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Wie Wiselis Weg gefunden wird Erzählung:2. Kapitel (Daheim, wo's gut ist)-3
日期:2023-08-03 14:41  点击:277

Der Oberst hatte seine Freude an der Geschichte der Tränen und der Veilchen und forderte seine Frau auf, weiter zu erzählen.

Sie sagte lachend: "Erdbeeren und Veilchen blühen deiner Ansicht nach das ganze Jahr durch, Max. Das ist aber nicht ganz so. Aber der gute Andres wurde wirklich das ganze Jahr durch nicht müde, mir irgend etwas Erfreuliches aus Feld und Wald zu suchen und an meinen Platz zu legen, solange wir miteinander zur Schule gingen. Er trat dann lange vor mir aus und kam in die Lehre zu einem Schreiner in der Stadt. Er kam aber oft nach Hause, ich verlor ihn nie ganz aus den Augen. Und als mein Mann dieses Gut kaufte und wir uns eben verheiratet hatten, handelte es sich darum, daß Andres sich etwas ankaufen und sich selbständig niederlassen wollte. Er hatte seine Eltern verloren und stand ganz allein, aber als tüchtiger Arbeiter da. Er hatte seine Augen auf das Häuschen mit dem sauberen kleinen Garten dort unterhalb der Kirche gerichtet, konnte es aber nicht ankaufen, da der Verkäufer sofort bares Geld haben wollte und Andres erst etwas verdienen mußte. Aber wir kannten ihn und seine Arbeit. Mein Mann kaufte das Gütchen an für ihn, und er hat es keinen Augenblick zu bereuen gehabt."

"Nein, wahrhaftig nicht", fiel der Oberst ein. "Der brave Andres hat längst sein Gut vollständig abgezahlt, und seither bringt er mir jedes Jahr um diese Zeit eine ganz hübsche Summe, den Gewinn seiner Jahresarbeit. Die lege ich ihm gut an. Er ist jetzt schon ein wohlhabender Mann, und nun nimmt sein Besitztum jährlich sehr zu. Er kann sein Häuschen noch zu einem großen Haus machen, der brave Andres. Es ist nur schade, daß er wie ein Einsiedler lebt und darum sein erarbeitetes Gut gar nicht genießen kann."

"Hat er denn keine Frau und keine Familie? Und wo ist der bitterböse Jörg schließlich hingekommen?" fragte onkel Max weiter.

"Nein, er hat gar niemanden", antwortete die Schwester. "Er lebt völlig allein, wirklich wie ein Einsiedler. Er hat eine lange, traurige Geschichte erlebt, die ich mit angesehen habe und die ihm gewiß alle Lust genommen hat, je eine Frau zu suchen. Der Bruder Jörg ist hier einige Jahre herumgestrolcht. Er hat nie gearbeitet, sondern gehofft, durch furchtbares Schimpfen auf alle diejenigen, die keine Lumpen waren wie er, endlich doch noch sein Glück zu machen. Und als ihm dies nicht gelang, auch der gute Andres ihm endlich nicht mehr aus seinen Schulden und allem Bösen heraushelfen konnte und auch nicht mehr wollte, da ist er verschwunden. Wohin, hat man nie recht gewußt. Jedermann war froh, daß er fort war."

"Was war denn die traurige Geschichte, Marie?" fragte der Bruder.

"Die muß ich auch noch wissen."

"Und ich auch", sagte der Oberst und zündete zu der Erzählung vergnüglich eine neue Zigarre an.

"Aber Otto", bemerkte die Frau Oberst, "dir habe ich dieses

Erlebnis wohl schon sechsmal erzählt."

"So?" entgegnete ruhig der Oberst. "Es gefällt mir, wie es scheint."

"So fang an!" ermunterte der Onkel.

"Du mußt dich noch an das Kind erinnern können, Max", begann seine Schwester, "von dem ich heute abend schon einmal gesprochen habe, das ganz in unserer Nähe wohnte. Es gehörte dem bleichen, mageren Leineweber, den wir immer sein Weberschifflein hin- und herwerfen hörten, wenn wir in unserem Garten standen. Das Kind sah zart und nett aus und hatte große, lustig glänzende Augen und so schöne braune Haare. Es hieß Aloise."

