Schwester fort. "Ich habe Wisi nicht mehr oft gesehen, es hatte viel zu tun. Ich glaube, der Mann war nicht eben böse, aber er hatte etwas Rohes, er konnte so grob und unfreundlich sein, auch mit seinen kleinen Kindern. Wisi hatte gewiß wenig Freude mehr. Es hatte mehrere nette Kinder, aber sie waren alle sehr zart, es verlor sie wieder eins nach dem andern. Fünf hatte es begraben müssen, nur ein einziges ist ihm geblieben, ein feines, zartes Geschöpfchen, ein kleines Wiseli. Es ist nicht viel größer als unser Miezchen und ist doch gut drei Jahre älter. Wisis Gesundheit hatte durch das alles so gelitten, daß man deutlich sehen konnte, was kommen würde. Und nun ist es auch da, eine schnelle Auszehrung rafft ihr Leben hin. Ich fürchte, es ist gar keine Hoffnung mehr."

"Nein!" rief onkel Max erschrocken aus. "Das kann doch nicht sein, ist's wirklich wahr? Kann man da nichts machen, Marie? Wir wollen doch gleich nachsehen, vielleicht ist noch zu helfen."

"Ach nein, da ist nicht mehr zu helfen", sagte die Schwester traurig. "Da war überhaupt nicht mehr zu helfen. Wisi war für all die Arbeit und Anstrengung viel zu zart."

"Und was macht nun der Mann?" fragte onkel Max.

"Ach, den habe ich ja ganz vergessen, das hatte das kranke Wisi auch noch durchzumachen. Es wird nun bald ein Jahr sein, da wurde ihm in der Fabrik der eine Arm und das Bein so zerschlagen, daß man ihn halbtot nachhause brachte. Danach konnte er nicht mehr arbeiten. Er muß kein besonders geduldiger Kranker gewesen sein. Wisi hatte ihn nun auch noch zu verpflegen zu allem andern. Er starb dann ungefähr ein halbes Jahr nach dem Unfall. Seither lebt Wisi allein mit dem Kind."

"Und so blieb von allem gar nichts mehr übrig als ein kleines Wiseli? Was macht man damit? Aber nein, so traurig wird's doch nicht kommen müssen. Das Wisi kann noch gesund werden und alles noch kommen, wie es hätte sein sollen von Anfang an."

"Nein, nein, dazu ist es zu spät", entgegnete die Schwester sehr bestimmt. "Das arme Wisi hat seinen Leichtsinn schwer büßen müssen. Aber jetzt ist es spät geworden." Und fast erschrocken stand sie auf, denn über dem Gespräch war die Mitternachtsstunde vorübergegangen.

Seit einiger Zeit schon war der Oberst ganz still geworden, er hatte sich in seinen Lehnstuhl zurückgelegt und war fest eingeschlafen. onkel Max hatte zwar keinen Schlaf, denn mit der Erzählung von dem armen Wisi waren ihm alle Jugenderinnerungen so lebendig aufgestiegen, daß er noch eine Menge von Dingen und Persönlichkeiten besprechen wollte. Aber seine Schwester war unerbittlich, sie hielt die Lampe in der Hand und drängte zum Aufbruch.

So half denn nichts. Um aber nicht allein die unwillkommene Störung zu tragen, weckte er seinen Schwager mit einem so gewaltigen Ruck an seinem Stuhl, daß der Oberst mit einem Schrecken emporschoß, als sei eine feindliche Bombe auf ihn gefahren. Aber sein Schwager klopfte ihm friedlich auf die Schulter und sagte: "Es war nur eine leise Mahnung von seiten deiner Frau, daß wir uns zurückziehen möchten." Der Rückzug wurde dann vollzogen, und bald stand das Haus auf der Höhe ganz still im Mondschein da. Und unten am Berg stand eins, da sollte es auch bald still werden. Jetzt brannte noch ein schwaches Lämpchen drinnen und warf seinen matten Schimmer durch das schmale Schubfenster in die monderhellte Nacht hinaus. 

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