"In meinem Leben habe ich keine Aloise gekannt", warf onkel Max ein.

"Oh, ich weiß schon, warum", fuhr seine Schwester fort. "Wir nannten sie auch nie so, besonders du nicht. Wisi nannten wir sie, zum Schrecken unserer seligen Mama. Weißt du denn nicht mehr, wie oft du selbst sagtest, wenn wir am Klavier Lieder singen wollten mit Mama und es so leise tönte: 'Man muß das Wisi holen, sonst geht's nicht'?"

Jetzt stieg die Erinnerung mit einemmal in onkel Max' Gedächtnis auf. Er lachte auf und rief: "Oh, das ist's, das Wisi, ja gewiß, das Wisi kenne ich. Ich sehe es deutlich vor Augen mit dem lustigen Gesicht, wie es am Klavier stand und so tapfer darauflos sang. Ich mochte es gern, das Wisi. Es war auch nett anzusehen. Das ist wahr. Die gute Mutter hatte immer einen Schreckensanfall, wenn ich 'Wisi' sagte. Ich habe aber nie gewußt, wie das Wisi eigentlich hieß."

"Freilich hast du das gewußt", bemerkte die Schwester, "denn jedesmal sagte die Mama, es sei eine Barbarei, aus dem schönen Namen Aloise ein Wisi zu machen."

"Das habe ich wohl jedesmal überhört", meinte onkel Max. "Aber wo ist denn das Wisi hingekommen?"

"Du weißt, es war in derselben Klasse mit mir in der Schule, wir sind miteinander von Klasse zu Klasse gestiegen bis hinauf zur sechsten. Da kann ich mich ganz gut erinnern, wie alle diese Jahre durch der Andres als treuster Freund und Beschützer dem Wisi zur Seite stand in Freud und Leid. Und es konnte den Freund gut brauchen. Meistens, wenn es zur Schule kam und die Tafel mit Rechnungen bedeckt bringen sollte wie wir anderen auch, da stand nicht eine Zahl darauf. Es legte sie aber mit dem lustigsten Gesicht auf die Schulbank hin, und im folgenden Augenblick stand alles darauf, was darauf stehen sollte. Denn der Andres hatte schnell die Tafel genommen und die Rechnungen darauf gesetzt. Oft geschah es auch, daß Wisi in seiner raschen Weise mit dem Ellbogen eine Scheibe eingeschlagen hatte in der Schulstube, oder es hatte im Garten an des Schulmeisters Pflaumenbaum geschüttelt. Und wenn dann Gericht über diese Untaten gehalten wurde, dann blieb regelmäßig alles auf dem Andres sitzen. Nicht daß er von jemand angeklagt wurde, sondern er selbst sagte gleich halblaut, er meine, er habe die Scheibe zerdrückt. Und er glaube auch, er habe an dem Pflaumenbaum gerüttelt, und so bekam er die Strafe. Wir Kinder wußten immer ganz gut, wie es war. Aber wir ließen es so gehen. Wir waren so gewöhnt daran, daß es so sei, und dann hatten wir alle das lustige Wisi so gern, daß wir's ihm immer gönnten, wenn es ungestraft davonkam. Und Äpfel und Birnen und Nüsse hatte Wisi immer alle Taschen voll, die kamen alle vom Andres. Denn was er nur hatte und erlangen konnte, das stecke er alles dem Wisi in den Schulsack. Ich dachte manchmal darüber nach, wie es denn sein könne, daß der stille Andres gerade das allerlustigste und aufgeweckteste Kind der ganzen Schule am liebsten habe. Und dann sann ich darüber nach, ob es nun auch gerade den stillen Andres besonders gern habe. Es war wohl immer freundlich zu ihm, aber so war es auch mit den anderen. Und als ich einmal ernstlich unsere Mama fragte, wie das wohl sei, da schüttelte sie ein wenig den Kopf und sagte: 'Ich fürchte, ich fürchte, diese artige Aloise ist ein wenig leichtsinnig und kann noch in eine schwere Schule kommen.' Diese Worte gaben mir viel zu denken und kamen mir immer wieder in den Sinn." 

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